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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Elftes Kapitel: Zwischenzustand.
es wenigstens bis 1875 zu sein. Schaffen Sie mir diese oder jede
andre Gewißheit, und ich male Engelsflügel an Ihre Photographie! --

Was verstehn Sie unter ,Ende dieser Session'? Läßt sich
das so bestimmt voraussehn, wird sie nicht in die Wintersession
ohne Pause übergehn? Und kann man die Kammern schließen
ohne Resultat über das Budget? Ich will die Frage nicht grade
verneinen, es kommt auf den Feldzugsplan an.

Ich reise eben nach Montpellier ab, von dort über Lyon nach
Paris. Bitte schreiben Sie mir dahin, und grüßen Sie herzlich
die Ihrigen. In treuer Freundschaft Ihr v. B." 1)

In Paris erhielt ich folgendes Telegramm, dessen Unterschrift
auf einer Verabredung beruhte:

Berlin, le 18 Septembre.
Periculum in mora. Depechez-vous.

L'oncle de Maurice Henning.

Henning war der zweite Vorname Moritz Blanckenburgs, des
Neffen von Roon. Obwohl es die Fassung zweifelhaft ließ, ob die
Aufforderung aus der eignen Initiative Roons hervorgegangen oder
von dem Könige veranlaßt war, zögerte ich nicht abzureisen.

Am 20. September Morgens in Berlin angelangt, wurde
ich zu dem Kronprinzen beschieden. Auf seine Frage, wie ich die
Situation ansähe, konnte ich nur sehr zurückhaltend antworten,
weil ich während der letzten Wochen keine deutschen Zeitungen ge¬
lesen und in einer Art von depit mich über heimische Angelegen¬
heiten nicht informirt hatte. Meine Verstimmung hatte ihren Grund
darin, daß der König mir in Aussicht gestellt hatte, mir in spätestens
sechs Wochen Gewißheit über meine Zukunft, d. h. darüber zu geben,
ob ich in Berlin, Paris oder London mein Domizil haben sollte,
daß darüber aber schon ein Vierteljahr verflossen war, und ich im

1) S. Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 359 ff., Roon's Denkwürdigkeiten
II 4 117 ff.

Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand.
es wenigſtens bis 1875 zu ſein. Schaffen Sie mir dieſe oder jede
andre Gewißheit, und ich male Engelsflügel an Ihre Photographie! —

Was verſtehn Sie unter ‚Ende dieſer Seſſion‘? Läßt ſich
das ſo beſtimmt vorausſehn, wird ſie nicht in die Winterſeſſion
ohne Pauſe übergehn? Und kann man die Kammern ſchließen
ohne Reſultat über das Budget? Ich will die Frage nicht grade
verneinen, es kommt auf den Feldzugsplan an.

Ich reiſe eben nach Montpellier ab, von dort über Lyon nach
Paris. Bitte ſchreiben Sie mir dahin, und grüßen Sie herzlich
die Ihrigen. In treuer Freundſchaft Ihr v. B.“ 1)

In Paris erhielt ich folgendes Telegramm, deſſen Unterſchrift
auf einer Verabredung beruhte:

Berlin, le 18 Septembre.
Periculum in mora. Dépêchez-vous.

L'oncle de Maurice Henning.

Henning war der zweite Vorname Moritz Blanckenburgs, des
Neffen von Roon. Obwohl es die Faſſung zweifelhaft ließ, ob die
Aufforderung aus der eignen Initiative Roons hervorgegangen oder
von dem Könige veranlaßt war, zögerte ich nicht abzureiſen.

Am 20. September Morgens in Berlin angelangt, wurde
ich zu dem Kronprinzen beſchieden. Auf ſeine Frage, wie ich die
Situation anſähe, konnte ich nur ſehr zurückhaltend antworten,
weil ich während der letzten Wochen keine deutſchen Zeitungen ge¬
leſen und in einer Art von dépit mich über heimiſche Angelegen¬
heiten nicht informirt hatte. Meine Verſtimmung hatte ihren Grund
darin, daß der König mir in Ausſicht geſtellt hatte, mir in ſpäteſtens
ſechs Wochen Gewißheit über meine Zukunft, d. h. darüber zu geben,
ob ich in Berlin, Paris oder London mein Domizil haben ſollte,
daß darüber aber ſchon ein Vierteljahr verfloſſen war, und ich im

1) S. Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 359 ff., Roon's Denkwürdigkeiten
II 4 117 ff.
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[266/0293] Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand. es wenigſtens bis 1875 zu ſein. Schaffen Sie mir dieſe oder jede andre Gewißheit, und ich male Engelsflügel an Ihre Photographie! — Was verſtehn Sie unter ‚Ende dieſer Seſſion‘? Läßt ſich das ſo beſtimmt vorausſehn, wird ſie nicht in die Winterſeſſion ohne Pauſe übergehn? Und kann man die Kammern ſchließen ohne Reſultat über das Budget? Ich will die Frage nicht grade verneinen, es kommt auf den Feldzugsplan an. Ich reiſe eben nach Montpellier ab, von dort über Lyon nach Paris. Bitte ſchreiben Sie mir dahin, und grüßen Sie herzlich die Ihrigen. In treuer Freundſchaft Ihr v. B.“ 1) In Paris erhielt ich folgendes Telegramm, deſſen Unterſchrift auf einer Verabredung beruhte: Berlin, le 18 Septembre. Periculum in mora. Dépêchez-vous. L'oncle de Maurice Henning. Henning war der zweite Vorname Moritz Blanckenburgs, des Neffen von Roon. Obwohl es die Faſſung zweifelhaft ließ, ob die Aufforderung aus der eignen Initiative Roons hervorgegangen oder von dem Könige veranlaßt war, zögerte ich nicht abzureiſen. Am 20. September Morgens in Berlin angelangt, wurde ich zu dem Kronprinzen beſchieden. Auf ſeine Frage, wie ich die Situation anſähe, konnte ich nur ſehr zurückhaltend antworten, weil ich während der letzten Wochen keine deutſchen Zeitungen ge¬ leſen und in einer Art von dépit mich über heimiſche Angelegen¬ heiten nicht informirt hatte. Meine Verſtimmung hatte ihren Grund darin, daß der König mir in Ausſicht geſtellt hatte, mir in ſpäteſtens ſechs Wochen Gewißheit über meine Zukunft, d. h. darüber zu geben, ob ich in Berlin, Paris oder London mein Domizil haben ſollte, daß darüber aber ſchon ein Vierteljahr verfloſſen war, und ich im 1) S. Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 359 ff., Roon's Denkwürdigkeiten II 4 117 ff.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/293>, abgerufen am 22.11.2024.