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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Schroffe Ablehnung der Conservativen.
rungenschaften vor Zerbröckelung und centrifugaler Rückbildung
geschützt werden sollten.

Ich weiß nicht, wie weit ich conservativer Mitwirkung hätte
entgegenkommen können, jedenfalls weiter, als es in den durch den
Bruch entstandenen Verhältnissen geschehn ist. Ich hielt für die
damalige Zeit bei den Gefahren, die unsre Kriege geschaffen
hatten, die Unterschiede der Parteidoctrinen für untergeordnet im
Vergleiche mit der Nothwendigkeit der politischen Deckung nach Außen
durch möglichst geschlossene Einheit der Nation in sich. Als erste
Bedingung galt mir die Unabhängigkeit Deutschlands auf Grund
einer zum Selbstschutz hinreichend starken Einheit, und ich hatte
und habe zu der Einsicht und Besonnenheit der Nation das Ver¬
trauen, daß sie Auswüchse und Fehler der nationalen Einrichtungen
heilen und ausmerzen wird, wenn sie daran nicht durch die Ab¬
hängigkeit von dem übrigen Europa und von innern Fractions-
und Sonderinteressen verhindert wird, wie es bis 1866 der Fall
war. In dieser Auffassung kam es mir auf die Frage, ob liberal,
ob conservativ, in der damaligen Kriegs- und Coalitionsgefahr so
wenig wie heut in erster Linie an, sondern auf die freie Selbst¬
bestimmung der Nation und ihrer Fürsten. Ich gebe auch heut
diese Hoffnung nicht auf, wenn auch ohne die Gewißheit, daß unsre
politische Zukunft nicht noch durch Mißgriffe und Unfälle im wei¬
tern Ausbau geschädigt werden wird.

III.

Die exclusivere Fühlung mit den Nationalliberalen, zu welcher
der Abfall der Conservativen mich nothwendig führte, wurde in
Kreisen der letztern Grund oder Vorwand zu gesteigerter Animosität
gegen mich. In der Zeit, während deren ich, durch Krankheit ge¬
nöthigt, dem Grafen Roon den Vorsitz im Staatsministerium ab¬

Schroffe Ablehnung der Conſervativen.
rungenſchaften vor Zerbröckelung und centrifugaler Rückbildung
geſchützt werden ſollten.

Ich weiß nicht, wie weit ich conſervativer Mitwirkung hätte
entgegenkommen können, jedenfalls weiter, als es in den durch den
Bruch entſtandenen Verhältniſſen geſchehn iſt. Ich hielt für die
damalige Zeit bei den Gefahren, die unſre Kriege geſchaffen
hatten, die Unterſchiede der Parteidoctrinen für untergeordnet im
Vergleiche mit der Nothwendigkeit der politiſchen Deckung nach Außen
durch möglichſt geſchloſſene Einheit der Nation in ſich. Als erſte
Bedingung galt mir die Unabhängigkeit Deutſchlands auf Grund
einer zum Selbſtſchutz hinreichend ſtarken Einheit, und ich hatte
und habe zu der Einſicht und Beſonnenheit der Nation das Ver¬
trauen, daß ſie Auswüchſe und Fehler der nationalen Einrichtungen
heilen und ausmerzen wird, wenn ſie daran nicht durch die Ab¬
hängigkeit von dem übrigen Europa und von innern Fractions-
und Sonderintereſſen verhindert wird, wie es bis 1866 der Fall
war. In dieſer Auffaſſung kam es mir auf die Frage, ob liberal,
ob conſervativ, in der damaligen Kriegs- und Coalitionsgefahr ſo
wenig wie heut in erſter Linie an, ſondern auf die freie Selbſt¬
beſtimmung der Nation und ihrer Fürſten. Ich gebe auch heut
dieſe Hoffnung nicht auf, wenn auch ohne die Gewißheit, daß unſre
politiſche Zukunft nicht noch durch Mißgriffe und Unfälle im wei¬
tern Ausbau geſchädigt werden wird.

III.

Die excluſivere Fühlung mit den Nationalliberalen, zu welcher
der Abfall der Conſervativen mich nothwendig führte, wurde in
Kreiſen der letztern Grund oder Vorwand zu geſteigerter Animoſität
gegen mich. In der Zeit, während deren ich, durch Krankheit ge¬
nöthigt, dem Grafen Roon den Vorſitz im Staatsminiſterium ab¬

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[151/0175] Schroffe Ablehnung der Conſervativen. rungenſchaften vor Zerbröckelung und centrifugaler Rückbildung geſchützt werden ſollten. Ich weiß nicht, wie weit ich conſervativer Mitwirkung hätte entgegenkommen können, jedenfalls weiter, als es in den durch den Bruch entſtandenen Verhältniſſen geſchehn iſt. Ich hielt für die damalige Zeit bei den Gefahren, die unſre Kriege geſchaffen hatten, die Unterſchiede der Parteidoctrinen für untergeordnet im Vergleiche mit der Nothwendigkeit der politiſchen Deckung nach Außen durch möglichſt geſchloſſene Einheit der Nation in ſich. Als erſte Bedingung galt mir die Unabhängigkeit Deutſchlands auf Grund einer zum Selbſtſchutz hinreichend ſtarken Einheit, und ich hatte und habe zu der Einſicht und Beſonnenheit der Nation das Ver¬ trauen, daß ſie Auswüchſe und Fehler der nationalen Einrichtungen heilen und ausmerzen wird, wenn ſie daran nicht durch die Ab¬ hängigkeit von dem übrigen Europa und von innern Fractions- und Sonderintereſſen verhindert wird, wie es bis 1866 der Fall war. In dieſer Auffaſſung kam es mir auf die Frage, ob liberal, ob conſervativ, in der damaligen Kriegs- und Coalitionsgefahr ſo wenig wie heut in erſter Linie an, ſondern auf die freie Selbſt¬ beſtimmung der Nation und ihrer Fürſten. Ich gebe auch heut dieſe Hoffnung nicht auf, wenn auch ohne die Gewißheit, daß unſre politiſche Zukunft nicht noch durch Mißgriffe und Unfälle im wei¬ tern Ausbau geſchädigt werden wird. III. Die excluſivere Fühlung mit den Nationalliberalen, zu welcher der Abfall der Conſervativen mich nothwendig führte, wurde in Kreiſen der letztern Grund oder Vorwand zu geſteigerter Animoſität gegen mich. In der Zeit, während deren ich, durch Krankheit ge¬ nöthigt, dem Grafen Roon den Vorſitz im Staatsminiſterium ab¬

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/175>, abgerufen am 23.11.2024.