Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holstein.
Dienstes mich veranlaßt, auf die Mittheilungen zurückzukommen, welche
Eure Majestät soeben die Gnade hatten mir zu machen. Der Gedanke
einer Theilung auch nur der Verwaltung der Herzogthümer würde,
wenn er im Augustenburgischen Lager ruchbar würde, einen heftigen
Sturm in Diplomatie und Presse erregen, weil man den Anfang
der definitiven Theilung darin erblicken und nicht zweifeln würde,
daß die Landestheile, welche der ausschließlich preußischen Verwaltung
anheimfallen, für Augustenburg verloren sind. Ich glaube mit Eurer
Majestät, daß I. M. die Königin die Mittheilungen geheim halten
werde; wenn aber von Coblenz im Vertrauen auf die verwand¬
schaftlichen Beziehungen eine Andeutung an die Königin Victoria,
an die kronprinzlichen Herrschaften, nach Weimar oder nach Baden
gelangte, so könnte allein die Thatsache, daß von uns das Ge¬
heimniß, welches ich dem Grafen Blome auf sein Verlangen zu¬
sagte, nicht bewahrt worden ist, das Mißtrauen des Kaisers Franz
Joseph wecken und die Unterhandlung zum Scheitern bringen.
Hinter diesem Scheitern steht aber fast unvermeidlich der Krieg mit
Oestreich; Eure Majestät wollen es nicht nur meinem Interesse für
den allerhöchsten Dienst, sondern meiner Anhänglichkeit an Allerhöchst¬
dero Person zu Gute halten, wenn ich von dem Eindrucke beherrscht
bin, daß Eure Majestät in einen Krieg mit einem andern Gefühle
und mit freierem Muthe hineingehn werden, wenn die Nothwendigkeit
dazu sich aus der Natur der Dinge und aus den monarchischen
Pflichten ergiebt, als wenn der Hintergedanke Raum gewinnen kann,
daß eine vorzeitige Kundwerdung der beabsichtigten Lösung den
Kaiser abgehalten habe, zu dem letzten für Eure Majestät annehm¬
baren Auskunftsmittel die Hand zu bieten. Vielleicht ist meine Sorge
thöricht und selbst wenn sie begründet wäre und Eure Majestät darüber
hinweggehn wollten, so würde ich denken, daß Gott Eurer Majestät Herz
lenkt, und meinen Dienst deshalb nicht minder freudig thun, aber
zur Wahrung des Gewissens doch ehrfurchtsvoll anheimgeben, ob
Eure Majestät mir nicht befehlen wollen, den Feldjäger telegraphisch
von Salzburg zurückzurufen.+) Die äußere Veranlassung dazu könnte

Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein.
Dienſtes mich veranlaßt, auf die Mittheilungen zurückzukommen, welche
Eure Majeſtät ſoeben die Gnade hatten mir zu machen. Der Gedanke
einer Theilung auch nur der Verwaltung der Herzogthümer würde,
wenn er im Auguſtenburgiſchen Lager ruchbar würde, einen heftigen
Sturm in Diplomatie und Preſſe erregen, weil man den Anfang
der definitiven Theilung darin erblicken und nicht zweifeln würde,
daß die Landestheile, welche der ausſchließlich preußiſchen Verwaltung
anheimfallen, für Auguſtenburg verloren ſind. Ich glaube mit Eurer
Majeſtät, daß I. M. die Königin die Mittheilungen geheim halten
werde; wenn aber von Coblenz im Vertrauen auf die verwand¬
ſchaftlichen Beziehungen eine Andeutung an die Königin Victoria,
an die kronprinzlichen Herrſchaften, nach Weimar oder nach Baden
gelangte, ſo könnte allein die Thatſache, daß von uns das Ge¬
heimniß, welches ich dem Grafen Blome auf ſein Verlangen zu¬
ſagte, nicht bewahrt worden iſt, das Mißtrauen des Kaiſers Franz
Joſeph wecken und die Unterhandlung zum Scheitern bringen.
