Im Sommer 1855 lud unser Gesandter in Paris, Graf Hatz¬ feldt, mich zum Besuche der Industrie-Ausstellung ein 1); er theilte noch den damals in diplomatischen Kreisen verbreiteten Glauben, daß ich ehestens der Nachfolger Manteuffel's im Auswärtigen Amt werden würde. Wenn der König sich mit einem solchen Gedanken abwechselnd getragen hatte, so wußte man in intimen Hofkreisen doch damals schon, daß eine Wandelung vorgegangen sei. Der Graf Wilhelm Redern, den ich in Paris traf, sagte mir, die Ge¬ sandten glaubten noch immer, daß ich zum Minister bestimmt sei, er selbst habe das auch geglaubt; aber die Stimmung des Königs sei umgeschlagen, Näheres wisse er nicht. Wohl seit Rügen.
Der 15. August, Napoleonstag, wurde u. A. dadurch gefeiert, daß man russische Gefangene durch die Straßen führte. Am 19. traf die Königin von England ein, der zu Ehren am 25. August ein großes Ballfest in Versailles stattfand, auf dem ich ihr und dem Prinzen Albert vorgestellt wurde.
Der Prinz in seiner schwarzen Uniform, schön und kühl, sprach höflich mit mir, aber in seiner Haltung lag eine gewisse übel¬ wollende Neugier, aus der ich abnahm, daß ihm meine antiwest¬
1) S. Bismarck-Jahrbuch III 86 f.
Achtes Kapitel. Beſuch in Paris.
I.
Im Sommer 1855 lud unſer Geſandter in Paris, Graf Hatz¬ feldt, mich zum Beſuche der Induſtrie-Ausſtellung ein 1); er theilte noch den damals in diplomatiſchen Kreiſen verbreiteten Glauben, daß ich eheſtens der Nachfolger Manteuffel's im Auswärtigen Amt werden würde. Wenn der König ſich mit einem ſolchen Gedanken abwechſelnd getragen hatte, ſo wußte man in intimen Hofkreiſen doch damals ſchon, daß eine Wandelung vorgegangen ſei. Der Graf Wilhelm Redern, den ich in Paris traf, ſagte mir, die Ge¬ ſandten glaubten noch immer, daß ich zum Miniſter beſtimmt ſei, er ſelbſt habe das auch geglaubt; aber die Stimmung des Königs ſei umgeſchlagen, Näheres wiſſe er nicht. Wohl ſeit Rügen.
Der 15. Auguſt, Napoleonstag, wurde u. A. dadurch gefeiert, daß man ruſſiſche Gefangene durch die Straßen führte. Am 19. traf die Königin von England ein, der zu Ehren am 25. Auguſt ein großes Ballfeſt in Verſailles ſtattfand, auf dem ich ihr und dem Prinzen Albert vorgeſtellt wurde.
Der Prinz in ſeiner ſchwarzen Uniform, ſchön und kühl, ſprach höflich mit mir, aber in ſeiner Haltung lag eine gewiſſe übel¬ wollende Neugier, aus der ich abnahm, daß ihm meine antiweſt¬
1) S. Bismarck-Jahrbuch III 86 f.
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Achtes Kapitel.
Beſuch in Paris.
I.
Im Sommer 1855 lud unſer Geſandter in Paris, Graf Hatz¬
feldt, mich zum Beſuche der Induſtrie-Ausſtellung ein 1); er theilte
noch den damals in diplomatiſchen Kreiſen verbreiteten Glauben,
daß ich eheſtens der Nachfolger Manteuffel's im Auswärtigen Amt
werden würde. Wenn der König ſich mit einem ſolchen Gedanken
abwechſelnd getragen hatte, ſo wußte man in intimen Hofkreiſen
doch damals ſchon, daß eine Wandelung vorgegangen ſei. Der
Graf Wilhelm Redern, den ich in Paris traf, ſagte mir, die Ge¬
ſandten glaubten noch immer, daß ich zum Miniſter beſtimmt ſei,
er ſelbſt habe das auch geglaubt; aber die Stimmung des Königs
ſei umgeſchlagen, Näheres wiſſe er nicht. Wohl ſeit Rügen.
Der 15. Auguſt, Napoleonstag, wurde u. A. dadurch gefeiert,
daß man ruſſiſche Gefangene durch die Straßen führte. Am 19.
traf die Königin von England ein, der zu Ehren am 25. Auguſt
ein großes Ballfeſt in Verſailles ſtattfand, auf dem ich ihr und
dem Prinzen Albert vorgeſtellt wurde.
Der Prinz in ſeiner ſchwarzen Uniform, ſchön und kühl, ſprach
höflich mit mir, aber in ſeiner Haltung lag eine gewiſſe übel¬
wollende Neugier, aus der ich abnahm, daß ihm meine antiweſt¬
1)
S. Bismarck-Jahrbuch III 86 f.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. [149]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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