Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
mit ihm zu reden, es ist aber nichts dabei herausgekommen. Ich
habe ihm gesagt, daß ich nicht zu denen gehöre, welche Quehl in
das Elend schicken wollten, aber er möge sich doch mit ordentlichen
Leuten in Verbindung setzen und sich in der Gemeinschaft mit
ihnen stärken. Aber vergebens. Jetzt treibt er wieder sein Wesen
mit dem Bonapartisten Frantz. Ich will das, was Wagener thut,
nicht rechtfertigen, besonders nicht sein eigensinniges Widerstreben
gegen jeden Rath und jede Warnung, die ihm zukommt, aber darin
hat er Recht, daß Manteuffel die conservative Partei gründlich
zerstört und ihn, Wagener, auf das Aeußerste reizt. Es ist doch
eine merkwürdige Erscheinung, daß die Kreuzzeitung die einzige
Zeitung in Deutschland ist, die verfolgt und confiscirt wird. Von
dem, was mich bei dem Allem am meisten afficirt, von der
Wirkung dieser Lage der Dinge auf S. M., will ich gar nicht
reden. Sinnen Sie doch auf Mittel, Menschen heranzuziehen, die
das Ministerium stärken. Kommen Sie doch einmal wieder her
und sehen Sie sich selbst die Dinge an1). ...

Charlottenburg, 25. Februar 1853.

Ich habe letzt S. M. darauf aufmerksam gemacht, wie es
doch nicht gut wäre, daß Wagener, der Alles für die gute Sache
gewagt habe, nächstens im Gefängniß sitzen, während sein Gegner
Quehl durch die bloße vis inertiae Geheimer Rath würde. Nie¬
buhren ist es denn auch gelungen, den König mit Wagener aus¬
zusöhnen, obschon letzterer dabei bleibt, die Redaction der Kreuz¬
zeitung niederlegen zu wollen. ... Manteuffel hat eine Tendenz
nach unten, via Quehl, Levinstein u. s. w., weil er an den
Wahrheiten, die von oben kommen, zweifelt, statt daran zu glauben.
Er sagt mit Pilatus: Was ist Wahrheit? und sucht sie bei Quehl
und Consorten. Er läßt sich ja schon jetzt bei jeder Gelegenheit
durch Quehl zu einer sehr üblen heimlichen und passiven Opposition

1) Vgl. Briefwechsel etc., S. 43.

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin.
mit ihm zu reden, es iſt aber nichts dabei herausgekommen. Ich
habe ihm geſagt, daß ich nicht zu denen gehöre, welche Quehl in
das Elend ſchicken wollten, aber er möge ſich doch mit ordentlichen
Leuten in Verbindung ſetzen und ſich in der Gemeinſchaft mit
ihnen ſtärken. Aber vergebens. Jetzt treibt er wieder ſein Weſen
mit dem Bonapartiſten Frantz. Ich will das, was Wagener thut,
nicht rechtfertigen, beſonders nicht ſein eigenſinniges Widerſtreben
gegen jeden Rath und jede Warnung, die ihm zukommt, aber darin
hat er Recht, daß Manteuffel die conſervative Partei gründlich
zerſtört und ihn, Wagener, auf das Aeußerſte reizt. Es iſt doch
eine merkwürdige Erſcheinung, daß die Kreuzzeitung die einzige
Zeitung in Deutſchland iſt, die verfolgt und confiſcirt wird. Von
dem, was mich bei dem Allem am meiſten afficirt, von der
Wirkung dieſer Lage der Dinge auf S. M., will ich gar nicht
reden. Sinnen Sie doch auf Mittel, Menſchen heranzuziehen, die
das Miniſterium ſtärken. Kommen Sie doch einmal wieder her
und ſehen Sie ſich ſelbſt die Dinge an1). ...

Charlottenburg, 25. Februar 1853.

Ich habe letzt S. M. darauf aufmerkſam gemacht, wie es
doch nicht gut wäre, daß Wagener, der Alles für die gute Sache
gewagt habe, nächſtens im Gefängniß ſitzen, während ſein Gegner
Quehl durch die bloße vis inertiae Geheimer Rath würde. Nie¬
buhren iſt es denn auch gelungen, den König mit Wagener aus¬
zuſöhnen, obſchon letzterer dabei bleibt, die Redaction der Kreuz¬
zeitung niederlegen zu wollen. ... Manteuffel hat eine Tendenz
nach unten, via Quehl, Levinſtein u. ſ. w., weil er an den
Wahrheiten, die von oben kommen, zweifelt, ſtatt daran zu glauben.
Er ſagt mit Pilatus: Was iſt Wahrheit? und ſucht ſie bei Quehl
und Conſorten. Er läßt ſich ja ſchon jetzt bei jeder Gelegenheit
durch Quehl zu einer ſehr üblen heimlichen und paſſiven Oppoſition

