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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Auszüge aus Briefen des Generals v. Gerlach.
Princip, denn ich halte mich an die heilige Schrift, daß man nicht
Böses thun darf, daß Gutes daraus werde, weil derer, die das thun,
Verdammniß ganz recht ist. Mit Bonaparte und dem Liberalismus
buhlen ist aber böse, im gegebenen Falle aber außerdem auch meines
Erachtens unweise. Sie vergessen (ein Fehler, in den Jeder fällt,
der eine Weile von hier fort ist) die Persönlichkeiten, welche doch
das Entscheidende sind. Wie können Sie solche indirecten Finasse¬
rien mit einem völlig principienlosen, unzuverlässigen Minister, der
in den falschen Weg unwillkürlich hineingezogen wird, und mit
einem, um nicht mehr zu sagen, unberechenbar eigenthümlichen
Herrn machen. Bedenken Sie doch, daß Manteuffel principaliter
Bonapartist ist, denken Sie an sein Benehmen bei dem coup d'etat,
an die von ihm damals patronisirte Quehl'sche Schrift, und wenn
Sie etwas Neueres haben wollen, so kann ich Ihnen sagen, daß
er jetzt an Werther (damals Gesandter in Petersburg) die thörichte
Ansicht geschrieben hat, daß wenn man Rußland nützen wolle,
man dem Vertrage vom 2. December beitreten müsse, um bei den
Verhandlungen mitzusprechen.

Nehmen die Verhandlungen in Wien einen Charakter an, so
daß man auf einen Erfolg rechnen könnte, so wird man uns schon
zuziehen und uns mit unsern 300000 Mann nicht ignoriren. Schon
jetzt wäre das nicht möglich, wenn man sich nicht durch Hinken,
nicht wie das oft geschehen nach zwei, sondern, was selten ge¬
schehen, nach drei Seiten, um alles Vertrauen und alle Einflößung
von Furcht gebracht hätte.

Ich wünsche sehr, daß Sie, wenn auch nur auf einige Tage,
herkämen, um sich zu orientiren. Ich weiß aus eigner Erfahrung,
wie schnell man bei einer irgend längeren Abwesenheit desorientirt
ist. Denn eben wegen ihrer personalissimen Eigenschaft ist es
so schwer, unsre Zustände durch Schreiben verständlich zu machen,
besonders wenn unzuverlässige principienlose Charaktere im Spiele
sind. Mir ist immer sehr unheimlich, wenn Se. Majestät mit
Manteuffel Geheimnisse haben, denn wenn der König seiner Sache

Auszüge aus Briefen des Generals v. Gerlach.
Princip, denn ich halte mich an die heilige Schrift, daß man nicht
Böſes thun darf, daß Gutes daraus werde, weil derer, die das thun,
Verdammniß ganz recht iſt. Mit Bonaparte und dem Liberalismus
buhlen iſt aber böſe, im gegebenen Falle aber außerdem auch meines
Erachtens unweiſe. Sie vergeſſen (ein Fehler, in den Jeder fällt,
der eine Weile von hier fort iſt) die Perſönlichkeiten, welche doch
das Entſcheidende ſind. Wie können Sie ſolche indirecten Finaſſe¬
rien mit einem völlig principienloſen, unzuverläſſigen Miniſter, der
in den falſchen Weg unwillkürlich hineingezogen wird, und mit
einem, um nicht mehr zu ſagen, unberechenbar eigenthümlichen
Herrn machen. Bedenken Sie doch, daß Manteuffel principaliter
Bonapartiſt iſt, denken Sie an ſein Benehmen bei dem coup d'état,
an die von ihm damals patroniſirte Quehl'ſche Schrift, und wenn
Sie etwas Neueres haben wollen, ſo kann ich Ihnen ſagen, daß
er jetzt an Werther (damals Geſandter in Petersburg) die thörichte
Anſicht geſchrieben hat, daß wenn man Rußland nützen wolle,
man dem Vertrage vom 2. December beitreten müſſe, um bei den
Verhandlungen mitzuſprechen.

