Das ist die Art, wie sich die Verzweiflung des Volkes gerne entlädt.
In der ersten Selekta ging ein Gemunkel von Verrat, und man hatte natürlich die zweite Selekta im Verdacht. Schon war man daran, über die Strafen zu beratschlagen, die hier am Platze waren, da wurde Fliczek durch den Inspektor heraus¬ gerufen.
-- Der Hund! Die Petze! So ein Schuft! Also der Czeche! Natürlich: Der Czeche!
Die entrüstete Schaar ahnte nicht, daß ihnen in dem beschimpften Böhmen ein Blitzableiter er¬ standen war.
[Abbildung]
Die Lehrerconferenz, vor deren Beschluß die beiden Selekten zitterten, befaßte sich einstweilen gar nicht mit dem Raubzug auf die Äpfel, sondern mit einem viel gräulicheren Faktum: Mit "der un¬ glaublichen sittlichen Verworfenheit dieses entarteten Burschen da", wie der Direktor sich in gehobener Rede ausdrückte, indem er auf Fliczek wies.
Stilpe.
Das iſt die Art, wie ſich die Verzweiflung des Volkes gerne entlädt.
In der erſten Selekta ging ein Gemunkel von Verrat, und man hatte natürlich die zweite Selekta im Verdacht. Schon war man daran, über die Strafen zu beratſchlagen, die hier am Platze waren, da wurde Fliczek durch den Inſpektor heraus¬ gerufen.
— Der Hund! Die Petze! So ein Schuft! Alſo der Czeche! Natürlich: Der Czeche!
Die entrüſtete Schaar ahnte nicht, daß ihnen in dem beſchimpften Böhmen ein Blitzableiter er¬ ſtanden war.
[Abbildung]
Die Lehrerconferenz, vor deren Beſchluß die beiden Selekten zitterten, befaßte ſich einſtweilen gar nicht mit dem Raubzug auf die Äpfel, ſondern mit einem viel gräulicheren Faktum: Mit „der un¬ glaublichen ſittlichen Verworfenheit dieſes entarteten Burſchen da“, wie der Direktor ſich in gehobener Rede ausdrückte, indem er auf Fliczek wies.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0082"n="68"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw><p>Das iſt die Art, wie ſich die Verzweiflung des<lb/>
Volkes gerne entlädt.</p><lb/><p>In der erſten Selekta ging ein Gemunkel von<lb/>
Verrat, und man hatte natürlich die zweite Selekta<lb/>
im Verdacht. Schon war man daran, über die<lb/>
Strafen zu beratſchlagen, die hier am Platze waren,<lb/>
da wurde Fliczek durch den Inſpektor heraus¬<lb/>
gerufen.</p><lb/><p>— Der Hund! Die Petze! So ein Schuft!<lb/>
Alſo der Czeche! Natürlich: Der Czeche!</p><lb/><p>Die entrüſtete Schaar ahnte nicht, daß ihnen<lb/>
in dem beſchimpften Böhmen ein Blitzableiter er¬<lb/>ſtanden war.</p><lb/><figure/><p>Die Lehrerconferenz, vor deren Beſchluß die<lb/>
beiden Selekten zitterten, befaßte ſich einſtweilen<lb/>
gar nicht mit dem Raubzug auf die Äpfel, ſondern<lb/>
mit einem viel gräulicheren Faktum: Mit „der un¬<lb/>
glaublichen ſittlichen Verworfenheit dieſes entarteten<lb/>
Burſchen da“, wie der Direktor ſich in gehobener<lb/>
Rede ausdrückte, indem er auf Fliczek wies.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[68/0082]
Stilpe.
Das iſt die Art, wie ſich die Verzweiflung des
Volkes gerne entlädt.
In der erſten Selekta ging ein Gemunkel von
Verrat, und man hatte natürlich die zweite Selekta
im Verdacht. Schon war man daran, über die
Strafen zu beratſchlagen, die hier am Platze waren,
da wurde Fliczek durch den Inſpektor heraus¬
gerufen.
— Der Hund! Die Petze! So ein Schuft!
Alſo der Czeche! Natürlich: Der Czeche!
Die entrüſtete Schaar ahnte nicht, daß ihnen
in dem beſchimpften Böhmen ein Blitzableiter er¬
ſtanden war.
[Abbildung]
Die Lehrerconferenz, vor deren Beſchluß die
beiden Selekten zitterten, befaßte ſich einſtweilen
gar nicht mit dem Raubzug auf die Äpfel, ſondern
mit einem viel gräulicheren Faktum: Mit „der un¬
glaublichen ſittlichen Verworfenheit dieſes entarteten
Burſchen da“, wie der Direktor ſich in gehobener
Rede ausdrückte, indem er auf Fliczek wies.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/82>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.