Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm I. gewonnenen Erfolg zu befestigen durch Aeußerung von Zwei¬feln, ob der Kaiser im Stande sein werde, die geäußerte Absicht oder Meinung "Bismarck gegenüber" aufrecht zu erhalten. Wenn Se. Majestät nicht auf Grund eigner Ueberzeugung, sondern weiblicher Bearbeitung widerstand, so konnte ich dies daran erkennen, daß seine Argumente unsachlich und unlogisch waren. Dann endete eine solche Erörterung, wenn ein Gegenargument nicht mehr zu finden war, wohl mit der Wendung: "Ei der Tausend, da muß ich doch sehr bitten." Ich wußte dann, daß ich nicht den Kaiser, sondern die Gemalin mir gegenüber ge¬ habt hatte. Alle Gegner, die ich mir in den verschiedensten Regionen im Der Kaiser hatte während der Belagerung von Paris, wie Zweiunddreißigſtes Kapitel: Kaiſer Wilhelm I. gewonnenen Erfolg zu befeſtigen durch Aeußerung von Zwei¬feln, ob der Kaiſer im Stande ſein werde, die geäußerte Abſicht oder Meinung „Bismarck gegenüber“ aufrecht zu erhalten. Wenn Se. Majeſtät nicht auf Grund eigner Ueberzeugung, ſondern weiblicher Bearbeitung widerſtand, ſo konnte ich dies daran erkennen, daß ſeine Argumente unſachlich und unlogiſch waren. Dann endete eine ſolche Erörterung, wenn ein Gegenargument nicht mehr zu finden war, wohl mit der Wendung: „Ei der Tauſend, da muß ich doch ſehr bitten.“ Ich wußte dann, daß ich nicht den Kaiſer, ſondern die Gemalin mir gegenüber ge¬ habt hatte. Alle Gegner, die ich mir in den verſchiedenſten Regionen im Der Kaiſer hatte während der Belagerung von Paris, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0310" n="286"/><fw place="top" type="header">Zweiunddreißigſtes Kapitel: Kaiſer Wilhelm <hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></fw>gewonnenen Erfolg zu befeſtigen durch Aeußerung von Zwei¬<lb/> feln, ob der Kaiſer im Stande ſein werde, die geäußerte Abſicht<lb/> oder Meinung „Bismarck gegenüber“ aufrecht zu erhalten. Wenn<lb/> Se. Majeſtät nicht auf Grund eigner Ueberzeugung, ſondern<lb/> weiblicher Bearbeitung widerſtand, ſo konnte ich dies daran<lb/> erkennen, daß ſeine Argumente unſachlich und unlogiſch waren.<lb/> Dann endete eine ſolche Erörterung, wenn ein Gegenargument<lb/> nicht mehr zu finden war, wohl mit der Wendung: „Ei der<lb/> Tauſend, da muß ich doch ſehr bitten.“ Ich wußte dann, daß<lb/> ich nicht den Kaiſer, ſondern die Gemalin mir gegenüber ge¬<lb/> habt hatte.</p><lb/> <p>Alle Gegner, die ich mir in den verſchiedenſten Regionen im<lb/> Laufe meiner politiſchen Kämpfe nothwendiger Weiſe und im Intereſſe<lb/> des Dienſtes zugezogen hatte, fanden in ihrem gemeinſamen Haſſe<lb/> gegen mich ein Band, das einſtweilen ſtärker war, als ihre gegen¬<lb/> ſeitigen Abneigungen gegen einander. Sie vertagten ihre Feind¬<lb/> ſchaft, um einſtweilen der ſtärkern gegen mich zu dienen. Den<lb/> Kryſtalliſationspunkt für dieſe Uebereinſtimmung bildete die Kaiſerin<lb/> Auguſta, deren Temperament, wenn es galt ihren Willen durch¬<lb/> zuſetzen, auch in der Rückſicht auf Alter und Geſundheit des Ge¬<lb/> mals nicht immer Grenze fand.