1) Vgl. Briefwechſel ꝛc., S. 43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="134"/><fw place="top" type="header">Siebentes Kapitel: Unterwegs zwi&#x017F;chen Frankfurt und Berlin.<lb/></fw> mit ihm zu reden, es i&#x017F;t aber nichts dabei herausgekommen. Ich<lb/>
habe ihm ge&#x017F;agt, daß ich nicht zu denen gehöre, welche Quehl in<lb/>
das Elend &#x017F;chicken wollten, aber er möge &#x017F;ich doch mit ordentlichen<lb/>
Leuten in Verbindung &#x017F;etzen und &#x017F;ich in der Gemein&#x017F;chaft mit<lb/>
ihnen &#x017F;tärken. Aber vergebens. Jetzt treibt er wieder &#x017F;ein We&#x017F;en<lb/>
mit dem Bonaparti&#x017F;ten Frantz. Ich will das, was Wagener thut,<lb/>
nicht rechtfertigen, be&#x017F;onders nicht &#x017F;ein eigen&#x017F;inniges Wider&#x017F;treben<lb/>
gegen jeden Rath und jede Warnung, die ihm zukommt, aber darin<lb/>
hat er Recht, daß Manteuffel die con&#x017F;ervative Partei gründlich<lb/>
zer&#x017F;tört und ihn, Wagener, auf das Aeußer&#x017F;te reizt. Es i&#x017F;t doch<lb/>
eine merkwürdige Er&#x017F;cheinung, daß die Kreuzzeitung die einzige<lb/>
Zeitung in Deut&#x017F;chland i&#x017F;t, die verfolgt und confi&#x017F;cirt wird. Von<lb/>
dem, was mich bei dem Allem am mei&#x017F;ten afficirt, von der<lb/>
Wirkung die&#x017F;er Lage der Dinge auf S. M., will ich gar nicht<lb/>
reden. Sinnen Sie doch auf Mittel, Men&#x017F;chen heranzuziehen, die<lb/>
das Mini&#x017F;terium &#x017F;tärken. Kommen Sie doch einmal wieder her<lb/>
und &#x017F;ehen Sie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die Dinge an<note place="foot" n="1)"><lb/>
Vgl. Briefwech&#x017F;el &#xA75B;c., S. 43.</note>. ...</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#right">Charlottenburg, 25. Februar 1853.</hi> </p><lb/>
          <p>Ich habe letzt S. M. darauf aufmerk&#x017F;am gemacht, wie es<lb/>
doch nicht gut wäre, daß Wagener, der Alles für die gute Sache<lb/>
gewagt habe, näch&#x017F;tens im Gefängniß &#x017F;itzen, während &#x017F;ein Gegner<lb/>
Quehl durch die bloße <hi rendition="#aq">vis inertiae</hi> Geheimer Rath würde. Nie¬<lb/>
buhren i&#x017F;t es denn auch gelungen, den König mit Wagener aus¬<lb/>
zu&#x017F;öhnen, ob&#x017F;chon letzterer dabei bleibt, die Redaction der Kreuz¬<lb/>
zeitung niederlegen zu wollen. ... Manteuffel hat eine Tendenz<lb/>
nach unten, <hi rendition="#aq">via</hi> Quehl, <hi rendition="#g">Levin&#x017F;tein</hi> u. &#x017F;. w., weil er an den<lb/>
Wahrheiten, die von oben kommen, zweifelt, &#x017F;tatt daran zu glauben.<lb/>
Er &#x017F;agt mit Pilatus: Was i&#x017F;t Wahrheit? und &#x017F;ucht &#x017F;ie bei Quehl<lb/>
und Con&#x017F;orten. Er läßt &#x017F;ich ja &#x017F;chon jetzt bei jeder Gelegenheit<lb/>
durch Quehl zu einer &#x017F;ehr üblen heimlichen und pa&#x017F;&#x017F;iven Oppo&#x017F;ition<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0161] Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin. mit ihm zu reden, es iſt aber nichts dabei herausgekommen. Ich habe ihm geſagt, daß ich nicht zu denen gehöre, welche Quehl in das Elend ſchicken wollten, aber er möge ſich doch mit ordentlichen Leuten in Verbindung ſetzen und ſich in der Gemeinſchaft mit ihnen ſtärken. Aber vergebens. Jetzt treibt er wieder ſein Weſen mit dem Bonapartiſten Frantz. Ich will das, was Wagener thut, nicht rechtfertigen, beſonders nicht ſein eigenſinniges Widerſtreben gegen jeden Rath und jede Warnung, die ihm zukommt, aber darin hat er Recht, daß Manteuffel die conſervative Partei gründlich zerſtört und ihn, Wagener, auf das Aeußerſte reizt. Es iſt doch eine merkwürdige Erſcheinung, daß die Kreuzzeitung die einzige Zeitung in Deutſchland iſt, die verfolgt und confiſcirt wird. Von dem, was mich bei dem Allem am meiſten afficirt, von der Wirkung dieſer Lage der Dinge auf S. M., will ich gar nicht reden. Sinnen Sie doch auf Mittel, Menſchen heranzuziehen, die das Miniſterium ſtärken. Kommen Sie doch einmal wieder her und ſehen Sie ſich ſelbſt die Dinge an 1). ... Charlottenburg, 25. Februar 1853. Ich habe letzt S. M. darauf aufmerkſam gemacht, wie es doch nicht gut wäre, daß Wagener, der Alles für die gute Sache gewagt habe, nächſtens im Gefängniß ſitzen, während ſein Gegner Quehl durch die bloße vis inertiae Geheimer Rath würde. Nie¬ buhren iſt es denn auch gelungen, den König mit Wagener aus¬ zuſöhnen, obſchon letzterer dabei bleibt, die Redaction der Kreuz¬ zeitung niederlegen zu wollen. ... Manteuffel hat eine Tendenz nach unten, via Quehl, Levinſtein u. ſ. w., weil er an den Wahrheiten, die von oben kommen, zweifelt, ſtatt daran zu glauben. Er ſagt mit Pilatus: Was iſt Wahrheit? und ſucht ſie bei Quehl und Conſorten. Er läßt ſich ja ſchon jetzt bei jeder Gelegenheit durch Quehl zu einer ſehr üblen heimlichen und paſſiven Oppoſition 1) Vgl. Briefwechſel ꝛc., S. 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/161
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/161>, abgerufen am 12.05.2024.