Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. keinen langen. Wir haben ja schon einmal Deutschland unter russisch¬französischem Einflusse gesehen 1801-1803, wo die Bisthümer säcularisirt und nach Pariser und Petersburger Vorschriften ver¬ theilt wurden; Preußen, was sich damals gut mit den beiden Staaten und schlecht mit Oesterreich und England stand, erhielt auch etwas ab bei der Theilung, aber nicht viel und sein Einfluß war ge¬ ringer als je. L. v. G." Ohne näher auf seinen Brief einzugehn, schrieb ich dem Ge¬ "... Berliner Nachrichten sagen mir, daß man mich am Hofe Briefwechſel mit Gerlach über Frankreich. keinen langen. Wir haben ja ſchon einmal Deutſchland unter ruſſiſch¬franzöſiſchem Einfluſſe geſehen 1801-1803, wo die Bisthümer ſäculariſirt und nach Pariſer und Petersburger Vorſchriften ver¬ theilt wurden; Preußen, was ſich damals gut mit den beiden Staaten und ſchlecht mit Oeſterreich und England ſtand, erhielt auch etwas ab bei der Theilung, aber nicht viel und ſein Einfluß war ge¬ ringer als je. L. v. G.“ Ohne näher auf ſeinen Brief einzugehn, ſchrieb ich dem Ge¬ „... Berliner Nachrichten ſagen mir, daß man mich am Hofe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0198" n="171"/><fw place="top" type="header">Briefwechſel mit Gerlach über Frankreich.<lb/></fw> keinen langen. Wir haben ja ſchon einmal Deutſchland unter ruſſiſch¬<lb/> franzöſiſchem Einfluſſe geſehen 1801-1803, wo die Bisthümer<lb/> ſäculariſirt und nach Pariſer und Petersburger Vorſchriften ver¬<lb/> theilt wurden; Preußen, was ſich damals gut mit den beiden Staaten<lb/> und ſchlecht mit Oeſterreich und England ſtand, erhielt auch etwas<lb/> ab bei der Theilung, aber nicht viel und ſein Einfluß war ge¬<lb/> ringer als je. L. v. G.“</p><lb/> <p>Ohne näher auf ſeinen Brief einzugehn, ſchrieb ich dem Ge¬<lb/> neral am 11. Mai:</p><lb/> <p>„... Berliner Nachrichten ſagen mir, daß man mich am Hofe<lb/> als Bonapartiſten bezeichnet. Man thut mir Unrecht damit. Im<lb/> Jahre 50 wurde ich von unſern Gegnern verrätheriſcher Hin¬<lb/> neigung zu Oeſtreich angeklagt, und man nannte uns die Wiener<lb/> in Berlin; ſpäter fand man, daß wir nach Juchten rochen, und<lb/> nannte uns Spreekoſaken. Ich habe damals auf die Frage, ob<lb/> ich ruſſiſch oder weſtmächtlich ſei, ſtets geantwortet, ich bin Preußiſch,<lb/> und mein Ideal für auswärtige Politiker iſt die Vorurtheilsfrei¬<lb/> heit, die Unabhängigkeit der Entſchließungen von den Eindrücken<lb/> der Abneigung oder Vorliebe für fremde Staaten und deren Re¬<lb/> genten. Ich habe, was das Ausland anbelangt, in meinem Leben<lb/> nur für England und ſeine Bewohner Sympathie gehabt und bin<lb/> ſtundenweis noch nicht frei davon; aber die Leute wollen ſich ja von<lb/> uns nicht lieben laſſen, und ich würde, ſobald man mir nachweiſt,<lb/> daß es im Intereſſe einer geſunden und wohldurchdachten preußi¬<lb/> ſchen Politik liegt, unſre Truppen mit derſelben Genugthuung auf<lb/> die franzöſiſchen, ruſſiſchen, engliſchen oder öſtreichiſchen feuern<lb/> ſehen. In Friedenszeiten halte ich es für muthwillige Selbſt¬<lb/> ſchwächung, ſich Verſtimmungen zuzuziehn oder ſolche zu unter¬<lb/> halten, ohne daß man einen praktiſchen politiſchen Zweck damit<lb/> verbindet, und die Freiheit ſeiner künftigen Entſchließungen und<lb/> Verbindungen vagen und unerwiderten Sympathien zu opfern,<lb/> Conceſſionen, wie ſie Oeſtreich jetzt in Betreff Raſtatts von uns<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0198]
Briefwechſel mit Gerlach über Frankreich.
keinen langen. Wir haben ja ſchon einmal Deutſchland unter ruſſiſch¬
franzöſiſchem Einfluſſe geſehen 1801-1803, wo die Bisthümer
ſäculariſirt und nach Pariſer und Petersburger Vorſchriften ver¬
theilt wurden; Preußen, was ſich damals gut mit den beiden Staaten
und ſchlecht mit Oeſterreich und England ſtand, erhielt auch etwas
ab bei der Theilung, aber nicht viel und ſein Einfluß war ge¬
ringer als je. L. v. G.“
Ohne näher auf ſeinen Brief einzugehn, ſchrieb ich dem Ge¬
neral am 11. Mai:
„... Berliner Nachrichten ſagen mir, daß man mich am Hofe
als Bonapartiſten bezeichnet. Man thut mir Unrecht damit. Im
Jahre 50 wurde ich von unſern Gegnern verrätheriſcher Hin¬
neigung zu Oeſtreich angeklagt, und man nannte uns die Wiener
in Berlin; ſpäter fand man, daß wir nach Juchten rochen, und
nannte uns Spreekoſaken. Ich habe damals auf die Frage, ob
ich ruſſiſch oder weſtmächtlich ſei, ſtets geantwortet, ich bin Preußiſch,
und mein Ideal für auswärtige Politiker iſt die Vorurtheilsfrei¬
heit, die Unabhängigkeit der Entſchließungen von den Eindrücken
der Abneigung oder Vorliebe für fremde Staaten und deren Re¬
genten. Ich habe, was das Ausland anbelangt, in meinem Leben
nur für England und ſeine Bewohner Sympathie gehabt und bin
ſtundenweis noch nicht frei davon; aber die Leute wollen ſich ja von
uns nicht lieben laſſen, und ich würde, ſobald man mir nachweiſt,
daß es im Intereſſe einer geſunden und wohldurchdachten preußi¬
ſchen Politik liegt, unſre Truppen mit derſelben Genugthuung auf
die franzöſiſchen, ruſſiſchen, engliſchen oder öſtreichiſchen feuern
ſehen. In Friedenszeiten halte ich es für muthwillige Selbſt¬
ſchwächung, ſich Verſtimmungen zuzuziehn oder ſolche zu unter¬
halten, ohne daß man einen praktiſchen politiſchen Zweck damit
verbindet, und die Freiheit ſeiner künftigen Entſchließungen und
Verbindungen vagen und unerwiderten Sympathien zu opfern,
Conceſſionen, wie ſie Oeſtreich jetzt in Betreff Raſtatts von uns
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