</p><lb/> <p>Der Kaiſer hatte während der Belagerung von Paris, wie<lb/> häufig vorher und nachher, unter dem Kampfe zwiſchen ſeinem<lb/> Verſtande und ſeinem königlichen Pflichtgefühl einerſeits und dem<lb/> Bedürfniß nach häuslichem Frieden und weiblicher Zuſtimmung zur<lb/> Politik andrerſeits zu leiden. Die ritterlichen Empfindungen, die ihn<lb/> gegenüber ſeiner <hi rendition="#g">Gemalin</hi>, die myſtiſchen, die ihn der gekrönten<lb/><hi rendition="#g">Königin</hi> gegenüber bewegten, ſeine Empfindlichkeit für Störungen<lb/> ſeiner Hausordnung und ſeiner täglichen Gewohnheiten haben mir<lb/> Hinderniſſe bereitet, die zuweilen ſchwerer zu überwinden waren<lb/> als die von fremden Mächten oder feindlichen Parteien verurſachten,<lb/> und vermöge der herzlichen Anhänglichkeit, die ich für die Perſon<lb/> des Kaiſers hatte, die aufreibende Wirkung der Kämpfe erheblich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0310]
Zweiunddreißigſtes Kapitel: Kaiſer Wilhelm I.
gewonnenen Erfolg zu befeſtigen durch Aeußerung von Zwei¬
feln, ob der Kaiſer im Stande ſein werde, die geäußerte Abſicht
oder Meinung „Bismarck gegenüber“ aufrecht zu erhalten. Wenn
Se. Majeſtät nicht auf Grund eigner Ueberzeugung, ſondern
weiblicher Bearbeitung widerſtand, ſo konnte ich dies daran
erkennen, daß ſeine Argumente unſachlich und unlogiſch waren.
Dann endete eine ſolche Erörterung, wenn ein Gegenargument
nicht mehr zu finden war, wohl mit der Wendung: „Ei der
Tauſend, da muß ich doch ſehr bitten.“ Ich wußte dann, daß
ich nicht den Kaiſer, ſondern die Gemalin mir gegenüber ge¬
habt hatte.
Alle Gegner, die ich mir in den verſchiedenſten Regionen im
Laufe meiner politiſchen Kämpfe nothwendiger Weiſe und im Intereſſe
des Dienſtes zugezogen hatte, fanden in ihrem gemeinſamen Haſſe
gegen mich ein Band, das einſtweilen ſtärker war, als ihre gegen¬
ſeitigen Abneigungen gegen einander. Sie vertagten ihre Feind¬
ſchaft, um einſtweilen der ſtärkern gegen mich zu dienen. Den
Kryſtalliſationspunkt für dieſe Uebereinſtimmung bildete die Kaiſerin
Auguſta, deren Temperament, wenn es galt ihren Willen durch¬
zuſetzen, auch in der Rückſicht auf Alter und Geſundheit des Ge¬
mals nicht immer Grenze fand.
Der Kaiſer hatte während der Belagerung von Paris, wie
häufig vorher und nachher, unter dem Kampfe zwiſchen ſeinem
Verſtande und ſeinem königlichen Pflichtgefühl einerſeits und dem
Bedürfniß nach häuslichem Frieden und weiblicher Zuſtimmung zur
Politik andrerſeits zu leiden. Die ritterlichen Empfindungen, die ihn
gegenüber ſeiner Gemalin, die myſtiſchen, die ihn der gekrönten
Königin gegenüber bewegten, ſeine Empfindlichkeit für Störungen
ſeiner Hausordnung und ſeiner täglichen Gewohnheiten haben mir
Hinderniſſe bereitet, die zuweilen ſchwerer zu überwinden waren
als die von fremden Mächten oder feindlichen Parteien verurſachten,
und vermöge der herzlichen Anhänglichkeit, die ich für die Perſon
des Kaiſers hatte, die aufreibende Wirkung der Kämpfe erheblich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |