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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Conflicte mit der Bürokratie. Opposition des Ersten Verein. Landtags.
als Patron von Külz als erschienen aufgeführt war. Comparent
machte in seiner Eigenschaft ad 1 sich die vorgeschriebene Vor¬
haltung; entwickelte dagegen in der ad 2 die Gründe, aus denen
er die Zumuthung ablehnen müsse; worauf das Protokoll von ihm
doppelt genehmigt und unterschrieben wurde. Die Regirung ver¬
stand Scherz und ließ mir die Ordnungsstrafe zurückzahlen. In
andern Fällen kam es zu unangenehmeren Schraubereien. Ich
wurde zur Kritik geneigt, also "liberal" in dem Sinne, in welchem
man das Wort damals in Kreisen von Gutsbesitzern anwandte zur
Bezeichnung der Unzufriedenheit mit der Bürokratie, die ihrer¬
seits in der Mehrzahl ihrer Glieder liberaler als ich war, aber in
andrem Sinne.

Aus meiner ständisch-liberalen Stimmung, für die ich in
Pommern kaum Verständniß und Theilnahme, in Schönhausen aber
die Zustimmung von Kreisgenossen wie Graf Wartensleben-Karow,
Schierstädt-Dahlen und Andern fand, denselben Elementen, die
zum Theil zu den später unter der neuen Aera gerichtlich ver¬
urtheilten Kirchen-Patronen gehörten, aus dieser Stimmung wurde
ich wieder entgleist durch die mir unsympathische Art der Opposition
des Ersten Vereinigten Landtags, zu dem ich erst für die letzten
sechs Wochen der Session wegen Erkrankung des Abgeordneten
von Brauchitsch als dessen Stellvertreter einberufen wurde. Die
Reden der Ostpreußen Saucken-Tarputschen, Alfred Auerswald, die
Sentimentalität von Beckerath, der rheinisch-französische Liberalismus
von Heydt und Mevissen und die polternde Heftigkeit der Vincke¬
schen Reden waren mir widerlich, und auch wenn ich die Verhand¬
lungen heut lese, so machen sie mir den Eindruck von importirter
Phrasen-Schablone. Ich hatte das Gefühl, daß der König auf
dem richtigen Wege sei und den Anspruch darauf habe, daß man
ihm Zeit lasse und ihn in seiner eignen Entwicklung schone.

Ich gerieth mit der Opposition in Conflict, als ich das erste
Mal zu längerer Ausführung das Wort nahm, am 17. Mai 1847,

Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 2

Conflicte mit der Bürokratie. Oppoſition des Erſten Verein. Landtags.
als Patron von Külz als erſchienen aufgeführt war. Comparent
machte in ſeiner Eigenſchaft ad 1 ſich die vorgeſchriebene Vor¬
haltung; entwickelte dagegen in der ad 2 die Gründe, aus denen
er die Zumuthung ablehnen müſſe; worauf das Protokoll von ihm
doppelt genehmigt und unterſchrieben wurde. Die Regirung ver¬
ſtand Scherz und ließ mir die Ordnungsſtrafe zurückzahlen. In
andern Fällen kam es zu unangenehmeren Schraubereien. Ich
wurde zur Kritik geneigt, alſo „liberal“ in dem Sinne, in welchem
man das Wort damals in Kreiſen von Gutsbeſitzern anwandte zur
Bezeichnung der Unzufriedenheit mit der Bürokratie, die ihrer¬
ſeits in der Mehrzahl ihrer Glieder liberaler als ich war, aber in
andrem Sinne.

