Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft.
zwischen die Mittheilung geworden war, daß Keudell mit Ihrem
Vorwissen Usedom aufgefordert, einen Schritt entgegen zu thun.
Und dennoch, ehe noch eine Antwort aus Turin anlangte, befragte
ich Sie schon am 21. Februar, wie Sie Sich die Wiederbesetzung
dieses Gesandtschaftspostens dächten, womit ich also aussprach, daß
ich auf die Vacantwerdung desselben einginge. Und dennoch thaten
Sie schon am 22. d. M. den entscheidenden Schritt gegen Wehr¬
mann, zu welchem die Usedomiade mit Veranlassung sein sollte.
Eine andre Veranlassung wollen Sie in dem Umstande finden,
daß ich nach Empfang des Staatsministerialberichts in der An¬
gelegenheit Fa/M, vor Feststellung meiner Ansicht, nicht noch Ein¬
mal Ihren Vortrag verlangt hätte. Da aber Ihre und der
Staatsminister Gründe so entscheidend durch Vorlage des Gesetz¬
entwurfs und den Begleitungsbericht dargelegt waren, ja, meine
Unterschrift in derselben Stunde verlangt wurde, als mir diese
Vorlage gemacht ward, um sie sofort in die Kammer zu bringen,
so schien mir nochmaliger Vortrag nicht angezeigt, um meine An¬
sicht und Absicht festzustellen. Wäre mir, bevor im Staats-
Ministerium dieser in der Fa/M Frage einzuschlagende Weg, der
ganz von meiner früheren Kundgebung abwich, festgestellt wurde,
Vortrag gehalten worden*), so würde durch Ideen Aus¬
tausch ein Ausweg aus den verschiedenen Auffassungen erzielt
worden sein und die Divergenz und der Mangel des Zu¬
sammenwirkens, das Umarbeiten etc., was Sie mit Recht so sehr
bedauern, zu vermeiden gewesen. Alles was Sie bei dieser Ge¬
legenheit über die Schwierigkeit des Imgangehaltens der constitutio¬
nellen
Staatsmaschine sagen u. s. w., unterschreibe ich durchaus, nur
kann ich die Ansicht nicht gelten lassen, daß mein so nöthiges
Vertrauen zu Ihnen und den anderen Räthen der Krone mangele.
Sie selbst sagen, daß es zum erstenmal vorkomme seit 1862, daß
eine Differenz eingetreten sei zwischen uns, und das sollte genügen

*) Dazu wäre Freiheit der Zeit erforderlich gewesen.

Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft.
zwiſchen die Mittheilung geworden war, daß Keudell mit Ihrem
Vorwiſſen Uſedom aufgefordert, einen Schritt entgegen zu thun.
Und dennoch, ehe noch eine Antwort aus Turin anlangte, befragte
ich Sie ſchon am 21. Februar, wie Sie Sich die Wiederbeſetzung
dieſes Geſandtſchaftspoſtens dächten, womit ich alſo ausſprach, daß
ich auf die Vacantwerdung deſſelben einginge. Und dennoch thaten
Sie ſchon am 22. d. M. den entſcheidenden Schritt gegen Wehr¬
mann, zu welchem die Uſedomiade mit Veranlaſſung ſein ſollte.
