Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Briefe Wilhelms I.
Im Princip bin ich ganz einverstanden, daß dies geschehe, aber
die Ausführung ist eine sehr schwierige -- Sie werden ja wissen,
daß die an sich sehr natürliche Bestimmung, die ich auf Ihren
Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden
Erlasse des Civil- und Militär-Cabinets unterschreiben werde unter
der Ueberschrift ,auf Allerhöchsten Befehl' -- daß diese Bestim¬
mung den Kronprinzen sehr irritirt hat, als denke man in Berlin
bereits an seinen Ersatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird sich
mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde diese Ueber¬
legung sein, wenn er erfährt, daß seinem Sohn nun noch größere
Einsicht in die Staatsgeschäfte gestattet wird und selbst ein Civil-
Adjutant
gegeben wird -- wie ich seinerzeit meine vortragenden
Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders,
da ein Grund meinen königlichen Vater veranlassen konnte, einen
Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu bestellen, obgleich
meine Erbschaft an der Krone schon längst vorher zu sehen war
und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als
mein Bruder mich sofort zum Mitglied des Staatsministeriums
ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit
dieser Stellung war also Zutheilung eines erfahrenen Geschäfts¬
mannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Ministerial-
Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politischen
Depechen, nachdem dieselben durch 4-5-6 Hände, den Siegeln
nach, gegangen waren! Für bloße Conversation, wie Sie es
vorschlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt
also des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem be¬
stimmten Zweck
u. würde bestimmt meinen Sohn von neuem
u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich schlage
Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Beschäftigung-
Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird
d. h. einzelnen Staats-Ministerien zugetheilt werde und vielleicht
auf zwei ausgedehnt werde, wie in diesem Winter, wo mein Enkel
freiwillig den Besuch des Auswärtigen Amts ferner zu gestatten

Briefe Wilhelms I.
Im Princip bin ich ganz einverſtanden, daß dies geſchehe, aber
die Ausführung iſt eine ſehr ſchwierige — Sie werden ja wiſſen,
daß die an ſich ſehr natürliche Beſtimmung, die ich auf Ihren
Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden
Erlaſſe des Civil- und Militär-Cabinets unterſchreiben werde unter
der Ueberſchrift ,auf Allerhöchſten Befehl' — daß dieſe Beſtim¬
mung den Kronprinzen ſehr irritirt hat, als denke man in Berlin
bereits an ſeinen Erſatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird ſich
mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde dieſe Ueber¬
legung ſein, wenn er erfährt, daß ſeinem Sohn nun noch größere
Einſicht in die Staatsgeſchäfte geſtattet wird und ſelbſt ein Civil-
Adjutant
gegeben wird — wie ich ſeinerzeit meine vortragenden
Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders,
da ein Grund meinen königlichen Vater veranlaſſen konnte, einen
Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu beſtellen, obgleich
meine Erbſchaft an der Krone ſchon längſt vorher zu ſehen war
und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als
mein Bruder mich ſofort zum Mitglied des Staatsminiſteriums
ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit
dieſer Stellung war alſo Zutheilung eines erfahrenen Geſchäfts¬
mannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Miniſterial-
Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politiſchen
Dépéchen, nachdem dieſelben durch 4–5–6 Hände, den Siegeln
nach, gegangen waren! Für bloße Converſation, wie Sie es
vorſchlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt
alſo des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem be¬
ſtimmten Zweck
u. würde beſtimmt meinen Sohn von neuem
u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich ſchlage
Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Beſchäftigung-
Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird
d. h. einzelnen Staats-Miniſterien zugetheilt werde und vielleicht
auf zwei ausgedehnt werde, wie in dieſem Winter, wo mein Enkel
freiwillig den Beſuch des Auswärtigen Amts ferner zu geſtatten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0325" n="301"/><fw place="top" type="header">Briefe Wilhelms <hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></fw> Im Princip bin ich ganz einver&#x017F;tanden, daß dies ge&#x017F;chehe, aber<lb/>
die Ausführung i&#x017F;t eine &#x017F;ehr &#x017F;chwierige &#x2014; Sie werden ja wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß die an &#x017F;ich &#x017F;ehr natürliche Be&#x017F;timmung, die ich auf Ihren<lb/>
Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden<lb/>
