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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Die katholische Abtheilung und ihre Aufhebung.
Richtung gehalten, ebenso dessen Sohn Anton, bei dem die persön¬
liche Anhänglichkeit an Se. Majestät hinzukomme. Aber in dem
treibenden Elemente des Hauses, den Geistlichen und dem Fürsten
Boguslaw und dessen Sohn, sei das polnische Nationalgefühl stärker
als jedes andre und werde gepflegt auf der Basis des Zusammen¬
gehns der polnischen mit den römisch-clericalen Interessen, auf der
einzigen im Frieden gangbaren, aber auch sehr geläufig gangbaren
Basis. Nun sei der Chef der katholischen Abtheilung, Krätzig, so gut
wie ein Radziwillscher Leibeigner. Ein Nuntius würde die Interessen
der katholischen Kirche, aber nicht die der Polen zu vertreten als
seine Hauptaufgabe ansehn, werde nicht die intimen Verbindungen
mit der Bürokratie besitzen wie die Mitglieder der katholischen Ab¬
theilung, die in der Garnison der ministeriellen Citadelle unsres
Vertheidigungssystems gegen revolutionäre Anläufe als staatsfeind¬
liche Parteigänger säßen; ein Nuntius endlich werde als Mitglied
des diplomatischen Corps an der Erhaltung guter Beziehungen zu
seinem Souverain und an der Pflege des Verhältnisses zu dem
Hofe, an dem er beglaubigt, persönlich interessirt sein.

Wenn es mir auch nicht gelang, die übrigens mehr äußer¬
liche und formelle Abneigung des Kaisers gegen einen Nuntius in
Berlin zu überwinden, so überzeugte er sich doch von der Ge¬
fährlichkeit der katholischen Abtheilung und gab seine Genehmi¬
gung zu ihrer Abschaffung trotz des Widerstandes seiner Gemalin.
Unter ehelichem Einfluß wehrte sich Mühler gegen die Abschaffung,
über die alle übrigen Minister einverstanden waren. Zur decora¬
tiven Platirung seines Abganges wurde eine Differenz über eine
die Verwaltung der Museen betreffende Personalfrage benutzt; in
der That fiel er über Krätzig und den Polonismus, trotz des
Rückhaltes, den er und seine Frau durch Damenverbindungen am
Hofe hatten.

Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 9

Die katholiſche Abtheilung und ihre Aufhebung.
Richtung gehalten, ebenſo deſſen Sohn Anton, bei dem die perſön¬
liche Anhänglichkeit an Se. Majeſtät hinzukomme. Aber in dem
treibenden Elemente des Hauſes, den Geiſtlichen und dem Fürſten
Boguslaw und deſſen Sohn, ſei das polniſche Nationalgefühl ſtärker
als jedes andre und werde gepflegt auf der Baſis des Zuſammen¬
gehns der polniſchen mit den römiſch-clericalen Intereſſen, auf der
einzigen im Frieden gangbaren, aber auch ſehr geläufig gangbaren
Baſis. Nun ſei der Chef der katholiſchen Abtheilung, Krätzig, ſo gut
wie ein Radziwillſcher Leibeigner. Ein Nuntius würde die Intereſſen
der katholiſchen Kirche, aber nicht die der Polen zu vertreten als
ſeine Hauptaufgabe anſehn, werde nicht die intimen Verbindungen
mit der Bürokratie beſitzen wie die Mitglieder der katholiſchen Ab¬
theilung, die in der Garniſon der miniſteriellen Citadelle unſres
Vertheidigungsſyſtems gegen revolutionäre Anläufe als ſtaatsfeind¬
liche Parteigänger ſäßen; ein Nuntius endlich werde als Mitglied
des diplomatiſchen Corps an der Erhaltung guter Beziehungen zu
ſeinem Souverain und an der Pflege des Verhältniſſes zu dem
Hofe, an dem er beglaubigt, perſönlich intereſſirt ſein.

Wenn es mir auch nicht gelang, die übrigens mehr äußer¬
liche und formelle Abneigung des Kaiſers gegen einen Nuntius in
Berlin zu überwinden, ſo überzeugte er ſich doch von der Ge¬
fährlichkeit der katholiſchen Abtheilung und gab ſeine Genehmi¬
gung zu ihrer Abſchaffung trotz des Widerſtandes ſeiner Gemalin.
Unter ehelichem Einfluß wehrte ſich Mühler gegen die Abſchaffung,
über die alle übrigen Miniſter einverſtanden waren. Zur decora¬
tiven Platirung ſeines Abganges wurde eine Differenz über eine
die Verwaltung der Muſeen betreffende Perſonalfrage benutzt; in
der That fiel er über Krätzig und den Polonismus, trotz des
Rückhaltes, den er und ſeine Frau durch Damenverbindungen am
Hofe hatten.

Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 9
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[129/0153] Die katholiſche Abtheilung und ihre Aufhebung. Richtung gehalten, ebenſo deſſen Sohn Anton, bei dem die perſön¬ liche Anhänglichkeit an Se. Majeſtät hinzukomme. Aber in dem treibenden Elemente des Hauſes, den Geiſtlichen und dem Fürſten Boguslaw und deſſen Sohn, ſei das polniſche Nationalgefühl ſtärker als jedes andre und werde gepflegt auf der Baſis des Zuſammen¬ gehns der polniſchen mit den römiſch-clericalen Intereſſen, auf der einzigen im Frieden gangbaren, aber auch ſehr geläufig gangbaren Baſis. Nun ſei der Chef der katholiſchen Abtheilung, Krätzig, ſo gut wie ein Radziwillſcher Leibeigner. Ein Nuntius würde die Intereſſen der katholiſchen Kirche, aber nicht die der Polen zu vertreten als ſeine Hauptaufgabe anſehn, werde nicht die intimen Verbindungen mit der Bürokratie beſitzen wie die Mitglieder der katholiſchen Ab¬ theilung, die in der Garniſon der miniſteriellen Citadelle unſres Vertheidigungsſyſtems gegen revolutionäre Anläufe als ſtaatsfeind¬ liche Parteigänger ſäßen; ein Nuntius endlich werde als Mitglied des diplomatiſchen Corps an der Erhaltung guter Beziehungen zu ſeinem Souverain und an der Pflege des Verhältniſſes zu dem Hofe, an dem er beglaubigt, perſönlich intereſſirt ſein. Wenn es mir auch nicht gelang, die übrigens mehr äußer¬ liche und formelle Abneigung des Kaiſers gegen einen Nuntius in Berlin zu überwinden, ſo überzeugte er ſich doch von der Ge¬ fährlichkeit der katholiſchen Abtheilung und gab ſeine Genehmi¬ gung zu ihrer Abſchaffung trotz des Widerſtandes ſeiner Gemalin. Unter ehelichem Einfluß wehrte ſich Mühler gegen die Abſchaffung, über die alle übrigen Miniſter einverſtanden waren. Zur decora¬ tiven Platirung ſeines Abganges wurde eine Differenz über eine die Verwaltung der Muſeen betreffende Perſonalfrage benutzt; in der That fiel er über Krätzig und den Polonismus, trotz des Rückhaltes, den er und ſeine Frau durch Damenverbindungen am Hofe hatten. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 9

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/153>, abgerufen am 23.11.2024.