Eine andre Veranlaſſung wollen Sie in dem Umſtande finden,
daß ich nach Empfang des Staatsminiſterialberichts in der An¬
gelegenheit Fa/M, vor Feſtſtellung meiner Anſicht, nicht noch Ein¬
mal Ihren Vortrag verlangt hätte. Da aber Ihre und der
Staatsminiſter Gründe ſo entſcheidend durch Vorlage des Geſetz¬
entwurfs und den Begleitungsbericht dargelegt waren, ja, meine
Unterſchrift in derſelben Stunde verlangt wurde, als mir dieſe
Vorlage gemacht ward, um ſie ſofort in die Kammer zu bringen,
ſo ſchien mir nochmaliger Vortrag nicht angezeigt, um meine An¬
ſicht und Abſicht feſtzuſtellen. Wäre mir, bevor im Staats-
Miniſterium dieſer in der Fa/M Frage einzuſchlagende Weg, der
ganz von meiner früheren Kundgebung abwich, feſtgeſtellt wurde,
Vortrag gehalten worden*), ſo würde durch Idéen Aus¬
tauſch ein Ausweg aus den verſchiedenen Auffaſſungen erzielt
worden ſein und die Divergenz und der Mangel des Zu¬
ſammenwirkens, das Umarbeiten ꝛc., was Sie mit Recht ſo ſehr
bedauern, zu vermeiden geweſen. Alles was Sie bei dieſer Ge¬
legenheit über die Schwierigkeit des Imgangehaltens der constitutio¬
nellen
Staatsmaſchine ſagen u. ſ. w., unterſchreibe ich durchaus, nur
kann ich die Anſicht nicht gelten laſſen, daß mein ſo nöthiges
Vertrauen zu Ihnen und den anderen Räthen der Krone mangele.
Sie ſelbſt ſagen, daß es zum erſtenmal vorkomme ſeit 1862, daß
eine Différenz eingetreten ſei zwiſchen uns, und das ſollte genügen

*) Dazu wäre Freiheit der Zeit erforderlich geweſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="208"/><fw place="top" type="header">Neuntes Kapitel: Rei&#x017F;en. Regent&#x017F;chaft.<lb/></fw> zwi&#x017F;chen die Mittheilung geworden war, daß Keudell mit Ihrem<lb/>
Vorwi&#x017F;&#x017F;en U&#x017F;edom aufgefordert, einen Schritt entgegen zu thun.<lb/>
Und dennoch, ehe noch eine Antwort aus Turin anlangte, befragte<lb/>
ich Sie &#x017F;chon am 21. Februar, wie Sie Sich die Wiederbe&#x017F;etzung<lb/>
die&#x017F;es Ge&#x017F;andt&#x017F;chaftspo&#x017F;tens dächten, womit ich al&#x017F;o aus&#x017F;prach, daß<lb/>
ich auf die Vacantwerdung de&#x017F;&#x017F;elben einginge. Und dennoch thaten<lb/>
Sie &#x017F;chon am 22. d. M. den ent&#x017F;cheidenden Schritt gegen Wehr¬<lb/>
mann, zu welchem die U&#x017F;edomiade mit Veranla&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ein &#x017F;ollte.<lb/>
Eine andre Veranla&#x017F;&#x017F;ung wollen Sie in dem Um&#x017F;tande finden,<lb/>
daß ich nach Empfang des Staatsmini&#x017F;terialberichts in der An¬<lb/>
gelegenheit <hi rendition="#aq">Fa/M</hi>, vor Fe&#x017F;t&#x017F;tellung meiner An&#x017F;icht, nicht noch Ein¬<lb/>
mal Ihren Vortrag verlangt hätte. Da aber Ihre und der<lb/>
Staatsmini&#x017F;ter Gründe &#x017F;o ent&#x017F;cheidend durch Vorlage des Ge&#x017F;etz¬<lb/>
entwurfs und den Begleitungsbericht dargelegt waren, ja, meine<lb/>
Unter&#x017F;chrift in der&#x017F;elben Stunde verlangt wurde, als mir die&#x017F;e<lb/>
Vorlage gemacht ward, um &#x017F;ie &#x017F;ofort in die Kammer zu bringen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chien mir nochmaliger Vortrag nicht angezeigt, um meine An¬<lb/>
&#x017F;icht und Ab&#x017F;icht fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen. Wäre mir, <hi rendition="#g">bevor</hi> im Staats-<lb/>
Mini&#x017F;terium die&#x017F;er in der <hi rendition="#aq">Fa/M</hi> Frage einzu&#x017F;chlagende Weg, der<lb/>
ganz von meiner früheren Kundgebung abwich, fe&#x017F;tge&#x017F;tellt wurde,<lb/>
