Bei der Vertheilung der Ministerien, wofür die Auswahl an Candidaten klein war, verursachte das Finanzministerium den ge¬ ringsten Aufenthalt; es wurde Herrn Karl von Bodelschwingh -- Bruder des im März 1848 abgetretenen Ministers des Innern, Ernst von Bodelschwingh -- zugetheilt, der es bereits unter Man¬ teuffel von 1851 bis 1858 gehabt hatte. Es zeigte sich freilich bald, daß er und der Graf Itzenplitz, dem das Handelsministerium zufiel, nicht im Stande waren, ihre Ministerien zu leiten. Beide beschränkten sich darauf, die Beschlüsse der sachkundigen Räthe mit ihrer Unterschrift zu versehn und nach Möglichkeit die Divergenzen zu vermitteln, in welche die Beschlüsse der theils liberalen, theils in engen Ressort-Gesichtspunkten befangenen Räthe mit der Politik des Königs und des Staatsministeriums gerathen konnten. Die sehr sachkundigen Mitglieder des Finanzministeriums gehörten inner¬ lich der Mehrzahl nach der Opposition gegen das Conflictsmini¬ sterium an und betrachteten es als eine kurze Episode in der libe¬ ralen Fortbildung der bürokratischen Regirungsmaschine; und wenn die tüchtigsten unter ihnen zu gewissenhaft waren, um die Thätig¬ keit der Regirung zu hemmen, so leisteten sie doch einen passiven Widerstand, wo ihr amtliches Pflichtgefühl ihnen einen solchen er¬ laubte, der immerhin nicht unerheblich war. Aus dieser Sachlage
Vierzehntes Kapitel. Conflicts-Miniſterium.
I.
Bei der Vertheilung der Miniſterien, wofür die Auswahl an Candidaten klein war, verurſachte das Finanzminiſterium den ge¬ ringſten Aufenthalt; es wurde Herrn Karl von Bodelſchwingh — Bruder des im März 1848 abgetretenen Miniſters des Innern, Ernſt von Bodelſchwingh — zugetheilt, der es bereits unter Man¬ teuffel von 1851 bis 1858 gehabt hatte. Es zeigte ſich freilich bald, daß er und der Graf Itzenplitz, dem das Handelsminiſterium zufiel, nicht im Stande waren, ihre Miniſterien zu leiten. Beide beſchränkten ſich darauf, die Beſchlüſſe der ſachkundigen Räthe mit ihrer Unterſchrift zu verſehn und nach Möglichkeit die Divergenzen zu vermitteln, in welche die Beſchlüſſe der theils liberalen, theils in engen Reſſort-Geſichtspunkten befangenen Räthe mit der Politik des Königs und des Staatsminiſteriums gerathen konnten. Die ſehr ſachkundigen Mitglieder des Finanzminiſteriums gehörten inner¬ lich der Mehrzahl nach der Oppoſition gegen das Conflictsmini¬ ſterium an und betrachteten es als eine kurze Epiſode in der libe¬ ralen Fortbildung der bürokratiſchen Regirungsmaſchine; und wenn die tüchtigſten unter ihnen zu gewiſſenhaft waren, um die Thätig¬ keit der Regirung zu hemmen, ſo leiſteten ſie doch einen paſſiven Widerſtand, wo ihr amtliches Pflichtgefühl ihnen einen ſolchen er¬ laubte, der immerhin nicht unerheblich war. Aus dieſer Sachlage
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Vierzehntes Kapitel.
Conflicts-Miniſterium.
I.
Bei der Vertheilung der Miniſterien, wofür die Auswahl an
Candidaten klein war, verurſachte das Finanzminiſterium den ge¬
ringſten Aufenthalt; es wurde Herrn Karl von Bodelſchwingh —
Bruder des im März 1848 abgetretenen Miniſters des Innern,
Ernſt von Bodelſchwingh — zugetheilt, der es bereits unter Man¬
teuffel von 1851 bis 1858 gehabt hatte. Es zeigte ſich freilich
bald, daß er und der Graf Itzenplitz, dem das Handelsminiſterium
zufiel, nicht im Stande waren, ihre Miniſterien zu leiten. Beide
beſchränkten ſich darauf, die Beſchlüſſe der ſachkundigen Räthe mit
ihrer Unterſchrift zu verſehn und nach Möglichkeit die Divergenzen
zu vermitteln, in welche die Beſchlüſſe der theils liberalen, theils
in engen Reſſort-Geſichtspunkten befangenen Räthe mit der Politik
des Königs und des Staatsminiſteriums gerathen konnten. Die
ſehr ſachkundigen Mitglieder des Finanzminiſteriums gehörten inner¬
lich der Mehrzahl nach der Oppoſition gegen das Conflictsmini¬
ſterium an und betrachteten es als eine kurze Epiſode in der libe¬
ralen Fortbildung der bürokratiſchen Regirungsmaſchine; und wenn
die tüchtigſten unter ihnen zu gewiſſenhaft waren, um die Thätig¬
keit der Regirung zu hemmen, ſo leiſteten ſie doch einen paſſiven
Widerſtand, wo ihr amtliches Pflichtgefühl ihnen einen ſolchen er¬
laubte, der immerhin nicht unerheblich war. Aus dieſer Sachlage
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. [297]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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