Daß die Denkschriften, welche die Goltzsche Fraction als Kampfmittel gegen Manteuffel bei dem Könige und dem Prinzen von Preußen verwerthen und dann in der Presse und durch fremde Diplomaten ausnutzen ließ, nicht ohne Eindruck auf den Prinzen geblieben waren, erkannte ich unter Anderm daran, daß ich bei ihm auf die Haxthausensche Theorie von den drei Zonen 1)stieß.
Wirksamer noch als durch die politischen Argumentationen der Bethmann-Hollwegschen Coterie wurde der Prinz von seiner Ge¬ malin im westmächtlichen Sinne beeinflußt und in eine Art von Oppositionsstellung gegen den Bruder gebracht, die seinen mili¬ tärischen Instincten fern lag. Die Prinzessin Augusta hat aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt, daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den einheimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Blutes, daß sich an ihr unsre nationale Art bewährte, welche in der Redensart ihren schärfsten Ausdruck findet: "Das ist nicht weit her, taugt also nichts." Trotz Goethe, Schiller und allen andern Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur Gegenwart auf unserm Nationalgefühl gelastet hat: daß ein Franzose und vollends ein Engländer durch seine Natio¬
1) S. o. S. 110.
Sechſtes Kapitel. Sansſouci und Coblenz.
Daß die Denkſchriften, welche die Goltzſche Fraction als Kampfmittel gegen Manteuffel bei dem Könige und dem Prinzen von Preußen verwerthen und dann in der Preſſe und durch fremde Diplomaten ausnutzen ließ, nicht ohne Eindruck auf den Prinzen geblieben waren, erkannte ich unter Anderm daran, daß ich bei ihm auf die Haxthauſenſche Theorie von den drei Zonen 1)ſtieß.
Wirkſamer noch als durch die politiſchen Argumentationen der Bethmann-Hollwegſchen Coterie wurde der Prinz von ſeiner Ge¬ malin im weſtmächtlichen Sinne beeinflußt und in eine Art von Oppoſitionsſtellung gegen den Bruder gebracht, die ſeinen mili¬ täriſchen Inſtincten fern lag. Die Prinzeſſin Auguſta hat aus ihrer weimariſchen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt, daß franzöſiſche und noch mehr engliſche Autoritäten und Perſonen den einheimiſchen überlegen ſeien. Sie war darin echt deutſchen Blutes, daß ſich an ihr unſre nationale Art bewährte, welche in der Redensart ihren ſchärfſten Ausdruck findet: „Das iſt nicht weit her, taugt alſo nichts.“ Trotz Goethe, Schiller und allen andern Größen in den elyſeiſchen Gefilden von Weimar war doch dieſe geiſtig hervorragende Reſidenz nicht frei von dem Alp, der bis zur Gegenwart auf unſerm Nationalgefühl gelaſtet hat: daß ein Franzoſe und vollends ein Engländer durch ſeine Natio¬
1) S. o. S. 110.
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[[121]/0148]
Sechſtes Kapitel.
Sansſouci und Coblenz.
Daß die Denkſchriften, welche die Goltzſche Fraction als
Kampfmittel gegen Manteuffel bei dem Könige und dem Prinzen
von Preußen verwerthen und dann in der Preſſe und durch fremde
Diplomaten ausnutzen ließ, nicht ohne Eindruck auf den Prinzen
geblieben waren, erkannte ich unter Anderm daran, daß ich bei ihm
auf die Haxthauſenſche Theorie von den drei Zonen 1)ſtieß.
Wirkſamer noch als durch die politiſchen Argumentationen der
Bethmann-Hollwegſchen Coterie wurde der Prinz von ſeiner Ge¬
malin im weſtmächtlichen Sinne beeinflußt und in eine Art von
Oppoſitionsſtellung gegen den Bruder gebracht, die ſeinen mili¬
täriſchen Inſtincten fern lag. Die Prinzeſſin Auguſta hat aus
ihrer weimariſchen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck
bewahrt, daß franzöſiſche und noch mehr engliſche Autoritäten und
Perſonen den einheimiſchen überlegen ſeien. Sie war darin echt
deutſchen Blutes, daß ſich an ihr unſre nationale Art bewährte,
welche in der Redensart ihren ſchärfſten Ausdruck findet: „Das
iſt nicht weit her, taugt alſo nichts.“ Trotz Goethe, Schiller und
allen andern Größen in den elyſeiſchen Gefilden von Weimar war
doch dieſe geiſtig hervorragende Reſidenz nicht frei von dem Alp,
der bis zur Gegenwart auf unſerm Nationalgefühl gelaſtet hat:
daß ein Franzoſe und vollends ein Engländer durch ſeine Natio¬
1)
S. o. S. 110.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. [121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/148>, abgerufen am 23.11.2024.
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