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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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die ihm beide Staaten entfremden mußten. Als ihm 1863 mit
dem Tode des Königs von Dänemark eine Aufgabe in den Schooß
fiel, so glücklich, wie sie nur je einem Staatsmanne zu Theil ge¬
worden, verschmähte er es, Preußen an die Spitze der einmüthigen
Erhebung Deutschlands (in Resolutionen)*) zu stellen, dessen Einigung
unter Preußens Führung sein Ziel war, verband sich vielmehr mit
Oesterreich, dem principiellen Gegner dieses Planes, um später sich
mit ihm unversöhnlich zu verfeinden. Den Prinzen von Augusten¬
burg, dem Ew. M. wohlwollten, und von dem damals Alles zu
erhalten war, mißhandelte er**), um ihn bald darauf durch den
Grafen Bernstorff auf der Londoner Conferenz für den Berechtigten
erklären zu lassen. Dann verpflichtet er Preußen im Wiener Frieden,
nur im Einverständniß mit Oesterreich definitiv über die befreiten
Herzogthümer zu disponiren1), und läßt in denselben Einrichtungen
treffen, welche die beabsichtigte ,Annexion' deutlich verkündigen. ...

Viele betrachten diese und ähnliche Maßregeln, die stets, weil in
sich widersprechend, in das Gegentheil des Bezweckten umschlugen,
als Fehler der Unbesonnenheit. Andern erscheinen sie als Schritte
eines Mannes, der auf Abenteuer ausgeht, Alles durcheinander¬
wirft und es darauf ankommen läßt, was ihm zur Beute wird,
oder eines Spielers, der nach jedem Verlust höher pointirt und
endlich va banque sagt.

Dies Alles ist schlimm, aber noch viel schlimmer in meinen
Augen, daß Graf Bismarck sich in dieser Handlungsweise mit der
Gesinnung und den Zielen seines Königs in Widerspruch setzte
und sein größtes Geschick darin bewies, daß er ihn Schritt für
Schritt dem entgegengesetzten Ziele näher führte, bis die Umkehr
unmöglich schien, während es nach meinem Dafürhalten die erste
Pflicht eines Ministers ist, seinen Fürsten treu zu berathen, ihm die

*) Vergl. den Brief des Prinzen vom 11. December 1863, S. 26.
**) Warum nicht: Verpflichtete er Oestreich, nur im Einverständniß mit
Preußen u. s. w.?
1) Einschaltung Bismarcks.

Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein.
die ihm beide Staaten entfremden mußten. Als ihm 1863 mit
dem Tode des Königs von Dänemark eine Aufgabe in den Schooß
fiel, ſo glücklich, wie ſie nur je einem Staatsmanne zu Theil ge¬
worden, verſchmähte er es, Preußen an die Spitze der einmüthigen
Erhebung Deutſchlands (in Reſolutionen)*) zu ſtellen, deſſen Einigung
unter Preußens Führung ſein Ziel war, verband ſich vielmehr mit
Oeſterreich, dem principiellen Gegner dieſes Planes, um ſpäter ſich
mit ihm unverſöhnlich zu verfeinden. Den Prinzen von Auguſten¬
burg, dem Ew. M. wohlwollten, und von dem damals Alles zu
erhalten war, mißhandelte er**), um ihn bald darauf durch den
Grafen Bernſtorff auf der Londoner Conferenz für den Berechtigten
erklären zu laſſen. Dann verpflichtet er Preußen im Wiener Frieden,
nur im Einverſtändniß mit Oeſterreich definitiv über die befreiten
Herzogthümer zu disponiren1), und läßt in denſelben Einrichtungen
treffen, welche die beabſichtigte ‚Annexion‘ deutlich verkündigen. ...

Viele betrachten dieſe und ähnliche Maßregeln, die ſtets, weil in
ſich widerſprechend, in das Gegentheil des Bezweckten umſchlugen,
als Fehler der Unbeſonnenheit. Andern erſcheinen ſie als Schritte
eines Mannes, der auf Abenteuer ausgeht, Alles durcheinander¬
wirft und es darauf ankommen läßt, was ihm zur Beute wird,
oder eines Spielers, der nach jedem Verluſt höher pointirt und
endlich va banque ſagt.

Dies Alles iſt ſchlimm, aber noch viel ſchlimmer in meinen
Augen, daß Graf Bismarck ſich in dieſer Handlungsweiſe mit der
Geſinnung und den Zielen ſeines Königs in Widerſpruch ſetzte
und ſein größtes Geſchick darin bewies, daß er ihn Schritt für
Schritt dem entgegengeſetzten Ziele näher führte, bis die Umkehr
unmöglich ſchien, während es nach meinem Dafürhalten die erſte
Pflicht eines Miniſters iſt, ſeinen Fürſten treu zu berathen, ihm die

*) Vergl. den Brief des Prinzen vom 11. December 1863, S. 26.
**) Warum nicht: Verpflichtete er Oeſtreich, nur im Einverſtändniß mit
Preußen u. ſ. w.?
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[14/0038] Neunzehntes Kapitel: Schleswig-Holſtein. die ihm beide Staaten entfremden mußten. Als ihm 1863 mit dem Tode des Königs von Dänemark eine Aufgabe in den Schooß fiel, ſo glücklich, wie ſie nur je einem Staatsmanne zu Theil ge¬ worden, verſchmähte er es, Preußen an die Spitze der einmüthigen Erhebung Deutſchlands (in Reſolutionen) *) zu ſtellen, deſſen Einigung unter Preußens Führung ſein Ziel war, verband ſich vielmehr mit Oeſterreich, dem principiellen Gegner dieſes Planes, um ſpäter ſich mit ihm unverſöhnlich zu verfeinden. Den Prinzen von Auguſten¬ burg, dem Ew. M. wohlwollten, und von dem damals Alles zu erhalten war, mißhandelte er **), um ihn bald darauf durch den Grafen Bernſtorff auf der Londoner Conferenz für den Berechtigten erklären zu laſſen. Dann verpflichtet er Preußen im Wiener Frieden, nur im Einverſtändniß mit Oeſterreich definitiv über die befreiten Herzogthümer zu disponiren 1), und läßt in denſelben Einrichtungen treffen, welche die beabſichtigte ‚Annexion‘ deutlich verkündigen. ... Viele betrachten dieſe und ähnliche Maßregeln, die ſtets, weil in ſich widerſprechend, in das Gegentheil des Bezweckten umſchlugen, als Fehler der Unbeſonnenheit. Andern erſcheinen ſie als Schritte eines Mannes, der auf Abenteuer ausgeht, Alles durcheinander¬ wirft und es darauf ankommen läßt, was ihm zur Beute wird, oder eines Spielers, der nach jedem Verluſt höher pointirt und endlich va banque ſagt. Dies Alles iſt ſchlimm, aber noch viel ſchlimmer in meinen Augen, daß Graf Bismarck ſich in dieſer Handlungsweiſe mit der Geſinnung und den Zielen ſeines Königs in Widerſpruch ſetzte und ſein größtes Geſchick darin bewies, daß er ihn Schritt für Schritt dem entgegengeſetzten Ziele näher führte, bis die Umkehr unmöglich ſchien, während es nach meinem Dafürhalten die erſte Pflicht eines Miniſters iſt, ſeinen Fürſten treu zu berathen, ihm die *) Vergl. den Brief des Prinzen vom 11. December 1863, S. 26. **) Warum nicht: Verpflichtete er Oeſtreich, nur im Einverſtändniß mit Preußen u. ſ. w.? 1) Einſchaltung Bismarcks.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/38>, abgerufen am 27.04.2024.