von deinen Tönen erweicht, schmilzt in süsser Wehmuth. Jezt schweigst du; ich hö- re das sanfte Geschwätz eines nahen Bachs, der über entblöste Wurzeln dahinfliesst, ich höre den lispelnden West, der sich auf schlanken Zweigen wiegt. Und ist es nicht ein ungemeiner Gewinn, so vieles nicht zu hören: das Getöse der Spieltische nicht, wo Ausrufungen und Flüche sich unauf- hörlich begegnen; das ungeräumte Ge- wäsch so vieler schamlosen Zungen nicht, die ohne Leben und Bewegung sind, wenn sie nicht der mächtige Weingott regiert?
Phanor! ich bin dein Gast nie wieder. Jch entsage deinen Festen und dir; oder wenn ich ja komme, so ist es um dir einen deiner Gäste zu entführen, der ein bessres Schick- sal verdient, als den nichts würdigen Haufen vollzählich zu machen, der von dem Schweis- se deines rechtschaffenen Vaters lebt.
(I. Theil.) B
von deinen Tönen erweicht, ſchmilzt in ſüſser Wehmuth. Jezt ſchweigſt du; ich hö- re das ſanfte Geſchwätz eines nahen Bachs, der über entblöſte Wurzeln dahinflieſst, ich höre den liſpelnden Weſt, der ſich auf ſchlanken Zweigen wiegt. Und iſt es nicht ein ungemeiner Gewinn, ſo vieles nicht zu hören: das Getöſe der Spieltiſche nicht, wo Ausrufungen und Flüche ſich unauf- hörlich begegnen; das ungeräumte Ge- wäſch ſo vieler ſchamloſen Zungen nicht, die ohne Leben und Bewegung ſind, wenn ſie nicht der mächtige Weingott regiert?
Phanor! ich bin dein Gaſt nie wieder. Jch entſage deinen Feſten und dir; oder wenn ich ja komme, ſo iſt es um dir einen deiner Gäſte zu entführen, der ein beſsres Schick- ſal verdient, als den nichts würdigen Haufen vollzählich zu machen, der von dem Schweiſ- ſe deines rechtſchaffenen Vaters lebt.
(I. Theil.) B
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0023"n="15"/>
von deinen Tönen erweicht, ſchmilzt in<lb/>ſüſser Wehmuth. Jezt ſchweigſt du; ich hö-<lb/>
re das ſanfte Geſchwätz eines nahen Bachs,<lb/>
der über entblöſte Wurzeln dahinflieſst,<lb/>
ich höre den liſpelnden Weſt, der ſich auf<lb/>ſchlanken Zweigen wiegt. Und iſt es nicht<lb/>
ein ungemeiner Gewinn, ſo vieles nicht zu<lb/>
hören: das Getöſe der Spieltiſche nicht,<lb/>
wo Ausrufungen und Flüche ſich unauf-<lb/>
hörlich begegnen; das ungeräumte Ge-<lb/>
wäſch ſo vieler ſchamloſen Zungen nicht,<lb/>
die ohne Leben und Bewegung ſind, wenn<lb/>ſie nicht der mächtige Weingott regiert?</p><lb/><p>Phanor! ich bin dein Gaſt nie wieder. Jch<lb/>
entſage deinen Feſten und dir; oder wenn ich<lb/>
ja komme, ſo iſt es um dir einen deiner<lb/>
Gäſte zu entführen, der ein beſsres Schick-<lb/>ſal verdient, als den nichts würdigen Haufen<lb/>
vollzählich zu machen, der von dem Schweiſ-<lb/>ſe deines rechtſchaffenen Vaters lebt.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig">(<hirendition="#i">I. Theil.</hi>) B</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[15/0023]
von deinen Tönen erweicht, ſchmilzt in
ſüſser Wehmuth. Jezt ſchweigſt du; ich hö-
re das ſanfte Geſchwätz eines nahen Bachs,
der über entblöſte Wurzeln dahinflieſst,
ich höre den liſpelnden Weſt, der ſich auf
ſchlanken Zweigen wiegt. Und iſt es nicht
ein ungemeiner Gewinn, ſo vieles nicht zu
hören: das Getöſe der Spieltiſche nicht,
wo Ausrufungen und Flüche ſich unauf-
hörlich begegnen; das ungeräumte Ge-
wäſch ſo vieler ſchamloſen Zungen nicht,
die ohne Leben und Bewegung ſind, wenn
ſie nicht der mächtige Weingott regiert?
Phanor! ich bin dein Gaſt nie wieder. Jch
entſage deinen Feſten und dir; oder wenn ich
ja komme, ſo iſt es um dir einen deiner
Gäſte zu entführen, der ein beſsres Schick-
ſal verdient, als den nichts würdigen Haufen
vollzählich zu machen, der von dem Schweiſ-
ſe deines rechtſchaffenen Vaters lebt.
(I. Theil.) B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/23>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.