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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, gutes
Gewissen -- sind vortreffliche Worte und
noch vortrefflichere Sachen. Wer sie aber
immer im Munde hat, setzt sich in den ge-
gründeten Verdacht, dass er sie nicht im
Herzen habe.

Jch stelle mir die Wissenschaften als
eine grosse Feldmark vor. Hier grünt ein
lieblicher Busch von frischen Quellen ge-
wässert, eine Wohnung unzähliger Vögel;
dort breitet sich ein goldnes Waitzenfeld
aus, nutzbarer, obgleich minder schön fürs
Auge; Dort kriechen Erbsen und Wicken
am Boden; dort gränzt eine aufkeimende
Sommersaat mit der Farbe des Grases an die
falben Roggenhufen, die dem fleissigen
Landmann eine nahe Aerndte geloben.
Hier liegt unbebaueter Sumpf. Viele ha-
ben ihn urbar zu machen vergebens ver-
sucht. Sie erlagen unter der Schwierig-

Ehrlichkeit, Rechtſchaffenheit, gutes
Gewiſsen — ſind vortreffliche Worte und
noch vortrefflichere Sachen. Wer ſie aber
immer im Munde hat, ſetzt ſich in den ge-
gründeten Verdacht, daſs er ſie nicht im
Herzen habe.

Jch ſtelle mir die Wiſsenſchaften als
eine groſse Feldmark vor. Hier grünt ein
lieblicher Buſch von friſchen Quellen ge-
wäſſert, eine Wohnung unzähliger Vögel;
dort breitet ſich ein goldnes Waitzenfeld
aus, nutzbarer, obgleich minder ſchön fürs
Auge; Dort kriechen Erbſen und Wicken
am Boden; dort gränzt eine aufkeimende
Sommerſaat mit der Farbe des Graſes an die
falben Roggenhufen, die dem fleiſsigen
Landmann eine nahe Aerndte geloben.
Hier liegt unbebaueter Sumpf. Viele ha-
ben ihn urbar zu machen vergebens ver-
ſucht. Sie erlagen unter der Schwierig-

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[228/0236] Ehrlichkeit, Rechtſchaffenheit, gutes Gewiſsen — ſind vortreffliche Worte und noch vortrefflichere Sachen. Wer ſie aber immer im Munde hat, ſetzt ſich in den ge- gründeten Verdacht, daſs er ſie nicht im Herzen habe. Jch ſtelle mir die Wiſsenſchaften als eine groſse Feldmark vor. Hier grünt ein lieblicher Buſch von friſchen Quellen ge- wäſſert, eine Wohnung unzähliger Vögel; dort breitet ſich ein goldnes Waitzenfeld aus, nutzbarer, obgleich minder ſchön fürs Auge; Dort kriechen Erbſen und Wicken am Boden; dort gränzt eine aufkeimende Sommerſaat mit der Farbe des Graſes an die falben Roggenhufen, die dem fleiſsigen Landmann eine nahe Aerndte geloben. Hier liegt unbebaueter Sumpf. Viele ha- ben ihn urbar zu machen vergebens ver- ſucht. Sie erlagen unter der Schwierig-

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/236>, abgerufen am 06.05.2024.