Nehmen die Verhandlungen in Wien einen Charakter an, ſo
daß man auf einen Erfolg rechnen könnte, ſo wird man uns ſchon
zuziehen und uns mit unſern 300000 Mann nicht ignoriren. Schon
jetzt wäre das nicht möglich, wenn man ſich nicht durch Hinken,
nicht wie das oft geſchehen nach zwei, ſondern, was ſelten ge¬
ſchehen, nach drei Seiten, um alles Vertrauen und alle Einflößung
von Furcht gebracht hätte.

Ich wünſche ſehr, daß Sie, wenn auch nur auf einige Tage,
herkämen, um ſich zu orientiren. Ich weiß aus eigner Erfahrung,
wie ſchnell man bei einer irgend längeren Abweſenheit desorientirt
iſt. Denn eben wegen ihrer personalissimen Eigenſchaft iſt es
ſo ſchwer, unſre Zuſtände durch Schreiben verſtändlich zu machen,
beſonders wenn unzuverläſſige principienloſe Charaktere im Spiele
ſind. Mir iſt immer ſehr unheimlich, wenn Se. Majeſtät mit
Manteuffel Geheimniſſe haben, denn wenn der König ſeiner Sache

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[107/0134] Auszüge aus Briefen des Generals v. Gerlach. Princip, denn ich halte mich an die heilige Schrift, daß man nicht Böſes thun darf, daß Gutes daraus werde, weil derer, die das thun, Verdammniß ganz recht iſt. Mit Bonaparte und dem Liberalismus buhlen iſt aber böſe, im gegebenen Falle aber außerdem auch meines Erachtens unweiſe. Sie vergeſſen (ein Fehler, in den Jeder fällt, der eine Weile von hier fort iſt) die Perſönlichkeiten, welche doch das Entſcheidende ſind. Wie können Sie ſolche indirecten Finaſſe¬ rien mit einem völlig principienloſen, unzuverläſſigen Miniſter, der in den falſchen Weg unwillkürlich hineingezogen wird, und mit einem, um nicht mehr zu ſagen, unberechenbar eigenthümlichen Herrn machen. Bedenken Sie doch, daß Manteuffel principaliter Bonapartiſt iſt, denken Sie an ſein Benehmen bei dem coup d'état, an die von ihm damals patroniſirte Quehl'ſche Schrift, und wenn Sie etwas Neueres haben wollen, ſo kann ich Ihnen ſagen, daß er jetzt an Werther (damals Geſandter in Petersburg) die thörichte Anſicht geſchrieben hat, daß wenn man Rußland nützen wolle, man dem Vertrage vom 2. December beitreten müſſe, um bei den Verhandlungen mitzuſprechen. Nehmen die Verhandlungen in Wien einen Charakter an, ſo daß man auf einen Erfolg rechnen könnte, ſo wird man uns ſchon zuziehen und uns mit unſern 300000 Mann nicht ignoriren. Schon jetzt wäre das nicht möglich, wenn man ſich nicht durch Hinken, nicht wie das oft geſchehen nach zwei, ſondern, was ſelten ge¬ ſchehen, nach drei Seiten, um alles Vertrauen und alle Einflößung von Furcht gebracht hätte. Ich wünſche ſehr, daß Sie, wenn auch nur auf einige Tage, herkämen, um ſich zu orientiren. Ich weiß aus eigner Erfahrung, wie ſchnell man bei einer irgend längeren Abweſenheit desorientirt iſt. Denn eben wegen ihrer personalissimen Eigenſchaft iſt es ſo ſchwer, unſre Zuſtände durch Schreiben verſtändlich zu machen, beſonders wenn unzuverläſſige principienloſe Charaktere im Spiele ſind. Mir iſt immer ſehr unheimlich, wenn Se. Majeſtät mit Manteuffel Geheimniſſe haben, denn wenn der König ſeiner Sache

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/134>, abgerufen am 23.11.2024.