kniete der gute Magister vor dem Altare nieder, und sprach mit allem Affeckte einer ungeheuchelten Andacht, ein auf die Um- stände seiner Gemeine vollkommen passen- des Gebet aus, wodurch ich bis in dem Jn- nersten meiner Seele gerührt wurde. Dem Gebete folgte ein Schlegelscher Gesang. Und dann die Predigt, die aus wenigen, einzelnen, aus der Schrift hergenommenen, moralischen Sätzen bestand. Sie waren aber mit vieler Ueberlegung gewählt und passten alle ganz genau auf die Jahrszeit, auf das gegenwärtige Gewerbe und die übrigen Verhältnisse der Gemeine. Die Sprache des Redners näherte sich der Sprache des gemeinen Umgangs, ohne jedoch ins Nie- drige zu verfallen, und konnte schlechter- dings von einem jeden verstanden werden. Beyspiele und Gleichnisse belebten den Vor- trag. Und hier war es; wo ich die Gaben
kniete der gute Magiſter vor dem Altare nieder, und ſprach mit allem Affeckte einer ungeheuchelten Andacht, ein auf die Um- ſtände ſeiner Gemeine vollkommen paſſen- des Gebet aus, wodurch ich bis in dem Jn- nerſten meiner Seele gerührt wurde. Dem Gebete folgte ein Schlegelſcher Geſang. Und dann die Predigt, die aus wenigen, einzelnen, aus der Schrift hergenommenen, moraliſchen Sätzen beſtand. Sie waren aber mit vieler Ueberlegung gewählt und paſsten alle ganz genau auf die Jahrszeit, auf das gegenwärtige Gewerbe und die übrigen Verhältniſse der Gemeine. Die Sprache des Redners näherte ſich der Sprache des gemeinen Umgangs, ohne jedoch ins Nie- drige zu verfallen, und konnte ſchlechter- dings von einem jeden verſtanden werden. Beyſpiele und Gleichniſse belebten den Vor- trag. Und hier war es; wo ich die Gaben
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kniete der gute Magiſter vor dem Altare
nieder, und ſprach mit allem Affeckte einer
ungeheuchelten Andacht, ein auf die Um-
ſtände ſeiner Gemeine vollkommen paſſen-
des Gebet aus, wodurch ich bis in dem Jn-
nerſten meiner Seele gerührt wurde. Dem
Gebete folgte ein Schlegelſcher Geſang.
Und dann die Predigt, die aus wenigen,
einzelnen, aus der Schrift hergenommenen,
moraliſchen Sätzen beſtand. Sie waren aber
mit vieler Ueberlegung gewählt und paſsten
alle ganz genau auf die Jahrszeit, auf das
gegenwärtige Gewerbe und die übrigen
Verhältniſse der Gemeine. Die Sprache
des Redners näherte ſich der Sprache des
gemeinen Umgangs, ohne jedoch ins Nie-
drige zu verfallen, und konnte ſchlechter-
dings von einem jeden verſtanden werden.
Beyſpiele und Gleichniſse belebten den Vor-
trag. Und hier war es; wo ich die Gaben
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/60>, abgerufen am 06.05.2024.
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