Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegnerschaft der Höef von Sanssouci und Coblenz.
Consequenzen der eignen Anschauungen und daraus hervorgehender
Enthaltsamkeit von fernerer Einwirkung.

In der Prinzessin entwickelte sich während der Coblenzer Zeit
noch eine Neigung, welche bei ihrer politischen Thätigkeit mitwirkte
und sich bis an ihr Lebensende erhielt.

Der für den norddeutschen und namentlich für den Gedanken¬
kreis einer kleinen Stadt in Mitten rein protestantischer Bevölkerung
fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürstin,
die überhaupt das Fremde mehr interessirte, als das Näherliegende,
Alltägliche, Hausbackne. Ein katholischer Bischof erschien vornehmer
als ein General-Superintendent. Ein gewisses Wohlwollen für die
katholische Sache, welches ihr schon früher eigen und z. B. in der
Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerschaft erkennbar war,
wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie
gewöhnte sich daran, die localen Interessen des alten Krummstab-
Landes und seiner Geistlichkeit als ihrer Fürsorge besonders zu¬
gewiesen anzusehn und zu vertreten. Das moderne confessionelle
Selbstgefühl auf dem Grunde geschichtlicher Tradition, das in dem
Prinzen die protestantische Sympathie nicht selten mit Schärfe
hervortreten ließ, war seiner Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr
Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte sich
u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmerstein mir am 9. Oc¬
tober 1863 schrieb, wohlgesinnte Leute am Rhein riethen, der König
möge nicht zum Dombaufest kommen, sondern lieber I. Majestät
schicken, "die mit Enthusiasmus würde empfangen werden". Ein
Beispiel der wirksamen Energie, mit der sie die Wünsche der Geist¬
lichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der
sogenannten Metzer Eisenbahn genöthigt wurde, weil die Geist¬
lichkeit sich eines katholischen Kirchhofs, der berührt werden sollte,
angenommen hatte und darin von der Kaiserin so erfolgreich unter¬
stützt wurde, daß die Richtung geändert und schwierige Bauten
ad hoc hergestellt wurden.

Unter dem 27. October 1877 schrieb mir der Staatssekretär

Gegnerſchaft der Höef von Sansſouci und Coblenz.
Conſequenzen der eignen Anſchauungen und daraus hervorgehender
Enthaltſamkeit von fernerer Einwirkung.

In der Prinzeſſin entwickelte ſich während der Coblenzer Zeit
noch eine Neigung, welche bei ihrer politiſchen Thätigkeit mitwirkte
und ſich bis an ihr Lebensende erhielt.

Der für den norddeutſchen und namentlich für den Gedanken¬
kreis einer kleinen Stadt in Mitten rein proteſtantiſcher Bevölkerung
fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürſtin,
die überhaupt das Fremde mehr intereſſirte, als das Näherliegende,
Alltägliche, Hausbackne. Ein katholiſcher Biſchof erſchien vornehmer
als ein General-Superintendent. Ein gewiſſes Wohlwollen für die
katholiſche Sache, welches ihr ſchon früher eigen und z. B. in der
Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerſchaft erkennbar war,
wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie
gewöhnte ſich daran, die localen Intereſſen des alten Krummſtab-
Landes und ſeiner Geiſtlichkeit als ihrer Fürſorge beſonders zu¬
gewieſen anzuſehn und zu vertreten. Das moderne confeſſionelle
Selbſtgefühl auf dem Grunde geſchichtlicher Tradition, das in dem
Prinzen die proteſtantiſche Sympathie nicht ſelten mit Schärfe
hervortreten ließ, war ſeiner Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr
Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte ſich
u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmerſtein mir am 9. Oc¬
tober 1863 ſchrieb, wohlgeſinnte Leute am Rhein riethen, der König
möge nicht zum Dombaufeſt kommen, ſondern lieber I. Majeſtät
ſchicken, „die mit Enthuſiasmus würde empfangen werden“. Ein
Beiſpiel der wirkſamen Energie, mit der ſie die Wünſche der Geiſt¬
lichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der
ſogenannten Metzer Eiſenbahn genöthigt wurde, weil die Geiſt¬
lichkeit ſich eines katholiſchen Kirchhofs, der berührt werden ſollte,
angenommen hatte und darin von der Kaiſerin ſo erfolgreich unter¬
ſtützt wurde, daß die Richtung geändert und ſchwierige Bauten
ad hoc hergeſtellt wurden.

