Reactionäre Bestrebungen. Russische Anträge von 1863.
Whether 't is nobler in the mind, to suffer The slings and arrows of outrageous fortune, Or to take arms against a sea of troubles, And by opposing end them? --
erinnern, wenn man es aus dem Zweifel in die Affirmative über¬ setzt: der Kaiser ist der westmächtlichen und östreichisch-polnischen Chikanen müde und entschlossen den Degen zu ziehn, um sich von ihnen frei zu machen; an die Freundschaft und die gleichen Interessen des Königs appellirend, fordert er ihn zu gemeinsamem Handeln auf, so zu sagen in erweitertem Sinne der Alvensleben¬ schen Convention vom Februar desselben Jahres. Dem Könige wurde es schwer, einerseits dem nahen Verwandten und nächsten Freunde eine ablehnende Antwort zu geben, andrerseits sich mit dem Entschlusse vertraut zu machen, seinem Lande die Uebel eines großen Krieges aufzuerlegen, dem Staate und der Dy¬ nastie die Gefahren eines solchen zuzumuthen. Auch die Seite seines Gemüthslebens, die ihn geneigt machte, die Frankfurter Fürstenversammlung zu besuchen, das Gefühl der Zusammen¬ gehörigkeit mit allen alten Fürstenhäusern, trat in ihm der Ver¬ suchung entgegen, der Anrufung des befreundeten Neffen und den preußisch-russischen Familientraditionen eine Folge zu geben, die zu dem Bruch mit dem deutschen Bundesverhältniß und der Ge¬ sammtheit der deutschen Fürstenfamilien führen mußte. In meinem mehre Tage dauernden Vortrage vermied ich es, die Seite der Sache zu betonen, welche für unsre innere Politik von Gewicht gewesen sein würde, weil ich nicht der Meinung war, daß ein Krieg grade im Bunde mit Rußland gegen Oestreich und alle Gegner, mit denen wir es 1866 zu thun bekamen, uns der Er¬ füllung unsrer nationalen Aufgabe näher gebracht haben würde. Es ist ja ein namentlich in der französischen Politik gebräuchliches Mittel, innere Schwierigkeiten durch Kriege zu überwinden; in Deutschland aber würde dieses Mittel nur dann wirksam gewesen sein, wenn der betreffende Krieg in der Linie der nationalen Ent¬
Reactionäre Beſtrebungen. Ruſſiſche Anträge von 1863.
Whether 't is nobler in the mind, to suffer The slings and arrows of outrageous fortune, Or to take arms against a sea of troubles, And by opposing end them? —
erinnern, wenn man es aus dem Zweifel in die Affirmative über¬ ſetzt: der Kaiſer iſt der weſtmächtlichen und öſtreichiſch-polniſchen Chikanen müde und entſchloſſen den Degen zu ziehn, um ſich von ihnen frei zu machen; an die Freundſchaft und die gleichen Intereſſen des Königs appellirend, fordert er ihn zu gemeinſamem Handeln auf, ſo zu ſagen in erweitertem Sinne der Alvensleben¬ ſchen Convention vom Februar deſſelben Jahres. Dem Könige wurde es ſchwer, einerſeits dem nahen Verwandten und nächſten Freunde eine ablehnende Antwort zu geben, andrerſeits ſich mit dem Entſchluſſe vertraut zu machen, ſeinem Lande die Uebel eines großen Krieges aufzuerlegen, dem Staate und der Dy¬ naſtie die Gefahren eines ſolchen zuzumuthen. Auch die Seite ſeines Gemüthslebens, die ihn geneigt machte, die Frankfurter Fürſtenverſammlung zu beſuchen, das Gefühl der Zuſammen¬ gehörigkeit mit allen alten Fürſtenhäuſern, trat in ihm der Ver¬ ſuchung entgegen, der Anrufung des befreundeten Neffen und den preußiſch-ruſſiſchen Familientraditionen eine Folge zu geben, die zu dem Bruch mit dem deutſchen Bundesverhältniß und der Ge¬ ſammtheit der deutſchen Fürſtenfamilien führen mußte. In meinem mehre Tage dauernden Vortrage vermied ich es, die Seite der Sache zu betonen, welche für unſre innere Politik von Gewicht geweſen ſein würde, weil ich nicht der Meinung war, daß ein Krieg grade im Bunde mit Rußland gegen Oeſtreich und alle Gegner, mit denen wir es 1866 zu thun bekamen, uns der Er¬ füllung unſrer nationalen Aufgabe näher gebracht haben würde. Es iſt ja ein namentlich in der franzöſiſchen Politik gebräuchliches Mittel, innere Schwierigkeiten durch Kriege zu überwinden; in Deutſchland aber würde dieſes Mittel nur dann wirkſam geweſen ſein, wenn der betreffende Krieg in der Linie der nationalen Ent¬
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Reactionäre Beſtrebungen. Ruſſiſche Anträge von 1863.
Whether 't is nobler in the mind, to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take arms against a sea of troubles,
And by opposing end them? —
erinnern, wenn man es aus dem Zweifel in die Affirmative über¬
ſetzt: der Kaiſer iſt der weſtmächtlichen und öſtreichiſch-polniſchen
Chikanen müde und entſchloſſen den Degen zu ziehn, um ſich von
ihnen frei zu machen; an die Freundſchaft und die gleichen
Intereſſen des Königs appellirend, fordert er ihn zu gemeinſamem
Handeln auf, ſo zu ſagen in erweitertem Sinne der Alvensleben¬
ſchen Convention vom Februar deſſelben Jahres. Dem Könige
wurde es ſchwer, einerſeits dem nahen Verwandten und nächſten
Freunde eine ablehnende Antwort zu geben, andrerſeits ſich mit
dem Entſchluſſe vertraut zu machen, ſeinem Lande die Uebel
eines großen Krieges aufzuerlegen, dem Staate und der Dy¬
naſtie die Gefahren eines ſolchen zuzumuthen. Auch die Seite
ſeines Gemüthslebens, die ihn geneigt machte, die Frankfurter
Fürſtenverſammlung zu beſuchen, das Gefühl der Zuſammen¬
gehörigkeit mit allen alten Fürſtenhäuſern, trat in ihm der Ver¬
ſuchung entgegen, der Anrufung des befreundeten Neffen und den
preußiſch-ruſſiſchen Familientraditionen eine Folge zu geben, die
zu dem Bruch mit dem deutſchen Bundesverhältniß und der Ge¬
ſammtheit der deutſchen Fürſtenfamilien führen mußte. In meinem
mehre Tage dauernden Vortrage vermied ich es, die Seite der
Sache zu betonen, welche für unſre innere Politik von Gewicht
geweſen ſein würde, weil ich nicht der Meinung war, daß ein
Krieg grade im Bunde mit Rußland gegen Oeſtreich und alle
Gegner, mit denen wir es 1866 zu thun bekamen, uns der Er¬
füllung unſrer nationalen Aufgabe näher gebracht haben würde.
Es iſt ja ein namentlich in der franzöſiſchen Politik gebräuchliches
Mittel, innere Schwierigkeiten durch Kriege zu überwinden; in
Deutſchland aber würde dieſes Mittel nur dann wirkſam geweſen
ſein, wenn der betreffende Krieg in der Linie der nationalen Ent¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/87>, abgerufen am 23.07.2024.
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