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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Usedomiana; das Abschiedsgesuch von 1869.
dringlicher Art ich Sie im Dezember v. J. bei Wiederübernahme
der Geschäfte aufforderte, Sich jede mögliche Erleichterung zu ver¬
schaffen, damit Sie nicht von Neuem der vorauszusehenden Last
und Masse der Arbeit unterlägen. Leider scheint es, daß Sie
eine solche Erleichterung (nicht einmal die Abbürdung Lauenburgs)
nicht für angänglich gefunden haben und daß meine desfallsigen
Befürchtungen sich in erhöhtem Maße bewahrheitet haben, und
zwar in einem solchen Grade, daß Sie zu unheilvollen Gedanken
und Beschlüssen gelangen sollten. Wenn Ihrer Schilderung nach
nun noch Erschwernisse in Bewältigung einzelner Geschäftsmomente
eingetreten sind, so bedauert das Niemand mehr wie ich. Eine
derselben ist die Stellung Sulzers1). Schon vor längerer Zeit habe
ich die Hand zu dessen anderweitigen Placirung gebothen, so daß
es meine Schuld nicht ist, wenn dieselbe nicht erfolgt ist, nachdem
Eulenburg sich selbst auch von derselben überzeugt hat. Wenn eine
ähnliche Geschäftsvermehrung Ihnen die Usedom'sche Angelegenheit
verursachte, so kann dies auch mir nicht zur Last gelegt werden,
da dessen Vertheidigungsschrift, die ich doch nicht veranlassen konnte,
eine Beleuchtung Ihrerseits verlangte. Wenn ich nicht sofort auf
die Erledigung des von Ihnen beantragten Gegenstandes einging,
so mußten Sie wohl aus der Überraschung, welche ich Ihrer Mit¬
theilung entgegenbrachte, als Sie mir Ihren bereits gethanen
Schritt gegen Usedom anzeigten, darauf vorbereitet sein. Es waren
Mitte Januar, als Sie mir diese Anzeige machten, kaum drei
Monate verflossen, seitdem die La Marmora'sche Episode sich an¬
fing
zu beruhigen, so daß meine Ihnen im Sommer geschriebene
Ansicht über Usedoms Verbleiben in Turin noch dieselbe war.
Die mir unter dem 14. Februar gemachten Mittheilungen über
Usedoms Geschäfts-Betrieb, der seine Enthebung vom Amte nun¬
mehr erfordere, wenn nicht eine disciplinar Untersuchung gegen ihn
verhängt werden solle, ließ ich einige Tage ruhen, da mir in¬

1) Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern.

Uſedomiana; das Abſchiedsgeſuch von 1869.
dringlicher Art ich Sie im Dezember v. J. bei Wiederübernahme
der Geſchäfte aufforderte, Sich jede mögliche Erleichterung zu ver¬
ſchaffen, damit Sie nicht von Neuem der vorauszuſehenden Laſt
und Maſſe der Arbeit unterlägen. Leider ſcheint es, daß Sie
eine ſolche Erleichterung (nicht einmal die Abbürdung Lauenburgs)
nicht für angänglich gefunden haben und daß meine desfallſigen
Befürchtungen ſich in erhöhtem Maße bewahrheitet haben, und
zwar in einem ſolchen Grade, daß Sie zu unheilvollen Gedanken
und Beſchlüſſen gelangen ſollten. Wenn Ihrer Schilderung nach
nun noch Erſchwerniſſe in Bewältigung einzelner Geſchäftsmomente
eingetreten ſind, ſo bedauert das Niemand mehr wie ich. Eine
derſelben iſt die Stellung Sulzers1). Schon vor längerer Zeit habe
ich die Hand zu deſſen anderweitigen Placirung gebothen, ſo daß
es meine Schuld nicht iſt, wenn dieſelbe nicht erfolgt iſt, nachdem
Eulenburg ſich ſelbſt auch von derſelben überzeugt hat. Wenn eine
ähnliche Geſchäftsvermehrung Ihnen die Uſedom'ſche Angelegenheit
verurſachte, ſo kann dies auch mir nicht zur Laſt gelegt werden,
da deſſen Vertheidigungsſchrift, die ich doch nicht veranlaſſen konnte,
eine Beleuchtung Ihrerſeits verlangte. Wenn ich nicht ſofort auf
die Erledigung des von Ihnen beantragten Gegenſtandes einging,
ſo mußten Sie wohl aus der Überraſchung, welche ich Ihrer Mit¬
theilung entgegenbrachte, als Sie mir Ihren bereits gethanen
Schritt gegen Uſedom anzeigten, darauf vorbereitet ſein. Es waren
Mitte Januar, als Sie mir dieſe Anzeige machten, kaum drei
Monate verfloſſen, ſeitdem die La Marmora'ſche Episode ſich an¬
fing
zu beruhigen, ſo daß meine Ihnen im Sommer geſchriebene
Anſicht über Uſedoms Verbleiben in Turin noch dieſelbe war.
Die mir unter dem 14. Februar gemachten Mittheilungen über
Uſedoms Geſchäfts-Betrieb, der ſeine Enthebung vom Amte nun¬
mehr erfordere, wenn nicht eine disciplinar Unterſuchung gegen ihn
verhängt werden ſolle, ließ ich einige Tage ruhen, da mir in¬

