Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.
Streit über Rhino Quehl. den Vereinigten Landtag mit allen seinen Consequenzen pure wiederherzustellen -- und weiter könnte man doch nicht gehen -- was wäre damit wohl gewonnen? Ich finde die Position der Regierung viel günstiger, wenn sie, bis eine gründliche organische Umgestaltung sich als nothwendig ergeben hat, die Sache gewissermaßen in der Schwebe hält. Ich hoffe und wünsche, daß man dann auch von den Provinzialständen bis etwa auf Communalstände nach alten historischen Begrenzungen, die auch in der Rheinprovinz noch nicht verwischt und in allen alten Provinzen noch sehr erkennbar sind, zurückkommen und aus diesen die Landesvertretung hervorgehen lassen wird. Das sind aber Dinge, die man nicht im Sprunge machen kann, wenigstens nicht ohne große Stöße, die man doch zu vermeiden Anlaß hat. Die Kreuzzeitung hat mir nun förmlich Fehde ankündigen und als Preis und Zeichen der Unterwerfung die Entlassung des etc. Quehl fordern lassen, ohne zu bedenken, daß selbst, wenn ich einen fleißigen und aufopfernden Menschen preisgeben wollte, was nicht meine Absicht ist, ich es unter solchen Verhältnissen gar nicht könnte." Rhino Quehl war ein Journalist, durch den Manteuffel schon "Potsdam, 17. Mai 1852. Ich halte Manteuffel für einen braven Mann, aber ein sonder¬ Streit über Rhino Quehl. den Vereinigten Landtag mit allen ſeinen Conſequenzen pure wiederherzuſtellen — und weiter könnte man doch nicht gehen — was wäre damit wohl gewonnen? Ich finde die Poſition der Regierung viel günſtiger, wenn ſie, bis eine gründliche organiſche Umgeſtaltung ſich als nothwendig ergeben hat, die Sache gewiſſermaßen in der Schwebe hält. Ich hoffe und wünſche, daß man dann auch von den Provinzialſtänden bis etwa auf Communalſtände nach alten hiſtoriſchen Begrenzungen, die auch in der Rheinprovinz noch nicht verwiſcht und in allen alten Provinzen noch ſehr erkennbar ſind, zurückkommen und aus dieſen die Landesvertretung hervorgehen laſſen wird. Das ſind aber Dinge, die man nicht im Sprunge machen kann, wenigſtens nicht ohne große Stöße, die man doch zu vermeiden Anlaß hat. Die Kreuzzeitung hat mir nun förmlich Fehde ankündigen und als Preis und Zeichen der Unterwerfung die Entlaſſung des ꝛc. Quehl fordern laſſen, ohne zu bedenken, daß ſelbſt, wenn ich einen fleißigen und aufopfernden Menſchen preisgeben wollte, was nicht meine Abſicht iſt, ich es unter ſolchen Verhältniſſen gar nicht könnte.“ Rhino Quehl war ein Journaliſt, durch den Manteuffel ſchon „Potsdam, 17. Mai 1852. Ich halte Manteuffel für einen braven Mann, aber ein ſonder¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0158" n="131"/><fw place="top" type="header">Streit über Rhino Quehl.<lb/></fw> den Vereinigten Landtag mit allen ſeinen Conſequenzen <hi rendition="#aq">pure</hi> wieder<lb/> herzuſtellen — und weiter könnte man doch nicht gehen — was<lb/> wäre damit wohl gewonnen? Ich finde die Poſition der Regierung<lb/> viel günſtiger, wenn ſie, bis eine gründliche organiſche Umgeſtaltung<lb/> ſich als nothwendig ergeben hat, die Sache gewiſſermaßen in der<lb/> Schwebe hält. Ich hoffe und wünſche, daß man dann auch von<lb/> den Provinzialſtänden bis etwa auf Communalſtände nach alten<lb/> hiſtoriſchen Begrenzungen, die auch in der Rheinprovinz noch nicht<lb/> verwiſcht und in allen alten Provinzen noch ſehr erkennbar ſind,<lb/> zurückkommen und aus dieſen die Landesvertretung hervorgehen<lb/> laſſen wird. Das ſind aber Dinge, die man nicht im Sprunge<lb/> machen kann, wenigſtens nicht ohne große Stöße, die man doch<lb/> zu vermeiden Anlaß hat. Die Kreuzzeitung hat mir nun förmlich<lb/> Fehde ankündigen und als Preis und Zeichen der Unterwerfung<lb/> die Entlaſſung des ꝛc. Quehl fordern laſſen, ohne zu bedenken,<lb/> daß ſelbſt, wenn ich einen fleißigen und aufopfernden Menſchen<lb/> preisgeben wollte, was nicht meine Abſicht iſt, ich es unter ſolchen<lb/> Verhältniſſen gar nicht könnte.