Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Als Redactor diplomatischer Depeschen. die Collationirung im Schlosse ergab, daß, wie ich befürchtethatte, das Concept geändert und der östreichischen Politik näher gerückt war. Während des Krimkrieges und der vorangegangnen Verhandlungen drehten sich die Kämpfe in den Regirungskreisen häufig um eine westmächtlich-östreichische oder eine russische Phrase, die, kaum geschrieben, keine praktische Bedeutung mehr hatte. Um eine ernstere, in den Verlauf der Dinge eingreifende 1) Vgl. Sybel II 204 ff.
Als Redactor diplomatiſcher Depeſchen. die Collationirung im Schloſſe ergab, daß, wie ich befürchtethatte, das Concept geändert und der öſtreichiſchen Politik näher gerückt war. Während des Krimkrieges und der vorangegangnen Verhandlungen drehten ſich die Kämpfe in den Regirungskreiſen häufig um eine weſtmächtlich-öſtreichiſche oder eine ruſſiſche Phraſe, die, kaum geſchrieben, keine praktiſche Bedeutung mehr hatte. Um eine ernſtere, in den Verlauf der Dinge eingreifende 1) Vgl. Sybel II 204 ff.
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Als Redactor diplomatiſcher Depeſchen.
die Collationirung im Schloſſe ergab, daß, wie ich befürchtet
hatte, das Concept geändert und der öſtreichiſchen Politik näher
gerückt war. Während des Krimkrieges und der vorangegangnen
Verhandlungen drehten ſich die Kämpfe in den Regirungskreiſen
häufig um eine weſtmächtlich-öſtreichiſche oder eine ruſſiſche Phraſe,
die, kaum geſchrieben, keine praktiſche Bedeutung mehr hatte.
Um eine ernſtere, in den Verlauf der Dinge eingreifende
Frage der Redaction handelte es ſich im Auguſt 1854. Der König
befand ſich in Rügen; ich war auf dem Wege von Frankfurt nach
Reinfeld, wo meine Frau krank lag, als am 29. Auguſt in Stettin
ein höherer Poſtbeamter, der angewieſen war, auf mich zu fahnden,
mir eine Einladung des Königs nach Putbus ausrichtete. Ich hätte
mich gern gedrückt, der Poſtbeamte aber begriff nicht, wie ein
Mann von altem preußiſchen Schlage ſich einer ſolchen Aufforderung
entziehn wolle. Ich ging nach Rügen, nicht ohne Sorge vor neuen
Zumuthungen, Miniſter zu werden und dadurch in unhaltbare Be¬
ziehungen zum Könige zu gerathen. Der König empfing mich am
30. Auguſt gnädig und ſetzte mich von einer vorliegenden Meinungs¬
verſchiedenheit über die durch den Rückzug der Ruſſen aus den
Donaufürſtenthümern entſtandene Situation in Kenntniß. Es han¬
delte ſich um die Depeſche des Grafen Buol vom 10. Auguſt und
einen von Manteuffel vorgelegten Entwurf einer Antwort, den der
König zu öſtreichiſch fand. Auf Befehl machte ich einen andern
Entwurf, der von Sr. Majeſtät genehmigt und nach Berlin geſchickt
wurde, um im Widerſpruch mit dem leitenden Miniſter zunächſt
an den Grafen Arnim in Wien geſandt und dann den deutſchen
Regirungen mitgetheilt zu werden 1). Die durch Annahme meines
Entwurfs bekundete Stimmung des Königs zeigte ſich auch in dem
Empfang des Grafen Benckendorf, der mit Briefen und mündlichen
Aufträgen in Putbus eintraf, und den ich mit der Nachricht hatte
empfangen können, daß die Engländer und Franzoſen in der Krim
1)
Vgl. Sybel II 204 ff.
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