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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm I.
der Privatcorrespondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplo¬
matische Berichterstattung in seiner Hand zu concentriren. Ich er¬
hielt die Beweise dafür durch den Zufall, daß einige dieser Berichte,
aus deren Fassung die Thatsache der Continuität der Berichterstattung
ersichtlich war, durch Mißverständniß der Feldjäger oder der Post
an mich gelangten und amtlichen Berichten so genau ähnlich sahn,
daß ich erst durch einzelne Bezugnahmen im Texte stutzig wurde,
mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb suchte und
darauf die Adresse des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Be¬
amten, mit denen er solche Verbindungen unterhielt, gehörte unter
Andern ein Consul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864
schrieb, derselbe stehe im Solde von Drouyn de L'Huys und schreibe
unter dem Namen Siegfeld Artikel für das "Memorial Diplo¬
matique"
, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Na¬
poleon das Wort redeten und sie in Parallele stellten mit unsrer
Occupation Schleswigs. Zur Zeit der "Reichsglocke" und der ge¬
hässigen Angriffe der conservativen Partei und der "Kreuz¬
zeitung" auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der
"Reichsglocke" und ähnlicher verleumderischer Preßerzeugnisse im
Bureau des Hausministeriums besorgt wurde. Der Vermittler war ein
höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (?), der der Frau von
Schleinitz die Federn schnitt und den Schreibtisch in Ordnung hielt.
Durch ihn wurden allein an unsre höchsten Herrschaften dreizehn
Exemplare der "Reichsglocke", davon zwei in das Kaiserliche Palais,
berichtmäßig eingesandt und andre an mehre verwandte Höfe.

Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiser
des Morgens aufsuchen mußte, um über eine höfische Demonstration
zu Gunsten des Centrums eine unter den obwaltenden Umständen
dringliche Beschwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und
neben ihm die Kaiserin in einer Toilette, die darauf schließen
ließ, daß sie erst auf meine Anmeldung herunter gekommen war.
Auf meine Bitte, mit dem Kaiser allein sprechen zu dürfen, ent¬
fernte sie sich, aber nur bis zu einem dicht außerhalb der, von ihr

Zweiunddreißigſtes Kapitel: Kaiſer Wilhelm I.
der Privatcorreſpondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplo¬
matiſche Berichterſtattung in ſeiner Hand zu concentriren. Ich er¬
hielt die Beweiſe dafür durch den Zufall, daß einige dieſer Berichte,
aus deren Faſſung die Thatſache der Continuität der Berichterſtattung
erſichtlich war, durch Mißverſtändniß der Feldjäger oder der Poſt
an mich gelangten und amtlichen Berichten ſo genau ähnlich ſahn,
daß ich erſt durch einzelne Bezugnahmen im Texte ſtutzig wurde,
mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb ſuchte und
darauf die Adreſſe des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Be¬
amten, mit denen er ſolche Verbindungen unterhielt, gehörte unter
Andern ein Conſul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864
ſchrieb, derſelbe ſtehe im Solde von Drouyn de L'Huys und ſchreibe
unter dem Namen Siegfeld Artikel für das „Mémorial Diplo¬
matique“
, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Na¬
poleon das Wort redeten und ſie in Parallele ſtellten mit unſrer
Occupation Schleswigs. Zur Zeit der „Reichsglocke“ und der ge¬
häſſigen Angriffe der conſervativen Partei und der „Kreuz¬
zeitung“ auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der
„Reichsglocke“ und ähnlicher verleumderiſcher Preßerzeugniſſe im
Bureau des Hausminiſteriums beſorgt wurde. Der Vermittler war ein
höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (?), der der Frau von
Schleinitz die Federn ſchnitt und den Schreibtiſch in Ordnung hielt.
Durch ihn wurden allein an unſre höchſten Herrſchaften dreizehn
Exemplare der „Reichsglocke“, davon zwei in das Kaiſerliche Palais,
berichtmäßig eingeſandt und andre an mehre verwandte Höfe.

Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiſer
des Morgens aufſuchen mußte, um über eine höfiſche Demonſtration
zu Gunſten des Centrums eine unter den obwaltenden Umſtänden
dringliche Beſchwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und
neben ihm die Kaiſerin in einer Toilette, die darauf ſchließen
ließ, daß ſie erſt auf meine Anmeldung herunter gekommen war.
Auf meine Bitte, mit dem Kaiſer allein ſprechen zu dürfen, ent¬
fernte ſie ſich, aber nur bis zu einem dicht außerhalb der, von ihr

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[284/0308] Zweiunddreißigſtes Kapitel: Kaiſer Wilhelm I. der Privatcorreſpondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplo¬ matiſche Berichterſtattung in ſeiner Hand zu concentriren. Ich er¬ hielt die Beweiſe dafür durch den Zufall, daß einige dieſer Berichte, aus deren Faſſung die Thatſache der Continuität der Berichterſtattung erſichtlich war, durch Mißverſtändniß der Feldjäger oder der Poſt an mich gelangten und amtlichen Berichten ſo genau ähnlich ſahn, daß ich erſt durch einzelne Bezugnahmen im Texte ſtutzig wurde, mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb ſuchte und darauf die Adreſſe des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Be¬ amten, mit denen er ſolche Verbindungen unterhielt, gehörte unter Andern ein Conſul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864 ſchrieb, derſelbe ſtehe im Solde von Drouyn de L'Huys und ſchreibe unter dem Namen Siegfeld Artikel für das „Mémorial Diplo¬ matique“, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Na¬ poleon das Wort redeten und ſie in Parallele ſtellten mit unſrer Occupation Schleswigs. Zur Zeit der „Reichsglocke“ und der ge¬ häſſigen Angriffe der conſervativen Partei und der „Kreuz¬ zeitung“ auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der „Reichsglocke“ und ähnlicher verleumderiſcher Preßerzeugniſſe im Bureau des Hausminiſteriums beſorgt wurde. Der Vermittler war ein höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (?), der der Frau von Schleinitz die Federn ſchnitt und den Schreibtiſch in Ordnung hielt. Durch ihn wurden allein an unſre höchſten Herrſchaften dreizehn Exemplare der „Reichsglocke“, davon zwei in das Kaiſerliche Palais, berichtmäßig eingeſandt und andre an mehre verwandte Höfe. Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiſer des Morgens aufſuchen mußte, um über eine höfiſche Demonſtration zu Gunſten des Centrums eine unter den obwaltenden Umſtänden dringliche Beſchwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und neben ihm die Kaiſerin in einer Toilette, die darauf ſchließen ließ, daß ſie erſt auf meine Anmeldung herunter gekommen war. Auf meine Bitte, mit dem Kaiſer allein ſprechen zu dürfen, ent¬ fernte ſie ſich, aber nur bis zu einem dicht außerhalb der, von ihr

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/308>, abgerufen am 08.05.2024.