tion gebrochen und der niedergelassene oldenburgische Schlagbaum von den preußischen Truppen beseitigt.
Die Erwägungen eines sachkundigen und ehrliebenden Generals, wie Stockhausen, konnte ich einer Kritik nicht unterziehn und ver¬ mag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unsrer militäri¬ schen Gebundenheit, die er mir schilderte, lag nicht an ihm, sondern an der Planlosigkeit, mit der unsre Politik auf militärischem Ge¬ biete sowohl wie auf diplomatischem in und seit den Märztagen mit einer Mischung von Leichtfertigkeit und Knauserei geleitet worden war. Auf militärischem namentlich war sie von der Art, daß man nach den getroffenen Maßregeln voraussetzen muß, daß eine kriegerische oder auch nur militärische Lösung der schwebenden Fragen in letzter Instanz in Berlin überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde. Man war zu sehr mit öffentlicher Meinung, Reden, Zeitungen und Verfassungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete der auswärtigen, selbst nur der außerpreußischen deutschen Politik zu festen Absichten und praktischen Zielen gelangen zu können. Stock¬ hausen war nicht im Stande, die Unterlassungssünden und die Planlosigkeit unsrer Politik durch plötzliche militärische Leistungen wieder gut zu machen, und gerieth so in eine Situation, die selbst der politische Leiter des Ministeriums, Graf Brandenburg, nicht für möglich gehalten hatte. Denn derselbe erlag der Enttäuschung, welche sein hohes patriotisches Ehrgefühl in den letzten Tagen seines Lebens erlitten hatte 1). Es ist Unrecht, Stockhausen der Kleinmüthigkeit anzuklagen, und ich habe Grund zu glauben, daß auch König Wilhelm I. zu der Zeit, da ich sein Minister wurde, meine Auffassung bezüglich der militärischen Situation im No¬ vember 1850 theilte. Wie dem auch sei, nur fehlte damals jede Unterlage zu einer Kritik, die ich als conservativer Abgeordneter einem Minister auf militärischem Gebiete, als Landwehr-Lieutenant dem General gegenüber hätte ausüben können.
1) S. o. S. 66 Anm. 1.
Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
tion gebrochen und der niedergelaſſene oldenburgiſche Schlagbaum von den preußiſchen Truppen beſeitigt.
Die Erwägungen eines ſachkundigen und ehrliebenden Generals, wie Stockhauſen, konnte ich einer Kritik nicht unterziehn und ver¬ mag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unſrer militäri¬ ſchen Gebundenheit, die er mir ſchilderte, lag nicht an ihm, ſondern an der Planloſigkeit, mit der unſre Politik auf militäriſchem Ge¬ biete ſowohl wie auf diplomatiſchem in und ſeit den Märztagen mit einer Miſchung von Leichtfertigkeit und Knauſerei geleitet worden war. Auf militäriſchem namentlich war ſie von der Art, daß man nach den getroffenen Maßregeln vorausſetzen muß, daß eine kriegeriſche oder auch nur militäriſche Löſung der ſchwebenden Fragen in letzter Inſtanz in Berlin überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde. Man war zu ſehr mit öffentlicher Meinung, Reden, Zeitungen und Verfaſſungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete der auswärtigen, ſelbſt nur der außerpreußiſchen deutſchen Politik zu feſten Abſichten und praktiſchen Zielen gelangen zu können. Stock¬ hauſen war nicht im Stande, die Unterlaſſungsſünden und die Planloſigkeit unſrer Politik durch plötzliche militäriſche Leiſtungen wieder gut zu machen, und gerieth ſo in eine Situation, die ſelbſt der politiſche Leiter des Miniſteriums, Graf Brandenburg, nicht für möglich gehalten hatte. Denn derſelbe erlag der Enttäuſchung, welche ſein hohes patriotiſches Ehrgefühl in den letzten Tagen ſeines Lebens erlitten hatte 1). Es iſt Unrecht, Stockhauſen der Kleinmüthigkeit anzuklagen, und ich habe Grund zu glauben, daß auch König Wilhelm I. zu der Zeit, da ich ſein Miniſter wurde, meine Auffaſſung bezüglich der militäriſchen Situation im No¬ vember 1850 theilte. Wie dem auch ſei, nur fehlte damals jede Unterlage zu einer Kritik, die ich als conſervativer Abgeordneter einem Miniſter auf militäriſchem Gebiete, als Landwehr-Lieutenant dem General gegenüber hätte ausüben können.
1) S. o. S. 66 Anm. 1.
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Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
tion gebrochen und der niedergelaſſene oldenburgiſche Schlagbaum
von den preußiſchen Truppen beſeitigt.
Die Erwägungen eines ſachkundigen und ehrliebenden Generals,
wie Stockhauſen, konnte ich einer Kritik nicht unterziehn und ver¬
mag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unſrer militäri¬
ſchen Gebundenheit, die er mir ſchilderte, lag nicht an ihm, ſondern
an der Planloſigkeit, mit der unſre Politik auf militäriſchem Ge¬
biete ſowohl wie auf diplomatiſchem in und ſeit den Märztagen
mit einer Miſchung von Leichtfertigkeit und Knauſerei geleitet
worden war. Auf militäriſchem namentlich war ſie von der Art,
daß man nach den getroffenen Maßregeln vorausſetzen muß, daß
eine kriegeriſche oder auch nur militäriſche Löſung der ſchwebenden
Fragen in letzter Inſtanz in Berlin überhaupt nicht in Erwägung
gezogen wurde. Man war zu ſehr mit öffentlicher Meinung, Reden,
Zeitungen und Verfaſſungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete
der auswärtigen, ſelbſt nur der außerpreußiſchen deutſchen Politik
zu feſten Abſichten und praktiſchen Zielen gelangen zu können. Stock¬
hauſen war nicht im Stande, die Unterlaſſungsſünden und die
Planloſigkeit unſrer Politik durch plötzliche militäriſche Leiſtungen
wieder gut zu machen, und gerieth ſo in eine Situation, die ſelbſt
der politiſche Leiter des Miniſteriums, Graf Brandenburg, nicht
für möglich gehalten hatte. Denn derſelbe erlag der Enttäuſchung,
welche ſein hohes patriotiſches Ehrgefühl in den letzten Tagen
ſeines Lebens erlitten hatte 1). Es iſt Unrecht, Stockhauſen der
Kleinmüthigkeit anzuklagen, und ich habe Grund zu glauben, daß
auch König Wilhelm I. zu der Zeit, da ich ſein Miniſter wurde,
meine Auffaſſung bezüglich der militäriſchen Situation im No¬
vember 1850 theilte. Wie dem auch ſei, nur fehlte damals jede
Unterlage zu einer Kritik, die ich als conſervativer Abgeordneter
einem Miniſter auf militäriſchem Gebiete, als Landwehr-Lieutenant
dem General gegenüber hätte ausüben können.
1)
S. o. S. 66 Anm. 1.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/97>, abgerufen am 24.11.2024.
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