Vortrag gehalten worden<note place="foot" n="*)"><lb/>
Dazu wäre Freiheit der Zeit erforderlich gewe&#x017F;en.</note>, &#x017F;o würde durch <hi rendition="#aq">Idéen</hi> Aus¬<lb/>
tau&#x017F;ch ein Ausweg aus den ver&#x017F;chiedenen Auffa&#x017F;&#x017F;ungen erzielt<lb/>
worden &#x017F;ein und die <hi rendition="#aq">Divergenz</hi> und der Mangel des Zu¬<lb/>
&#x017F;ammenwirkens, das Umarbeiten &#xA75B;c., was Sie mit Recht &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
bedauern, zu vermeiden gewe&#x017F;en. Alles was Sie bei die&#x017F;er Ge¬<lb/>
legenheit über die Schwierigkeit des Imgangehaltens der <hi rendition="#aq">constitutio¬<lb/>
nellen</hi> Staatsma&#x017F;chine &#x017F;agen u. &#x017F;. w., unter&#x017F;chreibe ich durchaus, nur<lb/>
kann ich die An&#x017F;icht nicht gelten la&#x017F;&#x017F;en, daß <hi rendition="#g">mein</hi> &#x017F;o nöthiges<lb/>
Vertrauen zu Ihnen und den anderen Räthen der Krone mangele.<lb/>
Sie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agen, daß es zum er&#x017F;tenmal vorkomme &#x017F;eit 1862, daß<lb/>
eine <hi rendition="#aq">Différenz</hi> eingetreten &#x017F;ei zwi&#x017F;chen uns, und das &#x017F;ollte genügen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0235] Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft. zwiſchen die Mittheilung geworden war, daß Keudell mit Ihrem Vorwiſſen Uſedom aufgefordert, einen Schritt entgegen zu thun. Und dennoch, ehe noch eine Antwort aus Turin anlangte, befragte ich Sie ſchon am 21. Februar, wie Sie Sich die Wiederbeſetzung dieſes Geſandtſchaftspoſtens dächten, womit ich alſo ausſprach, daß ich auf die Vacantwerdung deſſelben einginge. Und dennoch thaten Sie ſchon am 22. d. M. den entſcheidenden Schritt gegen Wehr¬ mann, zu welchem die Uſedomiade mit Veranlaſſung ſein ſollte. Eine andre Veranlaſſung wollen Sie in dem Umſtande finden, daß ich nach Empfang des Staatsminiſterialberichts in der An¬ gelegenheit Fa/M, vor Feſtſtellung meiner Anſicht, nicht noch Ein¬ mal Ihren Vortrag verlangt hätte. Da aber Ihre und der Staatsminiſter Gründe ſo entſcheidend durch Vorlage des Geſetz¬ entwurfs und den Begleitungsbericht dargelegt waren, ja, meine Unterſchrift in derſelben Stunde verlangt wurde, als mir dieſe Vorlage gemacht ward, um ſie ſofort in die Kammer zu bringen, ſo ſchien mir nochmaliger Vortrag nicht angezeigt, um meine An¬ ſicht und Abſicht feſtzuſtellen. Wäre mir, bevor im Staats- Miniſterium dieſer in der Fa/M Frage einzuſchlagende Weg, der ganz von meiner früheren Kundgebung abwich, feſtgeſtellt wurde, Vortrag gehalten worden *), ſo würde durch Idéen Aus¬ tauſch ein Ausweg aus den verſchiedenen Auffaſſungen erzielt worden ſein und die Divergenz und der Mangel des Zu¬ ſammenwirkens, das Umarbeiten ꝛc., was Sie mit Recht ſo ſehr bedauern, zu vermeiden geweſen. Alles was Sie bei dieſer Ge¬ legenheit über die Schwierigkeit des Imgangehaltens der constitutio¬ nellen Staatsmaſchine ſagen u. ſ. w., unterſchreibe ich durchaus, nur kann ich die Anſicht nicht gelten laſſen, daß mein ſo nöthiges Vertrauen zu Ihnen und den anderen Räthen der Krone mangele. Sie ſelbſt ſagen, daß es zum erſtenmal vorkomme ſeit 1862, daß eine Différenz eingetreten ſei zwiſchen uns, und das ſollte genügen *) Dazu wäre Freiheit der Zeit erforderlich geweſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/235
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/235>, abgerufen am 14.05.2024.