wünscht wurde, nicht eine Chimäre? -- Wie wirksam war ich nicht, diese dreyßig Iahre meines eigentlichen Lebens hin- durch! Wie mannichfaltig waren die Fol- gen meiner handelnden Kräfte! Unbe- rühmt ist mein Nahme; aber an so man- chen Orten weiß man gleichwohl von mei- nem Daseyn. Ich that vieles für mich und für andre; ich stand in ausgebreite- ter Verbindung. Noch mehr! ich war, obzwar ein unendlich kleiner, doch ein sehr reeller Theil dieses Weltalls. Unend- liche Zufälligkeiten, unendliche Verhält- niße hingen von mir ab. Der Allmächti- ge vernichte mich: so sind alle diese Wir- kungen, alle diese Zufälligkeiten, alle diese Verhätniße zugleich mit mir vernich- tet. -- Mein Untergang, der Unter- gang eines so unbeträchtlichen Dinges, ist doch immer der Untergang einer Sonne,
wünſcht wurde, nicht eine Chimäre? — Wie wirkſam war ich nicht, dieſe dreyßig Iahre meines eigentlichen Lebens hin- durch! Wie mannichfaltig waren die Fol- gen meiner handelnden Kräfte! Unbe- rühmt iſt mein Nahme; aber an ſo man- chen Orten weiß man gleichwohl von mei- nem Daſeyn. Ich that vieles für mich und für andre; ich ſtand in ausgebreite- ter Verbindung. Noch mehr! ich war, obzwar ein unendlich kleiner, doch ein ſehr reeller Theil dieſes Weltalls. Unend- liche Zufälligkeiten, unendliche Verhält- niße hingen von mir ab. Der Allmächti- ge vernichte mich: ſo ſind alle dieſe Wir- kungen, alle dieſe Zufälligkeiten, alle dieſe Verhätniße zugleich mit mir vernich- tet. — Mein Untergang, der Unter- gang eines ſo unbeträchtlichen Dinges, iſt doch immer der Untergang einer Sonne,
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wünſcht wurde, nicht eine Chimäre? —
Wie wirkſam war ich nicht, dieſe dreyßig
Iahre meines eigentlichen Lebens hin-
durch! Wie mannichfaltig waren die Fol-
gen meiner handelnden Kräfte! Unbe-
rühmt iſt mein Nahme; aber an ſo man-
chen Orten weiß man gleichwohl von mei-
nem Daſeyn. Ich that vieles für mich
und für andre; ich ſtand in ausgebreite-
ter Verbindung. Noch mehr! ich war,
obzwar ein unendlich kleiner, doch ein
ſehr reeller Theil dieſes Weltalls. Unend-
liche Zufälligkeiten, unendliche Verhält-
niße hingen von mir ab. Der Allmächti-
ge vernichte mich: ſo ſind alle dieſe Wir-
kungen, alle dieſe Zufälligkeiten, alle dieſe
Verhätniße zugleich mit mir vernich-
tet. — Mein Untergang, der Unter-
gang eines ſo unbeträchtlichen Dinges, iſt
doch immer der Untergang einer Sonne,
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/106>, abgerufen am 02.05.2024.
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