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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
mächtliche Einwirkung auf den König nicht unbekannt war. Nach
der ihm eignen Sinnesweise suchte er die Beweggründe meines
Verhaltens nicht da, wo sie lagen, nämlich in dem Interesse an
der Unabhängigkeit meines Vaterlandes von fremden Einflüssen,
Einflüssen, die in unsrer kleinstädtischen Verehrung für England
und Furcht vor Frankreich einen empfänglichen Boden fanden, so¬
wie in dem Wunsche, uns von einem Kriege freizuhalten, den wir
nicht in unserm Interesse, sondern in Abhängigkeit von östreichischer
und englischer Politik geführt haben würden. In den Augen des
Prinzen war ich, was ich natürlich nicht dem momentanen Eindruck
bei meiner Vorstellung, sondern anderweitiger Sach- und Akten¬
kunde entnahm, ein reactionärer Parteimann, der sich auf die Seite
Rußlands stellte, um eine absolutistische und Junker-Politik zu för¬
dern. Es konnte nicht befremden, daß diese Ansicht des Prinzen
und der damaligen Parteigenossen des Herzogs von Coburg sich
auf die Tochter des Erstern, welche demnächst unsre Kronprinzessin
wurde, übertragen hatte.

Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutschland, im Februar
1858, konnte ich durch Mitglieder des königlichen Hauses und aus
eignen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewinnen, daß die Prin¬
zessin gegen mich persönlich voreingenommen war. Ueberraschend
war mir dabei nicht die Thatsache, wohl aber die Form, wie ihr
damaliges Vorurtheil gegen mich im engen Familienkreise zum Aus¬
druck gekommen war: sie traue mir nicht. Auf Abneigung wegen
meiner angeblich anti-englischen Gesinnung und wegen Ungehorsams
gegen englische Einflüsse war ich gefaßt; daß die Frau Prinzessin
sich aber in der Folgezeit bei der Beurtheilung meiner Persön¬
lichkeit von weitergehenden Verleumdungen beeinflussen ließ, mußte
ich vermuthen, als sie in einem Gespräche, das sie mit mir, ihrem
Tischnachbar, nach dem 1866er Kriege führte, in halb scherzen¬
dem Tone sagte: ich hätte den Ehrgeiz, König zu werden oder
wenigstens Präsident einer Republik. Ich antwortete in demselben
halb scherzenden Tone, ich sei für meine Person zum Republikaner

Achtes Kapitel: Beſuch in Paris.
mächtliche Einwirkung auf den König nicht unbekannt war. Nach
der ihm eignen Sinnesweiſe ſuchte er die Beweggründe meines
Verhaltens nicht da, wo ſie lagen, nämlich in dem Intereſſe an
der Unabhängigkeit meines Vaterlandes von fremden Einflüſſen,
Einflüſſen, die in unſrer kleinſtädtiſchen Verehrung für England
und Furcht vor Frankreich einen empfänglichen Boden fanden, ſo¬
wie in dem Wunſche, uns von einem Kriege freizuhalten, den wir
nicht in unſerm Intereſſe, ſondern in Abhängigkeit von öſtreichiſcher
und engliſcher Politik geführt haben würden. In den Augen des
Prinzen war ich, was ich natürlich nicht dem momentanen Eindruck
bei meiner Vorſtellung, ſondern anderweitiger Sach- und Akten¬
kunde entnahm, ein reactionärer Parteimann, der ſich auf die Seite
Rußlands ſtellte, um eine abſolutiſtiſche und Junker-Politik zu för¬
dern. Es konnte nicht befremden, daß dieſe Anſicht des Prinzen
und der damaligen Parteigenoſſen des Herzogs von Coburg ſich
auf die Tochter des Erſtern, welche demnächſt unſre Kronprinzeſſin
wurde, übertragen hatte.

Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutſchland, im Februar
1858, konnte ich durch Mitglieder des königlichen Hauſes und aus
eignen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewinnen, daß die Prin¬
zeſſin gegen mich perſönlich voreingenommen war. Ueberraſchend
war mir dabei nicht die Thatſache, wohl aber die Form, wie ihr
damaliges Vorurtheil gegen mich im engen Familienkreiſe zum Aus¬
druck gekommen war: ſie traue mir nicht. Auf Abneigung wegen
meiner angeblich anti-engliſchen Geſinnung und wegen Ungehorſams
gegen engliſche Einflüſſe war ich gefaßt; daß die Frau Prinzeſſin
ſich aber in der Folgezeit bei der Beurtheilung meiner Perſön¬
lichkeit von weitergehenden Verleumdungen beeinfluſſen ließ, mußte
ich vermuthen, als ſie in einem Geſpräche, das ſie mit mir, ihrem
Tiſchnachbar, nach dem 1866er Kriege führte, in halb ſcherzen¬
dem Tone ſagte: ich hätte den Ehrgeiz, König zu werden oder
wenigſtens Präſident einer Republik. Ich antwortete in demſelben
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[150/0177] Achtes Kapitel: Beſuch in Paris. mächtliche Einwirkung auf den König nicht unbekannt war. Nach der ihm eignen Sinnesweiſe ſuchte er die Beweggründe meines Verhaltens nicht da, wo ſie lagen, nämlich in dem Intereſſe an der Unabhängigkeit meines Vaterlandes von fremden Einflüſſen, Einflüſſen, die in unſrer kleinſtädtiſchen Verehrung für England und Furcht vor Frankreich einen empfänglichen Boden fanden, ſo¬ wie in dem Wunſche, uns von einem Kriege freizuhalten, den wir nicht in unſerm Intereſſe, ſondern in Abhängigkeit von öſtreichiſcher und engliſcher Politik geführt haben würden. In den Augen des Prinzen war ich, was ich natürlich nicht dem momentanen Eindruck bei meiner Vorſtellung, ſondern anderweitiger Sach- und Akten¬ kunde entnahm, ein reactionärer Parteimann, der ſich auf die Seite Rußlands ſtellte, um eine abſolutiſtiſche und Junker-Politik zu för¬ dern. Es konnte nicht befremden, daß dieſe Anſicht des Prinzen und der damaligen Parteigenoſſen des Herzogs von Coburg ſich auf die Tochter des Erſtern, welche demnächſt unſre Kronprinzeſſin wurde, übertragen hatte. Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutſchland, im Februar 1858, konnte ich durch Mitglieder des königlichen Hauſes und aus eignen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewinnen, daß die Prin¬ zeſſin gegen mich perſönlich voreingenommen war. Ueberraſchend war mir dabei nicht die Thatſache, wohl aber die Form, wie ihr damaliges Vorurtheil gegen mich im engen Familienkreiſe zum Aus¬ druck gekommen war: ſie traue mir nicht. Auf Abneigung wegen meiner angeblich anti-engliſchen Geſinnung und wegen Ungehorſams gegen engliſche Einflüſſe war ich gefaßt; daß die Frau Prinzeſſin ſich aber in der Folgezeit bei der Beurtheilung meiner Perſön¬ lichkeit von weitergehenden Verleumdungen beeinfluſſen ließ, mußte ich vermuthen, als ſie in einem Geſpräche, das ſie mit mir, ihrem Tiſchnachbar, nach dem 1866er Kriege führte, in halb ſcherzen¬ dem Tone ſagte: ich hätte den Ehrgeiz, König zu werden oder wenigſtens Präſident einer Republik. Ich antwortete in demſelben halb ſcherzenden Tone, ich ſei für meine Perſon zum Republikaner

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/177>, abgerufen am 13.05.2024.