es ist doch nicht zu verkennen, daß nur der zuverlässig ist, welcher nach bestimmten Grundsätzen und nicht nach schwankenden Begriffen von Interessen u. s. w. handelt. England und in seiner Art auch Oesterreich waren von 1793 bis 1813 völlig zuverlässig und fanden daher immer Verbündete trotz aller Niederlagen, welche die Fran¬ zosen ihnen beibrachten.
Was nun unsre deutsche Politik anbetrifft, so glaube ich, daß es doch unser Beruf ist, den kleinen Staaten die preußische Ueberlegenheit zu zeigen und sich nicht Alles gefallen zu lassen, so in den Zollvereins-Verhältnissen und bei vielen andern Gelegen¬ heiten, bis zu den Jagdeinladungen, bis zu den Prinzen, die in unsre Dienste treten u. s. w. Hier, d. h. in Deutschland, ist auch der Ort, wo man Oesterreich, wie es mir scheint, entgegentreten muß; gleichzeitig wäre aber auch jede Blöße gegen Oesterreich zu vermeiden. Dies wäre meine Erwiderung auf Ihren Brief.
Wenn ich aber noch über unsre außerdeutsche Politik reden soll, so kann ich es nicht auffallend und auch nicht ängstlich finden, wenn wir da in einer Zeit isolirt stehen, wo alle Verhältnisse auf den Kopf gestellt sind, England und Frankreich für jetzt noch so eng verbunden sind, daß Frankreich nicht den Muth hat, an Sicher¬ heiten gegen die schweizer Radikalen zu denken, weil England es übel nehmen könnte, unterdessen aber dasselbe England in Furcht mit seinen Landungsvorbereitungen setzt und entschiedene Schritte zu einer russischen Allianz macht; Oesterreich in einem Bunde mit England, was dennoch fortwährend Italien aufwiegelt u. s. w. Wohin sollen wir uns da wenden nach Ihrer Ansicht, etwa wie es der hier anwesende Plonplon angedeutet haben soll, zu einer Allianz mit Frankreich und Rußland gegen Oesterreich und England? Aus einer solchen Allianz folgt aber unmittelbar ein überwiegender Ein¬ fluß Frankreichs in Italien, die gänzliche Revolutionirung dieses Landes und ebenfalls ein überwiegender Einfluß von Bonaparte in Deutschland. An diesem Einfluß würde man uns in den unter¬ geordneten Sphären einigen Antheil lassen, aber keinen großen und
Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
es iſt doch nicht zu verkennen, daß nur der zuverläſſig iſt, welcher nach beſtimmten Grundſätzen und nicht nach ſchwankenden Begriffen von Intereſſen u. ſ. w. handelt. England und in ſeiner Art auch Oeſterreich waren von 1793 bis 1813 völlig zuverläſſig und fanden daher immer Verbündete trotz aller Niederlagen, welche die Fran¬ zoſen ihnen beibrachten.
Was nun unſre deutſche Politik anbetrifft, ſo glaube ich, daß es doch unſer Beruf iſt, den kleinen Staaten die preußiſche Ueberlegenheit zu zeigen und ſich nicht Alles gefallen zu laſſen, ſo in den Zollvereins-Verhältniſſen und bei vielen andern Gelegen¬ heiten, bis zu den Jagdeinladungen, bis zu den Prinzen, die in unſre Dienſte treten u. ſ. w. Hier, d. h. in Deutſchland, iſt auch der Ort, wo man Oeſterreich, wie es mir ſcheint, entgegentreten muß; gleichzeitig wäre aber auch jede Blöße gegen Oeſterreich zu vermeiden. Dies wäre meine Erwiderung auf Ihren Brief.
