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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Differenz mit Goltz über Behandlung der Herzogthümerfrage.
sagen, dies sei eine Selbsttäuschung. Vielleicht steigen mein Patrio¬
tismus und meine Urtheilskraft in Ihrer Ansicht, wenn ich Ihnen
sage, daß ich mich seit 14 Tagen auf der Basis der Vorschläge
befinde, die Sie in Ihrem Bericht Nro. -- machen. Mit einiger
Mühe habe ich Oestreich bestimmt, die holsteinischen Stände zu
berufen, falls wir es in Frankfurt durchsetzen; wir müssen erst
darin sein im Lande. Die Prüfung der Erbfolgefrage am Bunde
erfolgt mit unserm Einverständniß, wenn wir auch mit Rücksicht
auf England nicht dafür stimmen; ich hatte Sydow ohne Instruction
gelassen, er ist zur Ausführung subtiler Instructionen nicht gemacht.

Vielleicht werden noch andre Phasen folgen, die Ihrem Pro¬
gramm nicht sehr fern liegen; wie aber soll ich mich entschließen,
mich über meine letzten Gedanken frei gegen Sie auszulassen, nach¬
dem Sie mir politisch den Krieg erklärt haben und sich ziemlich
unumwunden zu dem Vorsatz bekennen, das jetzige Ministerium und
seine Politik zu bekämpfen, also zu beseitigen? Ich urtheile dabei
blos nach dem Inhalt Ihres Schreibens an mich und lasse alles
bei Seite, was mir durch Colportage und dritte Hand über Ihre
mündlichen und schriftlichen Auslassungen in Betreff meiner zugeht.
Und doch muß ich als Minister, wenn das Staatsinteresse nicht
leiden soll, gegen den Botschafter in Paris rückhaltlos offen bis
zum letzten Worte meiner Politik sein. Die Friction, welche Jeder
in meiner Stellung mit den Ministern und Räthen, am Hofe, mit
den occulten Einflüssen, Kammern, Presse, den fremden Höfen zu
überwinden hat, kann nicht dadurch vermehrt werden, daß die
Disciplin meines Ressorts einer Concurrenz zwischen dem Minister
und dem Gesandten Platz macht, und daß ich die unentbehrliche
Einheit des Dienstes durch Discussion im Wege des Schriftwechsels
herstelle. Ich kann selten so viel schreiben wie heut in der Nacht
am heiligen Abend, wo alle Beamte beurlaubt sind, und ich würde
an niemanden als an Sie den vierten Theil des Briefes schreiben.
Ich thue es, weil ich mich nicht entschließen kann, Ihnen amtlich
und durch die Bureaus in derselben Höhe des Tones zu schreiben,

Differenz mit Goltz über Behandlung der Herzogthümerfrage.
ſagen, dies ſei eine Selbſttäuſchung. Vielleicht ſteigen mein Patrio¬
tismus und meine Urtheilskraft in Ihrer Anſicht, wenn ich Ihnen
ſage, daß ich mich ſeit 14 Tagen auf der Baſis der Vorſchläge
befinde, die Sie in Ihrem Bericht Nro. — machen. Mit einiger
Mühe habe ich Oeſtreich beſtimmt, die holſteiniſchen Stände zu
berufen, falls wir es in Frankfurt durchſetzen; wir müſſen erſt
darin ſein im Lande. Die Prüfung der Erbfolgefrage am Bunde
erfolgt mit unſerm Einverſtändniß, wenn wir auch mit Rückſicht
auf England nicht dafür ſtimmen; ich hatte Sydow ohne Inſtruction
gelaſſen, er iſt zur Ausführung ſubtiler Inſtructionen nicht gemacht.

