Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen Dienstes noch nicht so vertraut wie später, war ich doch als Laie nicht zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns überhaupt geboten oder annehmbar erschien, auch nach Olmütz in den Dresdner Ver¬ handlungen jederzeit gefunden und durch Abbruch derselben herbei¬ geführt werden konnte. Stockhausen hatte mir gelegentlich sechs Wochen als die Frist bezeichnet, deren er bedürfte, um fechten zu können, und es wäre nach meiner Ansicht nicht schwer gewesen, das Doppelte derselben durch geschickte Leitung der Verhandlungen in Dresden zu gewinnen, wenn bei uns die momentane Unfertigkeit der militärischen Rüstungen der einzige Grund gewesen wäre, uns eine kriegerische Lösung zu versagen. Wenn die Dresdner Ver¬ handlungen nicht dazu benutzt worden sind, im preußischen Sinne entweder ein höheres Resultat oder einen berechtigt erscheinenden Anlaß zum Kriege zu gewinnen, so ist mir niemals klar geworden, ob die auffällige Beschränkung unsrer Ziele in Dresden von dem Könige oder von Herrn von Manteuffel, dem neuen auswärtigen Minister, ausgegangen ist. Ich habe damals nur den Eindruck ge¬ habt, daß letztrer nach seinem Vorleben als Landrath, Regirungs- Präsident und Director im Ministerium des Innern sich in der Sicherheit seines Auftretens durch die renommirenden vornehmen Verkehrsformen des Fürsten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon die häusliche Erscheinung Beider in Dresden -- Fürst Schwarzenberg mit Livreen, Silbergeschirr und Champagner im ersten Stock, der preußische Minister mit Kanzleidienern und Wassergläsern eine Treppe höher -- war geeignet, auf das Selbstgefühl der betheiligten Vertreter beider Großmächte und auf ihre Einschätzung durch die übrigen deutschen Vertreter nachtheilig für uns zu wirken. Die alte preußische Einfachheit, die Friedrich der Große seinem Vertreter in London mit der Redensart empfahl: "Sage Er, wenn Er zu Fuß geht,
Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
III.
Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen Dienſtes noch nicht ſo vertraut wie ſpäter, war ich doch als Laie nicht zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns überhaupt geboten oder annehmbar erſchien, auch nach Olmütz in den Dresdner Ver¬ handlungen jederzeit gefunden und durch Abbruch derſelben herbei¬ geführt werden konnte. Stockhauſen hatte mir gelegentlich ſechs Wochen als die Friſt bezeichnet, deren er bedürfte, um fechten zu können, und es wäre nach meiner Anſicht nicht ſchwer geweſen, das Doppelte derſelben durch geſchickte Leitung der Verhandlungen in Dresden zu gewinnen, wenn bei uns die momentane Unfertigkeit der militäriſchen Rüſtungen der einzige Grund geweſen wäre, uns eine kriegeriſche Löſung zu verſagen. Wenn die Dresdner Ver¬ handlungen nicht dazu benutzt worden ſind, im preußiſchen Sinne entweder ein höheres Reſultat oder einen berechtigt erſcheinenden Anlaß zum Kriege zu gewinnen, ſo iſt mir niemals klar geworden, ob die auffällige Beſchränkung unſrer Ziele in Dresden von dem Könige oder von Herrn von Manteuffel, dem neuen auswärtigen Miniſter, ausgegangen iſt. Ich habe damals nur den Eindruck ge¬ habt, daß letztrer nach ſeinem Vorleben als Landrath, Regirungs- Präſident und Director im Miniſterium des Innern ſich in der Sicherheit ſeines Auftretens durch die renommirenden vornehmen Verkehrsformen des Fürſten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon die häusliche Erſcheinung Beider in Dresden — Fürſt Schwarzenberg mit Livreen, Silbergeſchirr und Champagner im erſten Stock, der preußiſche Miniſter mit Kanzleidienern und Waſſergläſern eine Treppe höher — war geeignet, auf das Selbſtgefühl der betheiligten Vertreter beider Großmächte und auf ihre Einſchätzung durch die übrigen deutſchen Vertreter nachtheilig für uns zu wirken. Die alte preußiſche Einfachheit, die Friedrich der Große ſeinem Vertreter in London mit der Redensart empfahl: „Sage Er, wenn Er zu Fuß geht,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0103"n="76"/><fwplace="top"type="header">Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.<lb/></fw></div><divn="2"><head><hirendition="#aq">III.</hi><lb/></head><p>Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen Dienſtes<lb/>