Unter dem 27. October 1877 ſchrieb mir der Staatsſekretär

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="125"/><fw place="top" type="header">Gegner&#x017F;chaft der Höef von Sans&#x017F;ouci und Coblenz.<lb/></fw> Con&#x017F;equenzen der eignen An&#x017F;chauungen und daraus hervorgehender<lb/>
Enthalt&#x017F;amkeit von fernerer Einwirkung.</p><lb/>
        <p>In der Prinze&#x017F;&#x017F;in entwickelte &#x017F;ich während der Coblenzer Zeit<lb/>
noch eine Neigung, welche bei ihrer politi&#x017F;chen Thätigkeit mitwirkte<lb/>
und &#x017F;ich bis an ihr Lebensende erhielt.</p><lb/>
        <p>Der für den norddeut&#x017F;chen und namentlich für den Gedanken¬<lb/>
kreis einer kleinen Stadt in Mitten rein prote&#x017F;tanti&#x017F;cher Bevölkerung<lb/>
fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Für&#x017F;tin,<lb/>
die überhaupt das Fremde mehr intere&#x017F;&#x017F;irte, als das Näherliegende,<lb/>
Alltägliche, Hausbackne. Ein katholi&#x017F;cher Bi&#x017F;chof er&#x017F;chien vornehmer<lb/>
als ein General-Superintendent. Ein gewi&#x017F;&#x017F;es Wohlwollen für die<lb/>
katholi&#x017F;che Sache, welches ihr &#x017F;chon früher eigen und z. B. in der<lb/>
Wahl ihrer männlichen Umgebung und Diener&#x017F;chaft erkennbar war,<lb/>
wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie<lb/>
gewöhnte &#x017F;ich daran, die localen Intere&#x017F;&#x017F;en des alten Krumm&#x017F;tab-<lb/>
Landes und &#x017F;einer Gei&#x017F;tlichkeit als ihrer Für&#x017F;orge be&#x017F;onders zu¬<lb/>
gewie&#x017F;en anzu&#x017F;ehn und zu vertreten. Das moderne confe&#x017F;&#x017F;ionelle<lb/>
Selb&#x017F;tgefühl auf dem Grunde ge&#x017F;chichtlicher Tradition, das in dem<lb/>
Prinzen die prote&#x017F;tanti&#x017F;che Sympathie nicht &#x017F;elten mit Schärfe<lb/>
hervortreten ließ, war &#x017F;einer Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr<lb/>
Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte &#x017F;ich<lb/>
u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmer&#x017F;tein mir am 9. Oc¬<lb/>
tober 1863 &#x017F;chrieb, wohlge&#x017F;innte Leute am Rhein riethen, der König<lb/>
möge nicht zum Dombaufe&#x017F;t kommen, &#x017F;ondern lieber I. Maje&#x017F;tät<lb/>
&#x017F;chicken, &#x201E;die mit Enthu&#x017F;iasmus würde empfangen werden&#x201C;. Ein<lb/>
Bei&#x017F;piel der wirk&#x017F;amen Energie, mit der &#x017F;ie die Wün&#x017F;che der Gei&#x017F;<lb/>
lichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der<lb/>
&#x017F;ogenannten Metzer Ei&#x017F;enbahn genöthigt wurde, weil die Gei&#x017F;<lb/>
lichkeit &#x017F;ich eines katholi&#x017F;chen Kirchhofs, der berührt werden &#x017F;ollte,<lb/>
angenommen hatte und darin von der Kai&#x017F;erin &#x017F;o erfolgreich unter¬<lb/>
&#x017F;tützt wurde, daß die Richtung geändert und &#x017F;chwierige Bauten<lb/><hi rendition="#aq">ad hoc</hi> herge&#x017F;tellt wurden.</p><lb/>
        <p>Unter dem 27. October 1877 &#x017F;chrieb mir der Staats&#x017F;ekretär<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0152] Gegnerſchaft der Höef von Sansſouci und Coblenz. Conſequenzen der eignen Anſchauungen und daraus hervorgehender Enthaltſamkeit von fernerer Einwirkung. In der Prinzeſſin entwickelte ſich während der Coblenzer Zeit noch eine Neigung, welche bei ihrer politiſchen Thätigkeit mitwirkte und ſich bis an ihr Lebensende erhielt. Der für den norddeutſchen und namentlich für den Gedanken¬ kreis einer kleinen Stadt in Mitten rein proteſtantiſcher Bevölkerung fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürſtin, die überhaupt das Fremde mehr intereſſirte, als das Näherliegende, Alltägliche, Hausbackne. Ein katholiſcher Biſchof erſchien vornehmer als ein General-Superintendent. Ein gewiſſes Wohlwollen für die katholiſche Sache, welches ihr ſchon früher eigen und z. B. in der Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerſchaft erkennbar war, wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie gewöhnte ſich daran, die localen Intereſſen des alten Krummſtab- Landes und ſeiner Geiſtlichkeit als ihrer Fürſorge beſonders zu¬ gewieſen anzuſehn und zu vertreten. Das moderne confeſſionelle Selbſtgefühl auf dem Grunde geſchichtlicher Tradition, das in dem Prinzen die proteſtantiſche Sympathie nicht ſelten mit Schärfe hervortreten ließ, war ſeiner Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte ſich u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmerſtein mir am 9. Oc¬ tober 1863 ſchrieb, wohlgeſinnte Leute am Rhein riethen, der König möge nicht zum Dombaufeſt kommen, ſondern lieber I. Majeſtät ſchicken, „die mit Enthuſiasmus würde empfangen werden“. Ein Beiſpiel der wirkſamen Energie, mit der ſie die Wünſche der Geiſt¬ lichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der ſogenannten Metzer Eiſenbahn genöthigt wurde, weil die Geiſt¬ lichkeit ſich eines katholiſchen Kirchhofs, der berührt werden ſollte, angenommen hatte und darin von der Kaiſerin ſo erfolgreich unter¬ ſtützt wurde, daß die Richtung geändert und ſchwierige Bauten ad hoc hergeſtellt wurden. Unter dem 27. October 1877 ſchrieb mir der Staatsſekretär

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/152
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/152>, abgerufen am 24.11.2024.