Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

keit des Versuchs. Er scheint nun eine
glücklichere Hand zu erwarten. Dort
breitet ein Eichenwald seinen graunvollen
Schatten gewaltig umher. Seine Geburts-
stunde verliert sich in ein früheres Weltal-
ter. Er grünte villeicht schon, ehe noch
diese ganze Gegend einem bestimmten Be-
sitzer zu theil wurde.

Kein Mensch ist so böse, dass er nicht
etwas Gutes an sich haben sollte. Diese
Wahrheit, die es so gewiss ist, als es sonst
eine Erfahrung in der moralischen Welt
seyn mag, verdient, zu mehrerer Ausbrei-
tung einer allgemeinen Menschenliebe, über-
all gesagt, überall mit lauter Stimme ver-
kündigt zu werden. Liebe deine Feinde!
Diess eigentliche Gebot einer erleuchteten
Philosophie ist hierauf gegründet. Der
Verstand desselben kann auch wohl kein
anderer seyn als dieser: Verdunkle dir die

keit des Verſuchs. Er ſcheint nun eine
glücklichere Hand zu erwarten. Dort
breitet ein Eichenwald ſeinen graunvollen
Schatten gewaltig umher. Seine Geburts-
ſtunde verliert ſich in ein früheres Weltal-
ter. Er grünte villeicht ſchon, ehe noch
dieſe ganze Gegend einem beſtimmten Be-
ſitzer zu theil wurde.

Kein Menſch iſt ſo böſe, daſs er nicht
etwas Gutes an ſich haben ſollte. Dieſe
Wahrheit, die es ſo gewiſs iſt, als es ſonſt
eine Erfahrung in der moraliſchen Welt
ſeyn mag, verdient, zu mehrerer Ausbrei-
tung einer allgemeinen Menſchenliebe, über-
all geſagt, überall mit lauter Stimme ver-
kündigt zu werden. Liebe deine Feinde!
Dieſs eigentliche Gebot einer erleuchteten
Philoſophie iſt hierauf gegründet. Der
Verſtand deſſelben kann auch wohl kein
anderer ſeyn als dieſer: Verdunkle dir die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0237" n="229"/>
keit des Ver&#x017F;uchs. Er &#x017F;cheint nun eine<lb/>
glücklichere Hand zu erwarten. Dort<lb/>
breitet ein Eichenwald &#x017F;einen graunvollen<lb/>
Schatten gewaltig umher. Seine Geburts-<lb/>
&#x017F;tunde verliert &#x017F;ich in ein früheres Weltal-<lb/>
ter. Er grünte villeicht &#x017F;chon, ehe noch<lb/>
die&#x017F;e ganze Gegend einem be&#x017F;timmten Be-<lb/>
&#x017F;itzer zu theil wurde.</p><lb/>
          <p>Kein Men&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;o bö&#x017F;e, da&#x017F;s er nicht<lb/>
etwas Gutes an &#x017F;ich haben &#x017F;ollte. Die&#x017F;e<lb/>
Wahrheit, die es &#x017F;o gewi&#x017F;s i&#x017F;t, als es &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
eine Erfahrung in der morali&#x017F;chen Welt<lb/>
&#x017F;eyn mag, verdient, zu mehrerer Ausbrei-<lb/>
tung einer allgemeinen Men&#x017F;chenliebe, über-<lb/>
all ge&#x017F;agt, überall mit lauter Stimme ver-<lb/>
kündigt zu werden. Liebe deine Feinde!<lb/>
Die&#x017F;s eigentliche Gebot einer erleuchteten<lb/>
Philo&#x017F;ophie i&#x017F;t hierauf gegründet. Der<lb/>
Ver&#x017F;tand de&#x017F;&#x017F;elben kann auch wohl kein<lb/>
anderer &#x017F;eyn als die&#x017F;er: Verdunkle dir die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0237] keit des Verſuchs. Er ſcheint nun eine glücklichere Hand zu erwarten. Dort breitet ein Eichenwald ſeinen graunvollen Schatten gewaltig umher. Seine Geburts- ſtunde verliert ſich in ein früheres Weltal- ter. Er grünte villeicht ſchon, ehe noch dieſe ganze Gegend einem beſtimmten Be- ſitzer zu theil wurde. Kein Menſch iſt ſo böſe, daſs er nicht etwas Gutes an ſich haben ſollte. Dieſe Wahrheit, die es ſo gewiſs iſt, als es ſonſt eine Erfahrung in der moraliſchen Welt ſeyn mag, verdient, zu mehrerer Ausbrei- tung einer allgemeinen Menſchenliebe, über- all geſagt, überall mit lauter Stimme ver- kündigt zu werden. Liebe deine Feinde! Dieſs eigentliche Gebot einer erleuchteten Philoſophie iſt hierauf gegründet. Der Verſtand deſſelben kann auch wohl kein anderer ſeyn als dieſer: Verdunkle dir die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/237
Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/237>, abgerufen am 21.11.2024.