Erla&#x017F;&#x017F;e des Civil- und Militär-Cabinets unter&#x017F;chreiben werde unter<lb/>
der Ueber&#x017F;chrift ,auf Allerhöch&#x017F;ten Befehl' &#x2014; daß die&#x017F;e Be&#x017F;tim¬<lb/>
mung den Kronprinzen &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">irritirt</hi> hat, als denke man in Berlin<lb/>
bereits an &#x017F;einen Er&#x017F;atz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird &#x017F;ich<lb/>
mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde die&#x017F;e Ueber¬<lb/>
legung &#x017F;ein, wenn er erfährt, daß &#x017F;einem Sohn nun noch größere<lb/>
Ein&#x017F;icht in die Staatsge&#x017F;chäfte ge&#x017F;tattet wird und &#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#aq #g">Civil-<lb/>
Adjutant</hi> gegeben wird &#x2014; wie ich &#x017F;einerzeit meine vortragenden<lb/>
Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders,<lb/>
da ein Grund meinen königlichen Vater veranla&#x017F;&#x017F;en konnte, einen<lb/>
Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu be&#x017F;tellen, obgleich<lb/>
meine Erb&#x017F;chaft an der Krone &#x017F;chon läng&#x017F;t vorher zu &#x017F;ehen war<lb/>
und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als<lb/>
mein Bruder mich &#x017F;ofort zum Mitglied des Staatsmini&#x017F;teriums<lb/>
ernannte mit Beilegung des <hi rendition="#aq">Titels</hi> als Prinz von Preußen. Mit<lb/>
die&#x017F;er Stellung war al&#x017F;o Zutheilung eines erfahrenen Ge&#x017F;chäfts¬<lb/>
mannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Mini&#x017F;terial-<lb/>
Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">Dépéchen</hi>, nachdem die&#x017F;elben durch 4&#x2013;5&#x2013;6 Hände, den Siegeln<lb/>
nach, gegangen waren! Für bloße <hi rendition="#g">Conver&#x017F;ation</hi>, wie Sie es<lb/>
vor&#x017F;chlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt<lb/>
al&#x017F;o des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu <hi rendition="#g">einem be¬<lb/>
&#x017F;timmten Zweck</hi> u. würde be&#x017F;timmt meinen Sohn von neuem<lb/>
u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich &#x017F;chlage<lb/>
Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Be&#x017F;chäftigung-<lb/>
Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird<lb/>
d. h. einzelnen Staats-Mini&#x017F;terien zugetheilt werde und vielleicht<lb/>
auf zwei ausgedehnt werde, wie in die&#x017F;em Winter, wo mein Enkel<lb/>
freiwillig den Be&#x017F;uch des Auswärtigen Amts ferner zu ge&#x017F;tatten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0325] Briefe Wilhelms I. Im Princip bin ich ganz einverſtanden, daß dies geſchehe, aber die Ausführung iſt eine ſehr ſchwierige — Sie werden ja wiſſen, daß die an ſich ſehr natürliche Beſtimmung, die ich auf Ihren Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden Erlaſſe des Civil- und Militär-Cabinets unterſchreiben werde unter der Ueberſchrift ,auf Allerhöchſten Befehl' — daß dieſe Beſtim¬ mung den Kronprinzen ſehr irritirt hat, als denke man in Berlin bereits an ſeinen Erſatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird ſich mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde dieſe Ueber¬ legung ſein, wenn er erfährt, daß ſeinem Sohn nun noch größere Einſicht in die Staatsgeſchäfte geſtattet wird und ſelbſt ein Civil- Adjutant gegeben wird — wie ich ſeinerzeit meine vortragenden Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders, da ein Grund meinen königlichen Vater veranlaſſen konnte, einen Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu beſtellen, obgleich meine Erbſchaft an der Krone ſchon längſt vorher zu ſehen war und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als mein Bruder mich ſofort zum Mitglied des Staatsminiſteriums ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit dieſer Stellung war alſo Zutheilung eines erfahrenen Geſchäfts¬ mannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Miniſterial- Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politiſchen Dépéchen, nachdem dieſelben durch 4–5–6 Hände, den Siegeln nach, gegangen waren! Für bloße Converſation, wie Sie es vorſchlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt alſo des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem be¬ ſtimmten Zweck u. würde beſtimmt meinen Sohn von neuem u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich ſchlage Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Beſchäftigung- Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird d. h. einzelnen Staats-Miniſterien zugetheilt werde und vielleicht auf zwei ausgedehnt werde, wie in dieſem Winter, wo mein Enkel freiwillig den Beſuch des Auswärtigen Amts ferner zu geſtatten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/325
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/325>, abgerufen am 08.05.2024.