Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Geringer Erfolg der Dresdner Verhandlungen. daß 100000 Mann hinter ihm gehn," bezeugt eine Renommage, dieman dem geistreichen Könige nur in einer der Anwandlungen von übertriebener Sparsamkeit zutrauen kann. Heut hat jeder 100000 Mann, nur wir hatten sie, wie es scheint, zur Dresdner Zeit nicht verfügbar. Der Grundirrthum der damaligen preußischen Politik war der, daß man glaubte, Erfolge, die nur durch Kampf oder durch Bereitschaft dazu gewonnen werden konnten, würden sich durch publicistische, parlamentarische und diplomatische Heuche¬ leien in der Gestalt erreichen lassen, daß sie als unsrer tugend¬ haften Bescheidenheit zum Lohn oratorischer Bethätigung unsrer "deutschen Gesinnung" aufgezwungen erschienen. Man nannte das später "moralische" Eroberungen; es war die Hoffnung, daß Andre für uns thun würden, was wir selbst nicht wagten. Geringer Erfolg der Dresdner Verhandlungen. daß 100000 Mann hinter ihm gehn,“ bezeugt eine Renommage, dieman dem geiſtreichen Könige nur in einer der Anwandlungen von übertriebener Sparſamkeit zutrauen kann. Heut hat jeder 100000 Mann, nur wir hatten ſie, wie es ſcheint, zur Dresdner Zeit nicht verfügbar. Der Grundirrthum der damaligen preußiſchen Politik war der, daß man glaubte, Erfolge, die nur durch Kampf oder durch Bereitſchaft dazu gewonnen werden konnten, würden ſich durch publiciſtiſche, parlamentariſche und diplomatiſche Heuche¬ leien in der Geſtalt erreichen laſſen, daß ſie als unſrer tugend¬ haften Beſcheidenheit zum Lohn oratoriſcher Bethätigung unſrer „deutſchen Geſinnung“ aufgezwungen erſchienen. Man nannte das ſpäter „moraliſche“ Eroberungen; es war die Hoffnung, daß Andre für uns thun würden, was wir ſelbſt nicht wagten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0104" n="77"/><fw place="top" type="header">Geringer Erfolg der Dresdner Verhandlungen.<lb/></fw> daß 100000 Mann hinter ihm gehn,“ bezeugt eine Renommage, die<lb/> man dem geiſtreichen Könige nur in einer der Anwandlungen<lb/> von übertriebener Sparſamkeit zutrauen kann. Heut hat jeder<lb/> 100000 Mann, nur wir hatten ſie, wie es ſcheint, zur Dresdner<lb/> Zeit nicht verfügbar. Der Grundirrthum der damaligen preußiſchen<lb/> Politik war der, daß man glaubte, Erfolge, die nur durch Kampf<lb/> oder durch Bereitſchaft dazu gewonnen werden konnten, würden<lb/> ſich durch publiciſtiſche, parlamentariſche und diplomatiſche Heuche¬<lb/> leien in der Geſtalt erreichen laſſen, daß ſie als unſrer tugend¬<lb/> haften Beſcheidenheit zum Lohn oratoriſcher Bethätigung unſrer<lb/> „deutſchen Geſinnung“ aufgezwungen erſchienen. Man nannte das<lb/> ſpäter „moraliſche“ Eroberungen; es war die Hoffnung, daß Andre<lb/> für uns thun würden, was wir ſelbſt nicht wagten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0104]
Geringer Erfolg der Dresdner Verhandlungen.
daß 100000 Mann hinter ihm gehn,“ bezeugt eine Renommage, die
man dem geiſtreichen Könige nur in einer der Anwandlungen
von übertriebener Sparſamkeit zutrauen kann. Heut hat jeder
100000 Mann, nur wir hatten ſie, wie es ſcheint, zur Dresdner
Zeit nicht verfügbar. Der Grundirrthum der damaligen preußiſchen
Politik war der, daß man glaubte, Erfolge, die nur durch Kampf
oder durch Bereitſchaft dazu gewonnen werden konnten, würden
ſich durch publiciſtiſche, parlamentariſche und diplomatiſche Heuche¬
leien in der Geſtalt erreichen laſſen, daß ſie als unſrer tugend¬
haften Beſcheidenheit zum Lohn oratoriſcher Bethätigung unſrer
„deutſchen Geſinnung“ aufgezwungen erſchienen. Man nannte das
ſpäter „moraliſche“ Eroberungen; es war die Hoffnung, daß Andre
für uns thun würden, was wir ſelbſt nicht wagten.
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