Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Briefwechsel mit Roon über die Huldigungsfrage. steht. Wird der König zu solchem Mittel im Winter greifen wollen,wenn's paßt? Ich glaube nicht an gute Wahlen für dießmal, ob¬ schon grade die Huldigungen dem Könige manches Mittel gewähren, darauf zu wirken. Aber rechtzeitige Auflösung, nach handgreiflichen Ausschreitungen der Majorität, ist ein sehr heilsames Mittel, viel¬ leicht das richtigste, zu dem man gelangen kann, um gesunden Blut¬ umlauf herzustellen. Ich kann mich schriftlich über eine Situation, die ich nur Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen gesehn, als ich am 1) Vollständig in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 304 ff., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 28 ff. 2) Bismarck-Jahrbuch VI 196 ff.
Briefwechſel mit Roon über die Huldigungsfrage. ſteht. Wird der König zu ſolchem Mittel im Winter greifen wollen,wenn's paßt? Ich glaube nicht an gute Wahlen für dießmal, ob¬ ſchon grade die Huldigungen dem Könige manches Mittel gewähren, darauf zu wirken. Aber rechtzeitige Auflöſung, nach handgreiflichen Ausſchreitungen der Majorität, iſt ein ſehr heilſames Mittel, viel¬ leicht das richtigſte, zu dem man gelangen kann, um geſunden Blut¬ umlauf herzuſtellen. Ich kann mich ſchriftlich über eine Situation, die ich nur Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen geſehn, als ich am 1) Vollſtändig in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 304 ff., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 28 ff. 2) Bismarck-Jahrbuch VI 196 ff.
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Briefwechſel mit Roon über die Huldigungsfrage.
ſteht. Wird der König zu ſolchem Mittel im Winter greifen wollen,
wenn's paßt? Ich glaube nicht an gute Wahlen für dießmal, ob¬
ſchon grade die Huldigungen dem Könige manches Mittel gewähren,
darauf zu wirken. Aber rechtzeitige Auflöſung, nach handgreiflichen
Ausſchreitungen der Majorität, iſt ein ſehr heilſames Mittel, viel¬
leicht das richtigſte, zu dem man gelangen kann, um geſunden Blut¬
umlauf herzuſtellen.
Ich kann mich ſchriftlich über eine Situation, die ich nur
ungenügend kenne, nicht erſchöpfend ausſprechen, mag auch Manches
nicht zu Papier bringen, was ich ſagen möchte. Nachdem der
Urlaub heut bewilligt, reiſe ich Sonnabend zu Waſſer, und hoffe
Dienſtag früh in Lübeck zu ſein, Abend in Berlin. Früher kann
ich nicht, weil der Kaiſer mich noch ſehn will. Dieſe Zeilen nimmt
der engliſche Courier wieder mit. Mündlich alſo Näheres. Bitte
mich der Frau Gemalin herzlich zu empfehlen. In treuer Freund¬
ſchaft der Ihrige
v. Bismarck.“ 1)
Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen geſehn, als ich am
9. Juli in Lübeck um fünf Uhr Morgens eintraf und aus der im
Bahnhofe allein vorhandnen ſchwediſchen Yſtädter Zeitung erſah,
daß der König und die Miniſter Berlin verlaſſen hatten, die Kriſis
alſo beigelegt ſein mußte. Am 3. Juli hatte der König das Manifeſt
erlaſſen, daß er das Herkommen der Erbhuldigung feſthalte, aber
in Betracht der Veränderungen, welche in der Verfaſſung der
Monarchie unter der Regirung ſeines Bruders eingetreten, be¬
ſchloſſen habe, anſtatt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu
erneuern, durch welche die erbliche Königswürde begründet ſei.
Ueber den Verlauf der Kriſis ſchrieb mir Roon am 24. Juli von
Brunnen (Kanton Schwyz) 2):
1)
Vollſtändig in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 304 ff., jetzt auch in
Roon's Denkwürdigkeiten II 4 28 ff.
2)
Bismarck-Jahrbuch VI 196 ff.
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