Verstimmung der Militärs. Französische Einmischung.
Nach der Schlacht von Königgrätz war die Situation der¬ artig, daß ein Eingehn auf die erste Annäherung Oestreichs zu Friedensunterhandlungen nicht nur möglich, sondern durch die Ein¬ mischung Frankreichs geboten erschien. Letztre datirte von dem in der Nacht vom 4. zum 5. Juli in Horricz*) eingetroffenen, an Seine Majestät gerichteten Telegramm, in welchem Louis Napoleon dem Könige mittheilte, daß der Kaiser Franz Joseph ihm Venetien abgetreten und seine Vermittlung angerufen habe. Der glänzende Erfolg der Waffen des Königs nöthige Napoleon aus seiner bis¬ herigen Zurückhaltung herauszutreten1). Die Einmischung war her¬ vorgerufen durch unsern Sieg, nachdem Napoleon bis dahin auf unsre Niederlage und Hülfsbedürftigkeit gerechnet hatte. Wenn unsrerseits der Sieg von Königgrätz durch Eingreifen des Generals v. Etzel und durch energische Verfolgung des geschlagnen Feindes vermittelst unsrer intacten Cavallerie vollständig ausgenutzt worden wäre, so würde wahrscheinlich die Sendung des Generals von Gab¬ lenz in das preußische Hauptquartier schon zu dem Abschluß nicht nur eines Waffenstillstandes, sondern auch der Basen des künftigen Friedens geführt haben, bei der Mäßigung, welche unsrerseits und damals auch noch bei dem Könige in Bezug auf die Bedingungen des Friedens vorwaltete, eine Mäßigung, die damals von Oestreich doch schon mehr als nützlich beanspruchte, und uns als künftige Genossen alle bisherigen Bundesglieder, aber alle verkleinert und verletzt, gelassen hätte. Auf meinen Antrag antwortete Seine Majestät dem Kaiser Napoleon dilatorisch, aber doch mit Ablehnung jedes Waffenstillstandes ohne Friedensbürgschaften.
Ich fragte später in Nikolsburg den General von Moltke, was er thun würde, wenn Frankreich militärisch eingriffe. Seine Antwort war: Eine defensive Haltung gegen Oestreich, mit Be¬
*) So schreibt der Generalstab, gesprochen wird es Horsitz.
1) S. den Text bei L. Schneider a. a. O. I 253 f.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 3
Verſtimmung der Militärs. Franzöſiſche Einmiſchung.
Nach der Schlacht von Königgrätz war die Situation der¬ artig, daß ein Eingehn auf die erſte Annäherung Oeſtreichs zu Friedensunterhandlungen nicht nur möglich, ſondern durch die Ein¬ miſchung Frankreichs geboten erſchien. Letztre datirte von dem in der Nacht vom 4. zum 5. Juli in Hořricz*) eingetroffenen, an Seine Majeſtät gerichteten Telegramm, in welchem Louis Napoleon dem Könige mittheilte, daß der Kaiſer Franz Joſeph ihm Venetien abgetreten und ſeine Vermittlung angerufen habe. Der glänzende Erfolg der Waffen des Königs nöthige Napoleon aus ſeiner bis¬ herigen Zurückhaltung herauszutreten1). Die Einmiſchung war her¬ vorgerufen durch unſern Sieg, nachdem Napoleon bis dahin auf unſre Niederlage und Hülfsbedürftigkeit gerechnet hatte. Wenn unſrerſeits der Sieg von Königgrätz durch Eingreifen des Generals v. Etzel und durch energiſche Verfolgung des geſchlagnen Feindes vermittelſt unſrer intacten Cavallerie vollſtändig ausgenutzt worden wäre, ſo würde wahrſcheinlich die Sendung des Generals von Gab¬ lenz in das preußiſche Hauptquartier ſchon zu dem Abſchluß nicht nur eines Waffenſtillſtandes, ſondern auch der Baſen des künftigen Friedens geführt haben, bei der Mäßigung, welche unſrerſeits und damals auch noch bei dem Könige in Bezug auf die Bedingungen des Friedens vorwaltete, eine Mäßigung, die damals von Oeſtreich doch ſchon mehr als nützlich beanſpruchte, und uns als künftige Genoſſen alle bisherigen Bundesglieder, aber alle verkleinert und verletzt, gelaſſen hätte. Auf meinen Antrag antwortete Seine Majeſtät dem Kaiſer Napoleon dilatoriſch, aber doch mit Ablehnung jedes Waffenſtillſtandes ohne Friedensbürgſchaften.
Ich fragte ſpäter in Nikolsburg den General von Moltke, was er thun würde, wenn Frankreich militäriſch eingriffe. Seine Antwort war: Eine defenſive Haltung gegen Oeſtreich, mit Be¬
*) So ſchreibt der Generalſtab, geſprochen wird es Horſitz.
1) S. den Text bei L. Schneider a. a. O. I 253 f.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 3
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Verſtimmung der Militärs. Franzöſiſche Einmiſchung.
Nach der Schlacht von Königgrätz war die Situation der¬
artig, daß ein Eingehn auf die erſte Annäherung Oeſtreichs zu
Friedensunterhandlungen nicht nur möglich, ſondern durch die Ein¬
miſchung Frankreichs geboten erſchien. Letztre datirte von dem in
der Nacht vom 4. zum 5. Juli in Hořricz *) eingetroffenen, an
Seine Majeſtät gerichteten Telegramm, in welchem Louis Napoleon
dem Könige mittheilte, daß der Kaiſer Franz Joſeph ihm Venetien
abgetreten und ſeine Vermittlung angerufen habe. Der glänzende
Erfolg der Waffen des Königs nöthige Napoleon aus ſeiner bis¬
herigen Zurückhaltung herauszutreten 1). Die Einmiſchung war her¬
vorgerufen durch unſern Sieg, nachdem Napoleon bis dahin auf
unſre Niederlage und Hülfsbedürftigkeit gerechnet hatte. Wenn
unſrerſeits der Sieg von Königgrätz durch Eingreifen des Generals
v. Etzel und durch energiſche Verfolgung des geſchlagnen Feindes
vermittelſt unſrer intacten Cavallerie vollſtändig ausgenutzt worden
wäre, ſo würde wahrſcheinlich die Sendung des Generals von Gab¬
lenz in das preußiſche Hauptquartier ſchon zu dem Abſchluß nicht
nur eines Waffenſtillſtandes, ſondern auch der Baſen des künftigen
Friedens geführt haben, bei der Mäßigung, welche unſrerſeits und
damals auch noch bei dem Könige in Bezug auf die Bedingungen
des Friedens vorwaltete, eine Mäßigung, die damals von Oeſtreich
doch ſchon mehr als nützlich beanſpruchte, und uns als künftige
Genoſſen alle bisherigen Bundesglieder, aber alle verkleinert und
verletzt, gelaſſen hätte. Auf meinen Antrag antwortete Seine Majeſtät
dem Kaiſer Napoleon dilatoriſch, aber doch mit Ablehnung jedes
Waffenſtillſtandes ohne Friedensbürgſchaften.
Ich fragte ſpäter in Nikolsburg den General von Moltke,
was er thun würde, wenn Frankreich militäriſch eingriffe. Seine
Antwort war: Eine defenſive Haltung gegen Oeſtreich, mit Be¬
*) So ſchreibt der Generalſtab, geſprochen wird es Horſitz.
1) S. den Text bei L. Schneider a. a. O. I 253 f.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 3
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/57>, abgerufen am 03.07.2024.
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