Wenn ich aber noch über unſre außerdeutſche Politik reden ſoll, ſo kann ich es nicht auffallend und auch nicht ängſtlich finden, wenn wir da in einer Zeit iſolirt ſtehen, wo alle Verhältniſſe auf den Kopf geſtellt ſind, England und Frankreich für jetzt noch ſo eng verbunden ſind, daß Frankreich nicht den Muth hat, an Sicher¬ heiten gegen die ſchweizer Radikalen zu denken, weil England es übel nehmen könnte, unterdeſſen aber daſſelbe England in Furcht mit ſeinen Landungsvorbereitungen ſetzt und entſchiedene Schritte zu einer ruſſiſchen Allianz macht; Oeſterreich in einem Bunde mit England, was dennoch fortwährend Italien aufwiegelt u. ſ. w. Wohin ſollen wir uns da wenden nach Ihrer Anſicht, etwa wie es der hier anweſende Plonplon angedeutet haben ſoll, zu einer Allianz mit Frankreich und Rußland gegen Oeſterreich und England? Aus einer ſolchen Allianz folgt aber unmittelbar ein überwiegender Ein¬ fluß Frankreichs in Italien, die gänzliche Revolutionirung dieſes Landes und ebenfalls ein überwiegender Einfluß von Bonaparte in Deutſchland. An dieſem Einfluß würde man uns in den unter¬ geordneten Sphären einigen Antheil laſſen, aber keinen großen und
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Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
es iſt doch nicht zu verkennen, daß nur der zuverläſſig iſt, welcher
nach beſtimmten Grundſätzen und nicht nach ſchwankenden Begriffen
von Intereſſen u. ſ. w. handelt. England und in ſeiner Art auch
Oeſterreich waren von 1793 bis 1813 völlig zuverläſſig und fanden
daher immer Verbündete trotz aller Niederlagen, welche die Fran¬
zoſen ihnen beibrachten.
Was nun unſre deutſche Politik anbetrifft, ſo glaube ich,
daß es doch unſer Beruf iſt, den kleinen Staaten die preußiſche
Ueberlegenheit zu zeigen und ſich nicht Alles gefallen zu laſſen, ſo
in den Zollvereins-Verhältniſſen und bei vielen andern Gelegen¬
heiten, bis zu den Jagdeinladungen, bis zu den Prinzen, die in
unſre Dienſte treten u. ſ. w. Hier, d. h. in Deutſchland, iſt auch
der Ort, wo man Oeſterreich, wie es mir ſcheint, entgegentreten
muß; gleichzeitig wäre aber auch jede Blöße gegen Oeſterreich zu
vermeiden. Dies wäre meine Erwiderung auf Ihren Brief.
Wenn ich aber noch über unſre außerdeutſche Politik reden
ſoll, ſo kann ich es nicht auffallend und auch nicht ängſtlich finden,
wenn wir da in einer Zeit iſolirt ſtehen, wo alle Verhältniſſe auf
den Kopf geſtellt ſind, England und Frankreich für jetzt noch ſo
eng verbunden ſind, daß Frankreich nicht den Muth hat, an Sicher¬
heiten gegen die ſchweizer Radikalen zu denken, weil England es
übel nehmen könnte, unterdeſſen aber daſſelbe England in Furcht
mit ſeinen Landungsvorbereitungen ſetzt und entſchiedene Schritte
zu einer ruſſiſchen Allianz macht; Oeſterreich in einem Bunde mit
England, was dennoch fortwährend Italien aufwiegelt u. ſ. w.
Wohin ſollen wir uns da wenden nach Ihrer Anſicht, etwa wie es
der hier anweſende Plonplon angedeutet haben ſoll, zu einer Allianz
mit Frankreich und Rußland gegen Oeſterreich und England? Aus
einer ſolchen Allianz folgt aber unmittelbar ein überwiegender Ein¬
fluß Frankreichs in Italien, die gänzliche Revolutionirung dieſes
Landes und ebenfalls ein überwiegender Einfluß von Bonaparte in
Deutſchland. An dieſem Einfluß würde man uns in den unter¬
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/197>, abgerufen am 15.08.2024.
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