Vielleicht werden noch andre Phaſen folgen, die Ihrem Pro¬
gramm nicht ſehr fern liegen; wie aber ſoll ich mich entſchließen,
mich über meine letzten Gedanken frei gegen Sie auszulaſſen, nach¬
dem Sie mir politiſch den Krieg erklärt haben und ſich ziemlich
unumwunden zu dem Vorſatz bekennen, das jetzige Miniſterium und
ſeine Politik zu bekämpfen, alſo zu beſeitigen? Ich urtheile dabei
blos nach dem Inhalt Ihres Schreibens an mich und laſſe alles
bei Seite, was mir durch Colportage und dritte Hand über Ihre
mündlichen und ſchriftlichen Auslaſſungen in Betreff meiner zugeht.
Und doch muß ich als Miniſter, wenn das Staatsintereſſe nicht
leiden ſoll, gegen den Botſchafter in Paris rückhaltlos offen bis
zum letzten Worte meiner Politik ſein. Die Friction, welche Jeder
in meiner Stellung mit den Miniſtern und Räthen, am Hofe, mit
den occulten Einflüſſen, Kammern, Preſſe, den fremden Höfen zu
überwinden hat, kann nicht dadurch vermehrt werden, daß die
Diſciplin meines Reſſorts einer Concurrenz zwiſchen dem Miniſter
und dem Geſandten Platz macht, und daß ich die unentbehrliche
Einheit des Dienſtes durch Diſcuſſion im Wege des Schriftwechſels
herſtelle. Ich kann ſelten ſo viel ſchreiben wie heut in der Nacht
am heiligen Abend, wo alle Beamte beurlaubt ſind, und ich würde
an niemanden als an Sie den vierten Theil des Briefes ſchreiben.
Ich thue es, weil ich mich nicht entſchließen kann, Ihnen amtlich
und durch die Bureaus in derſelben Höhe des Tones zu ſchreiben,

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[7/0031] Differenz mit Goltz über Behandlung der Herzogthümerfrage. ſagen, dies ſei eine Selbſttäuſchung. Vielleicht ſteigen mein Patrio¬ tismus und meine Urtheilskraft in Ihrer Anſicht, wenn ich Ihnen ſage, daß ich mich ſeit 14 Tagen auf der Baſis der Vorſchläge befinde, die Sie in Ihrem Bericht Nro. — machen. Mit einiger Mühe habe ich Oeſtreich beſtimmt, die holſteiniſchen Stände zu berufen, falls wir es in Frankfurt durchſetzen; wir müſſen erſt darin ſein im Lande. Die Prüfung der Erbfolgefrage am Bunde erfolgt mit unſerm Einverſtändniß, wenn wir auch mit Rückſicht auf England nicht dafür ſtimmen; ich hatte Sydow ohne Inſtruction gelaſſen, er iſt zur Ausführung ſubtiler Inſtructionen nicht gemacht. Vielleicht werden noch andre Phaſen folgen, die Ihrem Pro¬ gramm nicht ſehr fern liegen; wie aber ſoll ich mich entſchließen, mich über meine letzten Gedanken frei gegen Sie auszulaſſen, nach¬ dem Sie mir politiſch den Krieg erklärt haben und ſich ziemlich unumwunden zu dem Vorſatz bekennen, das jetzige Miniſterium und ſeine Politik zu bekämpfen, alſo zu beſeitigen? Ich urtheile dabei blos nach dem Inhalt Ihres Schreibens an mich und laſſe alles bei Seite, was mir durch Colportage und dritte Hand über Ihre mündlichen und ſchriftlichen Auslaſſungen in Betreff meiner zugeht. Und doch muß ich als Miniſter, wenn das Staatsintereſſe nicht leiden ſoll, gegen den Botſchafter in Paris rückhaltlos offen bis zum letzten Worte meiner Politik ſein. Die Friction, welche Jeder in meiner Stellung mit den Miniſtern und Räthen, am Hofe, mit den occulten Einflüſſen, Kammern, Preſſe, den fremden Höfen zu überwinden hat, kann nicht dadurch vermehrt werden, daß die Diſciplin meines Reſſorts einer Concurrenz zwiſchen dem Miniſter und dem Geſandten Platz macht, und daß ich die unentbehrliche Einheit des Dienſtes durch Diſcuſſion im Wege des Schriftwechſels herſtelle. Ich kann ſelten ſo viel ſchreiben wie heut in der Nacht am heiligen Abend, wo alle Beamte beurlaubt ſind, und ich würde an niemanden als an Sie den vierten Theil des Briefes ſchreiben. Ich thue es, weil ich mich nicht entſchließen kann, Ihnen amtlich und durch die Bureaus in derſelben Höhe des Tones zu ſchreiben,

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/31>, abgerufen am 27.04.2024.