Hinter dieſem Scheitern ſteht aber faſt unvermeidlich der Krieg mit
Oeſtreich; Eure Majeſtät wollen es nicht nur meinem Intereſſe für
den allerhöchſten Dienſt, ſondern meiner Anhänglichkeit an Allerhöchſt¬
dero Perſon zu Gute halten, wenn ich von dem Eindrucke beherrſcht
bin, daß Eure Majeſtät in einen Krieg mit einem andern Gefühle
und mit freierem Muthe hineingehn werden, wenn die Nothwendigkeit
dazu ſich aus der Natur der Dinge und aus den monarchiſchen
Pflichten ergiebt, als wenn der Hintergedanke Raum gewinnen kann,
daß eine vorzeitige Kundwerdung der beabſichtigten Löſung den
Kaiſer abgehalten habe, zu dem letzten für Eure Majeſtät annehm¬
baren Auskunftsmittel die Hand zu bieten. Vielleicht iſt meine Sorge
thöricht und ſelbſt wenn ſie begründet wäre und Eure Majeſtät darüber
hinweggehn wollten, ſo würde ich denken, daß Gott Eurer Majeſtät Herz
lenkt, und meinen Dienſt deshalb nicht minder freudig thun, aber
zur Wahrung des Gewiſſens doch ehrfurchtsvoll anheimgeben, ob
Eure Majeſtät mir nicht befehlen wollen, den Feldjäger telegraphiſch
von Salzburg zurückzurufen.†) Die äußere Veranlaſſung dazu könnte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0040" n="16"/><fw place="top" type="header">Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Hol&#x017F;tein.<lb/></fw> Dien&#x017F;tes mich veranlaßt, auf die Mittheilungen zurückzukommen, welche<lb/>
Eure Maje&#x017F;tät &#x017F;oeben die Gnade hatten mir zu machen. Der Gedanke<lb/>
einer Theilung auch nur der Verwaltung der Herzogthümer würde,<lb/>
wenn er im Augu&#x017F;tenburgi&#x017F;chen Lager ruchbar würde, einen heftigen<lb/>
Sturm in Diplomatie und Pre&#x017F;&#x017F;e erregen, weil man den Anfang<lb/>
der definitiven Theilung darin erblicken und nicht zweifeln würde,<lb/>
daß die Landestheile, welche der aus&#x017F;chließlich preußi&#x017F;chen Verwaltung<lb/>
anheimfallen, für Augu&#x017F;tenburg verloren &#x017F;ind. Ich glaube mit Eurer<lb/>
Maje&#x017F;tät, daß I. M. die Königin die Mittheilungen geheim halten<lb/>
werde; wenn aber von Coblenz im Vertrauen auf die verwand¬<lb/>
&#x017F;chaftlichen Beziehungen eine Andeutung an die Königin Victoria,<lb/>
an die kronprinzlichen Herr&#x017F;chaften, nach Weimar oder nach Baden<lb/>
gelangte, &#x017F;o könnte allein die That&#x017F;ache, daß von uns das Ge¬<lb/>
heimniß, welches ich dem Grafen Blome auf &#x017F;ein Verlangen zu¬<lb/>
&#x017F;agte, nicht bewahrt worden i&#x017F;t, das Mißtrauen des Kai&#x017F;ers Franz<lb/>
Jo&#x017F;eph wecken und die Unterhandlung zum Scheitern bringen.<lb/>
Hinter die&#x017F;em Scheitern &#x017F;teht aber fa&#x017F;t unvermeidlich der Krieg mit<lb/>
Oe&#x017F;treich; Eure Maje&#x017F;tät wollen es nicht nur meinem Intere&#x017F;&#x017F;e für<lb/>
den allerhöch&#x017F;ten Dien&#x017F;t, &#x017F;ondern meiner Anhänglichkeit an Allerhöch&#x017F;<lb/>
dero Per&#x017F;on zu Gute halten, wenn ich von dem Eindrucke beherr&#x017F;cht<lb/>
bin, daß Eure Maje&#x017F;tät in einen Krieg mit einem andern Gefühle<lb/>
und mit freierem Muthe hineingehn werden, wenn die Nothwendigkeit<lb/>
dazu &#x017F;ich aus der Natur der Dinge und aus den monarchi&#x017F;chen<lb/>
Pflichten ergiebt, als wenn der Hintergedanke Raum gewinnen kann,<lb/>
