Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Zwanzigstes Kapitel: Nikolsburg. könnten wir dann leichter davonkommen lassen, sagte er, und bestandauf den schon erwähnten Gebietsabtretungen von Oestreich. Ich erwiderte: Wir hätten nicht eines Richteramts zu walten, sondern deutsche Politik zu treiben; Oestreichs Rivalitätskampf gegen uns sei nicht strafbarer als der unsrige gegen Oestreich; unsre Auf¬ gabe sei Herstellung oder Anbahnung deutsch-nationaler Einheit unter Leitung des Königs von Preußen. Auf die deutschen Staaten übergehend, sprach er von verschie¬ Zwanzigſtes Kapitel: Nikolsburg. könnten wir dann leichter davonkommen laſſen, ſagte er, und beſtandauf den ſchon erwähnten Gebietsabtretungen von Oeſtreich. Ich erwiderte: Wir hätten nicht eines Richteramts zu walten, ſondern deutſche Politik zu treiben; Oeſtreichs Rivalitätskampf gegen uns ſei nicht ſtrafbarer als der unſrige gegen Oeſtreich; unſre Auf¬ gabe ſei Herſtellung oder Anbahnung deutſch-nationaler Einheit unter Leitung des Königs von Preußen. Auf die deutſchen Staaten übergehend, ſprach er von verſchie¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0070" n="46"/><fw place="top" type="header">Zwanzigſtes Kapitel: Nikolsburg.<lb/></fw> könnten wir dann leichter davonkommen laſſen, ſagte er, und beſtand<lb/> auf den ſchon erwähnten Gebietsabtretungen von Oeſtreich. Ich<lb/> erwiderte: Wir hätten nicht eines Richteramts zu walten, ſondern<lb/> deutſche Politik zu treiben; Oeſtreichs Rivalitätskampf gegen uns<lb/> ſei nicht ſtrafbarer als der unſrige gegen Oeſtreich; <hi rendition="#g">unſre Auf¬<lb/> gabe ſei Herſtellung oder Anbahnung deutſch-nationaler<lb/> Einheit unter Leitung des Königs von Preußen</hi>.</p><lb/> <p>Auf die deutſchen Staaten übergehend, ſprach er von verſchie¬<lb/> denen Erwerbungen durch Beſchneidung der Länder aller Gegner.<lb/> Ich wiederholte, daß wir nicht vergeltende Gerechtigkeit zu üben,<lb/> ſondern Politik zu treiben hätten, daß ich vermeiden wolle, in dem<lb/> künftigen deutſchen Bundesverhältniß verſtümmelte Beſitze zu ſehn,<lb/> in denen bei Dynaſtie und Bevölkerung der Wunſch nach Wieder¬<lb/> erlangung des frühern Beſitzes mit fremder Hülfe nach menſch¬<lb/> licher Schwäche leicht lebendig werden könnte; es würden das un¬<lb/> zuverläſſige Bundesgenoſſen werden. Daſſelbe würde der Fall ſein,<lb/> wenn man zur Entſchädigung Sachſens etwa Würzburg oder Nürn¬<lb/> berg von Baiern verlangen wollte, ein Plan, der außerdem mit<lb/> der dynaſtiſchen Vorliebe Sr. Majeſtät für Ansbach in Concurrenz<lb/> treten würde. Ebenſo hatte ich Pläne zu bekämpfen, die auf eine<lb/> Vergrößerung des Großherzogthums Baden hinausliefen, Annexion<lb/> der bairiſchen Pfalz, und eine Ausdehnung in der untern Main¬<lb/> gegend. Das Aſchaffenburger Gebiet Baierns wurde dabei als ge¬<lb/> eignet angeſehn, um Heſſen-Darmſtadt für den durch die Maingrenze<lb/> gebotenen Verluſt von Oberheſſen zu entſchädigen. Später in Berlin<lb/> ſtand von dieſen Plänen nur noch zur Verhandlung die Abtretung<lb/> des auf dem rechten Mainufer gelegenen bairiſchen Gebiets ein¬<lb/> ſchließlich der Stadt Bayreuth an Preußen, wobei die Frage zur Er¬<lb/> örterung kam, ob die Grenze auf dem nördlichen rothen oder ſüd¬<lb/> lichen weißen Main gehn ſollte. Vorwiegend ſchien mir bei Sr.<lb/> Majeſtät die von militäriſcher Seite gepflegte Abneigung gegen die<lb/> Unterbrechung des Siegeslaufes der Armee. Der Widerſtand, den ich<lb/> den Abſichten Sr. Majeſtät in Betreff der Ausnutzung der militäri¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0070]
Zwanzigſtes Kapitel: Nikolsburg.
könnten wir dann leichter davonkommen laſſen, ſagte er, und beſtand
auf den ſchon erwähnten Gebietsabtretungen von Oeſtreich. Ich
erwiderte: Wir hätten nicht eines Richteramts zu walten, ſondern
deutſche Politik zu treiben; Oeſtreichs Rivalitätskampf gegen uns
ſei nicht ſtrafbarer als der unſrige gegen Oeſtreich; unſre Auf¬
gabe ſei Herſtellung oder Anbahnung deutſch-nationaler
Einheit unter Leitung des Königs von Preußen.
Auf die deutſchen Staaten übergehend, ſprach er von verſchie¬
denen Erwerbungen durch Beſchneidung der Länder aller Gegner.
Ich wiederholte, daß wir nicht vergeltende Gerechtigkeit zu üben,
ſondern Politik zu treiben hätten, daß ich vermeiden wolle, in dem
künftigen deutſchen Bundesverhältniß verſtümmelte Beſitze zu ſehn,
in denen bei Dynaſtie und Bevölkerung der Wunſch nach Wieder¬
erlangung des frühern Beſitzes mit fremder Hülfe nach menſch¬
licher Schwäche leicht lebendig werden könnte; es würden das un¬
zuverläſſige Bundesgenoſſen werden. Daſſelbe würde der Fall ſein,
wenn man zur Entſchädigung Sachſens etwa Würzburg oder Nürn¬
berg von Baiern verlangen wollte, ein Plan, der außerdem mit
der dynaſtiſchen Vorliebe Sr. Majeſtät für Ansbach in Concurrenz
treten würde. Ebenſo hatte ich Pläne zu bekämpfen, die auf eine
Vergrößerung des Großherzogthums Baden hinausliefen, Annexion
der bairiſchen Pfalz, und eine Ausdehnung in der untern Main¬
gegend. Das Aſchaffenburger Gebiet Baierns wurde dabei als ge¬
eignet angeſehn, um Heſſen-Darmſtadt für den durch die Maingrenze
gebotenen Verluſt von Oberheſſen zu entſchädigen. Später in Berlin
ſtand von dieſen Plänen nur noch zur Verhandlung die Abtretung
des auf dem rechten Mainufer gelegenen bairiſchen Gebiets ein¬
ſchließlich der Stadt Bayreuth an Preußen, wobei die Frage zur Er¬
örterung kam, ob die Grenze auf dem nördlichen rothen oder ſüd¬
lichen weißen Main gehn ſollte. Vorwiegend ſchien mir bei Sr.
Majeſtät die von militäriſcher Seite gepflegte Abneigung gegen die
Unterbrechung des Siegeslaufes der Armee. Der Widerſtand, den ich
den Abſichten Sr. Majeſtät in Betreff der Ausnutzung der militäri¬
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