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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Gasteiner Vertrag. Wandel in der Stimmung des Königs.
die ministerielle Expedition bieten, und es könnte morgen ein andrer
an seiner Statt oder derselbe rechtzeitig abgehn. Eine Abschrift
dessen, was ich an Werther über die Verhandlung mit Graf Blome
telegraphirt habe, lege ich allerunterthänigst bei. Zu Eurer Majestät
bewährter Gnade habe ich das ehrfurchtsvolle Vertrauen, daß Aller¬
höchstdieselben, wenn Sie meine Bedenken nicht gutheißen, deren
Geltendmachung dem aufrichtigen Streben verzeihn wollen, Eurer
Majestät nicht nur pflichtmäßig, sondern auch zu Allerhöchstdero
persönlicher Befriedigung zu dienen."

An der mit +) bezeichneten Stelle dieses Schreibens hat der
König an den Rand geschrieben:

"Einverstanden. -- Ich that der Sache deshalb Erwähnung,
weil in den letzten 24 Stunden ihrer nicht mehr Erwähnung ge¬
schah, und ich sie als ganz aus der Combination fallengelassen
ansah, nachdem die wirkliche Trennung und Besitzergreifung an
die Stelle getreten war. Durch meine Mittheilung an die Königin
wollte ich den Uebergang dereinst anbahnen zur Besitzergreifung,
die sich nach und nach aus der Administrations-Theilung entwickelt
hätte. Indessen dies kann ich auch später so darstellen, wenn die
Eigenthumstheilung wirklich erfolgt, an die ich noch immer nicht
glaube, da Oesterreich zu stark zurückstecken muß, nachdem es sich
für Augustenburg und gegen Besitznahme, wenn freilich die ein¬
seitige, zu sehr avancirte. W."1)

Nach dem Gasteiner Vertrage und der Besitznahme von Lauen¬
burg, der ersten Mehrung des Reichs, unter König Wilhelm, fand
meiner Wahrnehmung nach ein psychologischer Wandel in seiner
Stimmung, ein Geschmackfinden an Eroberungen statt, aber doch mit
vorwiegender Befriedigung darüber, daß dieser Zuwachs, der Hafen
von Kiel, die militärische Stellung in Schleswig und das Recht,

1) Bismarck-Jahrbuch VI 202 f.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 2

Gaſteiner Vertrag. Wandel in der Stimmung des Königs.
die miniſterielle Expedition bieten, und es könnte morgen ein andrer
an ſeiner Statt oder derſelbe rechtzeitig abgehn. Eine Abſchrift
deſſen, was ich an Werther über die Verhandlung mit Graf Blome
telegraphirt habe, lege ich allerunterthänigſt bei. Zu Eurer Majeſtät
bewährter Gnade habe ich das ehrfurchtsvolle Vertrauen, daß Aller¬
höchſtdieſelben, wenn Sie meine Bedenken nicht gutheißen, deren
Geltendmachung dem aufrichtigen Streben verzeihn wollen, Eurer
Majeſtät nicht nur pflichtmäßig, ſondern auch zu Allerhöchſtdero
perſönlicher Befriedigung zu dienen.“

An der mit †) bezeichneten Stelle dieſes Schreibens hat der
König an den Rand geſchrieben:

„Einverſtanden. — Ich that der Sache deshalb Erwähnung,
weil in den letzten 24 Stunden ihrer nicht mehr Erwähnung ge¬
ſchah, und ich ſie als ganz aus der Combination fallengelaſſen
anſah, nachdem die wirkliche Trennung und Beſitzergreifung an
die Stelle getreten war. Durch meine Mittheilung an die Königin
wollte ich den Uebergang dereinſt anbahnen zur Beſitzergreifung,
die ſich nach und nach aus der Administrations-Theilung entwickelt
hätte. Indeſſen dies kann ich auch ſpäter ſo darſtellen, wenn die
Eigenthumstheilung wirklich erfolgt, an die ich noch immer nicht
glaube, da Oeſterreich zu ſtark zurückſtecken muß, nachdem es ſich
für Auguſtenburg und gegen Beſitznahme, wenn freilich die ein¬
ſeitige, zu ſehr avancirte. W.“1)

Nach dem Gaſteiner Vertrage und der Beſitznahme von Lauen¬
burg, der erſten Mehrung des Reichs, unter König Wilhelm, fand
meiner Wahrnehmung nach ein pſychologiſcher Wandel in ſeiner
Stimmung, ein Geſchmackfinden an Eroberungen ſtatt, aber doch mit
vorwiegender Befriedigung darüber, daß dieſer Zuwachs, der Hafen
von Kiel, die militäriſche Stellung in Schleswig und das Recht,

1) Bismarck-Jahrbuch VI 202 f.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 2
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[17/0041] Gaſteiner Vertrag. Wandel in der Stimmung des Königs. die miniſterielle Expedition bieten, und es könnte morgen ein andrer an ſeiner Statt oder derſelbe rechtzeitig abgehn. Eine Abſchrift deſſen, was ich an Werther über die Verhandlung mit Graf Blome telegraphirt habe, lege ich allerunterthänigſt bei. Zu Eurer Majeſtät bewährter Gnade habe ich das ehrfurchtsvolle Vertrauen, daß Aller¬ höchſtdieſelben, wenn Sie meine Bedenken nicht gutheißen, deren Geltendmachung dem aufrichtigen Streben verzeihn wollen, Eurer Majeſtät nicht nur pflichtmäßig, ſondern auch zu Allerhöchſtdero perſönlicher Befriedigung zu dienen.“ An der mit †) bezeichneten Stelle dieſes Schreibens hat der König an den Rand geſchrieben: „Einverſtanden. — Ich that der Sache deshalb Erwähnung, weil in den letzten 24 Stunden ihrer nicht mehr Erwähnung ge¬ ſchah, und ich ſie als ganz aus der Combination fallengelaſſen anſah, nachdem die wirkliche Trennung und Beſitzergreifung an die Stelle getreten war. Durch meine Mittheilung an die Königin wollte ich den Uebergang dereinſt anbahnen zur Beſitzergreifung, die ſich nach und nach aus der Administrations-Theilung entwickelt hätte. Indeſſen dies kann ich auch ſpäter ſo darſtellen, wenn die Eigenthumstheilung wirklich erfolgt, an die ich noch immer nicht glaube, da Oeſterreich zu ſtark zurückſtecken muß, nachdem es ſich für Auguſtenburg und gegen Beſitznahme, wenn freilich die ein¬ ſeitige, zu ſehr avancirte. W.“ 1) Nach dem Gaſteiner Vertrage und der Beſitznahme von Lauen¬ burg, der erſten Mehrung des Reichs, unter König Wilhelm, fand meiner Wahrnehmung nach ein pſychologiſcher Wandel in ſeiner Stimmung, ein Geſchmackfinden an Eroberungen ſtatt, aber doch mit vorwiegender Befriedigung darüber, daß dieſer Zuwachs, der Hafen von Kiel, die militäriſche Stellung in Schleswig und das Recht, 1) Bismarck-Jahrbuch VI 202 f. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 2

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/41>, abgerufen am 27.04.2024.