daß eine vorzeitige Kundwerdung der beab&#x017F;ichtigten Lö&#x017F;ung den<lb/>
Kai&#x017F;er abgehalten habe, zu dem letzten für Eure Maje&#x017F;tät annehm¬<lb/>
baren Auskunftsmittel die Hand zu bieten. Vielleicht i&#x017F;t meine Sorge<lb/>
thöricht und &#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ie begründet wäre und Eure Maje&#x017F;tät darüber<lb/>
hinweggehn wollten, &#x017F;o würde ich denken, daß Gott Eurer Maje&#x017F;tät Herz<lb/>
lenkt, und meinen Dien&#x017F;t deshalb nicht minder freudig thun, aber<lb/>
zur Wahrung des Gewi&#x017F;&#x017F;ens doch ehrfurchtsvoll anheimgeben, ob<lb/>
Eure Maje&#x017F;tät mir nicht befehlen wollen, den Feldjäger telegraphi&#x017F;ch<lb/>
von Salzburg zurückzurufen.&#x2020;) Die äußere Veranla&#x017F;&#x017F;ung dazu könnte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0040] Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein. Dienſtes mich veranlaßt, auf die Mittheilungen zurückzukommen, welche Eure Majeſtät ſoeben die Gnade hatten mir zu machen. Der Gedanke einer Theilung auch nur der Verwaltung der Herzogthümer würde, wenn er im Auguſtenburgiſchen Lager ruchbar würde, einen heftigen Sturm in Diplomatie und Preſſe erregen, weil man den Anfang der definitiven Theilung darin erblicken und nicht zweifeln würde, daß die Landestheile, welche der ausſchließlich preußiſchen Verwaltung anheimfallen, für Auguſtenburg verloren ſind. Ich glaube mit Eurer Majeſtät, daß I. M. die Königin die Mittheilungen geheim halten werde; wenn aber von Coblenz im Vertrauen auf die verwand¬ ſchaftlichen Beziehungen eine Andeutung an die Königin Victoria, an die kronprinzlichen Herrſchaften, nach Weimar oder nach Baden gelangte, ſo könnte allein die Thatſache, daß von uns das Ge¬ heimniß, welches ich dem Grafen Blome auf ſein Verlangen zu¬ ſagte, nicht bewahrt worden iſt, das Mißtrauen des Kaiſers Franz Joſeph wecken und die Unterhandlung zum Scheitern bringen. Hinter dieſem Scheitern ſteht aber faſt unvermeidlich der Krieg mit Oeſtreich; Eure Majeſtät wollen es nicht nur meinem Intereſſe für den allerhöchſten Dienſt, ſondern meiner Anhänglichkeit an Allerhöchſt¬ dero Perſon zu Gute halten, wenn ich von dem Eindrucke beherrſcht bin, daß Eure Majeſtät in einen Krieg mit einem andern Gefühle und mit freierem Muthe hineingehn werden, wenn die Nothwendigkeit dazu ſich aus der Natur der Dinge und aus den monarchiſchen Pflichten ergiebt, als wenn der Hintergedanke Raum gewinnen kann, daß eine vorzeitige Kundwerdung der beabſichtigten Löſung den Kaiſer abgehalten habe, zu dem letzten für Eure Majeſtät annehm¬ baren Auskunftsmittel die Hand zu bieten. Vielleicht iſt meine Sorge thöricht und ſelbſt wenn ſie begründet wäre und Eure Majeſtät darüber hinweggehn wollten, ſo würde ich denken, daß Gott Eurer Majeſtät Herz lenkt, und meinen Dienſt deshalb nicht minder freudig thun, aber zur Wahrung des Gewiſſens doch ehrfurchtsvoll anheimgeben, ob Eure Majeſtät mir nicht befehlen wollen, den Feldjäger telegraphiſch von Salzburg zurückzurufen.†) Die äußere Veranlaſſung dazu könnte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/40
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/40>, abgerufen am 27.04.2024.