“</p><lb/> <p>Rhino Quehl war ein Journaliſt, durch den Manteuffel ſchon<lb/> während des Erfurter Parlaments ſeine Politik in der Preſſe hatte<lb/> vertreten laſſen, voller Ideen und Anregungen, richtigen und falſchen,<lb/> eine ſehr geſchickte Feder führend, aber mit einer zu ſtarken Hypothek<lb/> von Eitelkeit belaſtet. Die weitre Entwicklung des Conflicts<lb/> zwiſchen Manteuffel und Quehl auf der einen, der Kreuzzeitung<lb/> und der Camarilla auf der andern Seite, und die ganze innere<lb/> Situation wird aus den nachſtehenden brieflichen Aeußerungen von<lb/> Gerlach erſichtlich:</p><lb/> <p> <hi rendition="#right">„Potsdam, 17. Mai 1852.</hi> </p><lb/> <p>Ich halte Manteuffel für einen braven Mann, aber ein ſonder¬<lb/> bares politiſches Leben iſt das ſeinige doch. Er hat die December¬<lb/> verfaſſung unterzeichnet, ſich zur Unionspolitik bekannt, Gemeinde¬<lb/> ordnung und Ablöſungsgeſetz mit Rückſichtsloſigkeit durchgeſetzt, den<lb/> Bonapartismus amneſtirt u. ſ. w. Daß er in dieſen Dingen nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0158]
Streit über Rhino Quehl.
den Vereinigten Landtag mit allen ſeinen Conſequenzen pure wieder
herzuſtellen — und weiter könnte man doch nicht gehen — was
wäre damit wohl gewonnen? Ich finde die Poſition der Regierung
viel günſtiger, wenn ſie, bis eine gründliche organiſche Umgeſtaltung
ſich als nothwendig ergeben hat, die Sache gewiſſermaßen in der
Schwebe hält. Ich hoffe und wünſche, daß man dann auch von
den Provinzialſtänden bis etwa auf Communalſtände nach alten
hiſtoriſchen Begrenzungen, die auch in der Rheinprovinz noch nicht
verwiſcht und in allen alten Provinzen noch ſehr erkennbar ſind,
zurückkommen und aus dieſen die Landesvertretung hervorgehen
laſſen wird. Das ſind aber Dinge, die man nicht im Sprunge
machen kann, wenigſtens nicht ohne große Stöße, die man doch
zu vermeiden Anlaß hat. Die Kreuzzeitung hat mir nun förmlich
Fehde ankündigen und als Preis und Zeichen der Unterwerfung
die Entlaſſung des ꝛc. Quehl fordern laſſen, ohne zu bedenken,
daß ſelbſt, wenn ich einen fleißigen und aufopfernden Menſchen
preisgeben wollte, was nicht meine Abſicht iſt, ich es unter ſolchen
Verhältniſſen gar nicht könnte.“
Rhino Quehl war ein Journaliſt, durch den Manteuffel ſchon
während des Erfurter Parlaments ſeine Politik in der Preſſe hatte
vertreten laſſen, voller Ideen und Anregungen, richtigen und falſchen,
eine ſehr geſchickte Feder führend, aber mit einer zu ſtarken Hypothek
von Eitelkeit belaſtet. Die weitre Entwicklung des Conflicts
zwiſchen Manteuffel und Quehl auf der einen, der Kreuzzeitung
und der Camarilla auf der andern Seite, und die ganze innere
Situation wird aus den nachſtehenden brieflichen Aeußerungen von
Gerlach erſichtlich:
„Potsdam, 17. Mai 1852.
Ich halte Manteuffel für einen braven Mann, aber ein ſonder¬
bares politiſches Leben iſt das ſeinige doch. Er hat die December¬
verfaſſung unterzeichnet, ſich zur Unionspolitik bekannt, Gemeinde¬
ordnung und Ablöſungsgeſetz mit Rückſichtsloſigkeit durchgeſetzt, den
Bonapartismus amneſtirt u. ſ. w. Daß er in dieſen Dingen nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/158 |
| Zitationshilfe: | Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/158>, abgerufen am 13.05.2024. |
