Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Mode. Dann predigte man philosophisch.
Nicht, dass man die vorzutragende Wahr-
heiten an die Regel der gesunden Vernunft
gehalten, oder eine kluge Ordnung in den
Vortrag gebracht, oder in einer verständ-
lichen Sprache Wahrheiten der gesunden
Menschenvernunft dem Sinne eines mässig
achtsamen Beobachters seiner selbst vorge-
legt hätte. Wie selten geschahe das! Selbst
die schätzbaren Männer die diesen Ton zu-
weilen angegeben, die Saurins und unter
uns die Mosheime, gingen nur gar zu oft
über den Horizont des gemeinen Denkers
hinaus. Desto öfter definirte man aus sei-
nen Kompendien; desto öfter kettete man
lange Schlussreihen zusammen, und führte
die ganze metaphysische Terminologie in
Schlachtordnung gegen den armen gähnen-
den Zuhörer an, dem mehrentheils nicht
viel anders zu Muthe war, als wenn ein

Mode. Dann predigte man philoſophiſch.
Nicht, daſs man die vorzutragende Wahr-
heiten an die Regel der geſunden Vernunft
gehalten, oder eine kluge Ordnung in den
Vortrag gebracht, oder in einer verſtänd-
lichen Sprache Wahrheiten der geſunden
Menſchenvernunft dem Sinne eines mäſsig
achtſamen Beobachters ſeiner ſelbſt vorge-
legt hätte. Wie ſelten geſchahe das! Selbſt
die ſchätzbaren Männer die dieſen Ton zu-
weilen angegeben, die Saurins und unter
uns die Moſheime, gingen nur gar zu oft
über den Horizont des gemeinen Denkers
hinaus. Deſto öfter definirte man aus ſei-
nen Kompendien; deſto öfter kettete man
lange Schluſsreihen zuſammen, und führte
die ganze metaphyſiſche Terminologie in
Schlachtordnung gegen den armen gähnen-
den Zuhörer an, dem mehrentheils nicht
viel anders zu Muthe war, als wenn ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="38"/>
Mode. Dann predigte man philo&#x017F;ophi&#x017F;ch.<lb/>
Nicht, da&#x017F;s man die vorzutragende Wahr-<lb/>
heiten an die Regel der ge&#x017F;unden Vernunft<lb/>
gehalten, oder eine kluge Ordnung in den<lb/>
Vortrag gebracht, oder in einer ver&#x017F;tänd-<lb/>
lichen Sprache Wahrheiten der ge&#x017F;unden<lb/>
Men&#x017F;chenvernunft dem Sinne eines mä&#x017F;sig<lb/>
acht&#x017F;amen Beobachters &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t vorge-<lb/>
legt hätte. Wie &#x017F;elten ge&#x017F;chahe das! Selb&#x017F;t<lb/>
die &#x017F;chätzbaren Männer die die&#x017F;en Ton zu-<lb/>
weilen angegeben, die Saurins und unter<lb/>
uns die Mo&#x017F;heime, gingen nur gar zu oft<lb/>
über den Horizont des gemeinen Denkers<lb/>
hinaus. De&#x017F;to öfter definirte man aus &#x017F;ei-<lb/>
nen Kompendien; de&#x017F;to öfter kettete man<lb/>
lange Schlu&#x017F;sreihen zu&#x017F;ammen, und führte<lb/>
die ganze metaphy&#x017F;i&#x017F;che Terminologie in<lb/>
Schlachtordnung gegen den armen gähnen-<lb/>
den Zuhörer an, dem mehrentheils nicht<lb/>
viel anders zu Muthe war, als wenn ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0046] Mode. Dann predigte man philoſophiſch. Nicht, daſs man die vorzutragende Wahr- heiten an die Regel der geſunden Vernunft gehalten, oder eine kluge Ordnung in den Vortrag gebracht, oder in einer verſtänd- lichen Sprache Wahrheiten der geſunden Menſchenvernunft dem Sinne eines mäſsig achtſamen Beobachters ſeiner ſelbſt vorge- legt hätte. Wie ſelten geſchahe das! Selbſt die ſchätzbaren Männer die dieſen Ton zu- weilen angegeben, die Saurins und unter uns die Moſheime, gingen nur gar zu oft über den Horizont des gemeinen Denkers hinaus. Deſto öfter definirte man aus ſei- nen Kompendien; deſto öfter kettete man lange Schluſsreihen zuſammen, und führte die ganze metaphyſiſche Terminologie in Schlachtordnung gegen den armen gähnen- den Zuhörer an, dem mehrentheils nicht viel anders zu Muthe war, als wenn ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/46
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/46>, abgerufen am 24.11.2024.