1) Unterſtaatsſekretär im Miniſterium des Innern.
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[207/0234] Uſedomiana; das Abſchiedsgeſuch von 1869. dringlicher Art ich Sie im Dezember v. J. bei Wiederübernahme der Geſchäfte aufforderte, Sich jede mögliche Erleichterung zu ver¬ ſchaffen, damit Sie nicht von Neuem der vorauszuſehenden Laſt und Maſſe der Arbeit unterlägen. Leider ſcheint es, daß Sie eine ſolche Erleichterung (nicht einmal die Abbürdung Lauenburgs) nicht für angänglich gefunden haben und daß meine desfallſigen Befürchtungen ſich in erhöhtem Maße bewahrheitet haben, und zwar in einem ſolchen Grade, daß Sie zu unheilvollen Gedanken und Beſchlüſſen gelangen ſollten. Wenn Ihrer Schilderung nach nun noch Erſchwerniſſe in Bewältigung einzelner Geſchäftsmomente eingetreten ſind, ſo bedauert das Niemand mehr wie ich. Eine derſelben iſt die Stellung Sulzers 1). Schon vor längerer Zeit habe ich die Hand zu deſſen anderweitigen Placirung gebothen, ſo daß es meine Schuld nicht iſt, wenn dieſelbe nicht erfolgt iſt, nachdem Eulenburg ſich ſelbſt auch von derſelben überzeugt hat. Wenn eine ähnliche Geſchäftsvermehrung Ihnen die Uſedom'ſche Angelegenheit verurſachte, ſo kann dies auch mir nicht zur Laſt gelegt werden, da deſſen Vertheidigungsſchrift, die ich doch nicht veranlaſſen konnte, eine Beleuchtung Ihrerſeits verlangte. Wenn ich nicht ſofort auf die Erledigung des von Ihnen beantragten Gegenſtandes einging, ſo mußten Sie wohl aus der Überraſchung, welche ich Ihrer Mit¬ theilung entgegenbrachte, als Sie mir Ihren bereits gethanen Schritt gegen Uſedom anzeigten, darauf vorbereitet ſein. Es waren Mitte Januar, als Sie mir dieſe Anzeige machten, kaum drei Monate verfloſſen, ſeitdem die La Marmora'ſche Episode ſich an¬ fing zu beruhigen, ſo daß meine Ihnen im Sommer geſchriebene Anſicht über Uſedoms Verbleiben in Turin noch dieſelbe war. Die mir unter dem 14. Februar gemachten Mittheilungen über Uſedoms Geſchäfts-Betrieb, der ſeine Enthebung vom Amte nun¬ mehr erfordere, wenn nicht eine disciplinar Unterſuchung gegen ihn verhängt werden ſolle, ließ ich einige Tage ruhen, da mir in¬ 1) Unterſtaatsſekretär im Miniſterium des Innern.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/234>, abgerufen am 13.05.2024.