Aus meiner ſtändiſch-liberalen Stimmung, für die ich in
Pommern kaum Verſtändniß und Theilnahme, in Schönhauſen aber
die Zuſtimmung von Kreisgenoſſen wie Graf Wartensleben-Karow,
Schierſtädt-Dahlen und Andern fand, denſelben Elementen, die
zum Theil zu den ſpäter unter der neuen Aera gerichtlich ver¬
urtheilten Kirchen-Patronen gehörten, aus dieſer Stimmung wurde
ich wieder entgleiſt durch die mir unſympathiſche Art der Oppoſition
des Erſten Vereinigten Landtags, zu dem ich erſt für die letzten
ſechs Wochen der Seſſion wegen Erkrankung des Abgeordneten
von Brauchitſch als deſſen Stellvertreter einberufen wurde. Die
Reden der Oſtpreußen Saucken-Tarputſchen, Alfred Auerswald, die
Sentimentalität von Beckerath, der rheiniſch-franzöſiſche Liberalismus
von Heydt und Meviſſen und die polternde Heftigkeit der Vincke¬
ſchen Reden waren mir widerlich, und auch wenn ich die Verhand¬
lungen heut leſe, ſo machen ſie mir den Eindruck von importirter
Phraſen-Schablone. Ich hatte das Gefühl, daß der König auf
dem richtigen Wege ſei und den Anſpruch darauf habe, daß man
ihm Zeit laſſe und ihn in ſeiner eignen Entwicklung ſchone.

Ich gerieth mit der Oppoſition in Conflict, als ich das erſte
Mal zu längerer Ausführung das Wort nahm, am 17. Mai 1847,

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[17/0044] Conflicte mit der Bürokratie. Oppoſition des Erſten Verein. Landtags. als Patron von Külz als erſchienen aufgeführt war. Comparent machte in ſeiner Eigenſchaft ad 1 ſich die vorgeſchriebene Vor¬ haltung; entwickelte dagegen in der ad 2 die Gründe, aus denen er die Zumuthung ablehnen müſſe; worauf das Protokoll von ihm doppelt genehmigt und unterſchrieben wurde. Die Regirung ver¬ ſtand Scherz und ließ mir die Ordnungsſtrafe zurückzahlen. In andern Fällen kam es zu unangenehmeren Schraubereien. Ich wurde zur Kritik geneigt, alſo „liberal“ in dem Sinne, in welchem man das Wort damals in Kreiſen von Gutsbeſitzern anwandte zur Bezeichnung der Unzufriedenheit mit der Bürokratie, die ihrer¬ ſeits in der Mehrzahl ihrer Glieder liberaler als ich war, aber in andrem Sinne. Aus meiner ſtändiſch-liberalen Stimmung, für die ich in Pommern kaum Verſtändniß und Theilnahme, in Schönhauſen aber die Zuſtimmung von Kreisgenoſſen wie Graf Wartensleben-Karow, Schierſtädt-Dahlen und Andern fand, denſelben Elementen, die zum Theil zu den ſpäter unter der neuen Aera gerichtlich ver¬ urtheilten Kirchen-Patronen gehörten, aus dieſer Stimmung wurde ich wieder entgleiſt durch die mir unſympathiſche Art der Oppoſition des Erſten Vereinigten Landtags, zu dem ich erſt für die letzten ſechs Wochen der Seſſion wegen Erkrankung des Abgeordneten von Brauchitſch als deſſen Stellvertreter einberufen wurde. Die Reden der Oſtpreußen Saucken-Tarputſchen, Alfred Auerswald, die Sentimentalität von Beckerath, der rheiniſch-franzöſiſche Liberalismus von Heydt und Meviſſen und die polternde Heftigkeit der Vincke¬ ſchen Reden waren mir widerlich, und auch wenn ich die Verhand¬ lungen heut leſe, ſo machen ſie mir den Eindruck von importirter Phraſen-Schablone. Ich hatte das Gefühl, daß der König auf dem richtigen Wege ſei und den Anſpruch darauf habe, daß man ihm Zeit laſſe und ihn in ſeiner eignen Entwicklung ſchone. Ich gerieth mit der Oppoſition in Conflict, als ich das erſte Mal zu längerer Ausführung das Wort nahm, am 17. Mai 1847, Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 2

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/44>, abgerufen am 25.11.2024.