noch nicht ſo vertraut wie ſpäter, war ich doch als Laie nicht<lb/>
zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns überhaupt geboten<lb/>
oder annehmbar erſchien, auch nach Olmütz in den Dresdner Ver¬<lb/>
handlungen jederzeit gefunden und durch Abbruch derſelben herbei¬<lb/>
geführt werden konnte. Stockhauſen hatte mir gelegentlich ſechs<lb/>
Wochen als die Friſt bezeichnet, deren er bedürfte, um fechten zu<lb/>
können, und es wäre nach meiner Anſicht nicht ſchwer geweſen,<lb/>
das Doppelte derſelben durch geſchickte Leitung der Verhandlungen<lb/>
in Dresden zu gewinnen, wenn bei uns die momentane Unfertigkeit<lb/>
der militäriſchen Rüſtungen der einzige Grund geweſen wäre, uns<lb/>
eine kriegeriſche Löſung zu verſagen. Wenn die Dresdner Ver¬<lb/>
handlungen nicht dazu benutzt worden ſind, im preußiſchen Sinne<lb/>
entweder ein höheres Reſultat oder einen berechtigt erſcheinenden<lb/>
Anlaß zum Kriege zu gewinnen, ſo iſt mir niemals klar geworden,<lb/>
ob die auffällige Beſchränkung unſrer Ziele in Dresden von dem<lb/>
Könige oder von Herrn von Manteuffel, dem neuen auswärtigen<lb/>
Miniſter, ausgegangen iſt. Ich habe damals nur den Eindruck ge¬<lb/>
habt, daß letztrer nach ſeinem Vorleben als Landrath, Regirungs-<lb/>
Präſident und Director im Miniſterium des Innern ſich in der<lb/>
Sicherheit ſeines Auftretens durch die renommirenden vornehmen<lb/>
Verkehrsformen des Fürſten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon<lb/>
die häusliche Erſcheinung Beider in Dresden — Fürſt Schwarzenberg<lb/>
mit Livreen, Silbergeſchirr und Champagner im erſten Stock, der<lb/>
preußiſche Miniſter mit Kanzleidienern und Waſſergläſern eine Treppe<lb/>
höher — war geeignet, auf das Selbſtgefühl der betheiligten Vertreter<lb/>
beider Großmächte und auf ihre Einſchätzung durch die übrigen<lb/>
deutſchen Vertreter nachtheilig für uns zu wirken. Die alte preußiſche<lb/>
Einfachheit, die Friedrich der Große ſeinem Vertreter in London<lb/>
mit der Redensart empfahl: „Sage Er, wenn Er zu Fuß geht,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[76/0103]
Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
III.
Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen Dienſtes
noch nicht ſo vertraut wie ſpäter, war ich doch als Laie nicht
zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns überhaupt geboten
oder annehmbar erſchien, auch nach Olmütz in den Dresdner Ver¬
handlungen jederzeit gefunden und durch Abbruch derſelben herbei¬
geführt werden konnte. Stockhauſen hatte mir gelegentlich ſechs
Wochen als die Friſt bezeichnet, deren er bedürfte, um fechten zu
können, und es wäre nach meiner Anſicht nicht ſchwer geweſen,
das Doppelte derſelben durch geſchickte Leitung der Verhandlungen
in Dresden zu gewinnen, wenn bei uns die momentane Unfertigkeit
der militäriſchen Rüſtungen der einzige Grund geweſen wäre, uns
eine kriegeriſche Löſung zu verſagen. Wenn die Dresdner Ver¬
handlungen nicht dazu benutzt worden ſind, im preußiſchen Sinne
entweder ein höheres Reſultat oder einen berechtigt erſcheinenden
Anlaß zum Kriege zu gewinnen, ſo iſt mir niemals klar geworden,
ob die auffällige Beſchränkung unſrer Ziele in Dresden von dem
Könige oder von Herrn von Manteuffel, dem neuen auswärtigen
Miniſter, ausgegangen iſt. Ich habe damals nur den Eindruck ge¬
habt, daß letztrer nach ſeinem Vorleben als Landrath, Regirungs-
Präſident und Director im Miniſterium des Innern ſich in der
Sicherheit ſeines Auftretens durch die renommirenden vornehmen
Verkehrsformen des Fürſten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon
die häusliche Erſcheinung Beider in Dresden — Fürſt Schwarzenberg
mit Livreen, Silbergeſchirr und Champagner im erſten Stock, der
preußiſche Miniſter mit Kanzleidienern und Waſſergläſern eine Treppe
höher — war geeignet, auf das Selbſtgefühl der betheiligten Vertreter
beider Großmächte und auf ihre Einſchätzung durch die übrigen
deutſchen Vertreter nachtheilig für uns zu wirken. Die alte preußiſche
Einfachheit, die Friedrich der Große ſeinem Vertreter in London
mit der Redensart empfahl: „Sage Er, wenn Er zu Fuß geht,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/103>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.