Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Buch, Schlußkapitel.

Und dann der Ton, wenn mans ein bischen
dumpf und gedehnt sagt, -- das O ist sublim.
Wie wenn man über einen Flaschenhals hinpfeift.
Heisere Sirenen.

Indessen! Höre mich! Höre mich! Ich sage
Dir: Sterben ist ein dummes Wort. Man sollte
Schtärben schreiben. Da käme die ganze breit hin¬
geschmierte Gemeinheit des Wortes zu Tage. Ekel.
Würgen. Fuselaufstoßen.

Und quoad Fusel, ich weiß nicht recht: Ist der
Fusel von heute schuld oder die ostpreußische Bowle
von damals . . . ?

Schuld? Schuld? Das Wort macht mir
Wut. Wie ein Brummer rennts an mich an. Bin
ich eine Fensterscheibe? Fliegenklatsche her! Fliegen¬
klatsche!

Sei ruhig! Ich bin nicht betrunken. Wirklich
nicht. Das ist es ja eben! Ich bin nicht betrunken,
und ich werde es niemals mehr sein. Blos manch¬
mal verrückt. Entschieden, Alter! Verrückt, das
heißt: Geschüttelt, gezerrt, gestoßen, an die Wand
geworfen, -- und dazu lacht Einer.

Das Lachen legt sich Dir um den Hals wie
eine Peitschenschnur um den Kreisel, einmal, zwei¬
mal, dreimal, viermal, fünfmal, immer nochmal,

Viertes Buch, Schlußkapitel.

Und dann der Ton, wenn mans ein bischen
dumpf und gedehnt ſagt, — das O iſt ſublim.
Wie wenn man über einen Flaſchenhals hinpfeift.
Heiſere Sirenen.

Indeſſen! Höre mich! Höre mich! Ich ſage
Dir: Sterben iſt ein dummes Wort. Man ſollte
Schtärben ſchreiben. Da käme die ganze breit hin¬
geſchmierte Gemeinheit des Wortes zu Tage. Ekel.
Würgen. Fuſelaufſtoßen.

Und quoad Fuſel, ich weiß nicht recht: Iſt der
Fuſel von heute ſchuld oder die oſtpreußiſche Bowle
von damals . . . ?

Schuld? Schuld? Das Wort macht mir
Wut. Wie ein Brummer rennts an mich an. Bin
ich eine Fenſterſcheibe? Fliegenklatſche her! Fliegen¬
klatſche!

Sei ruhig! Ich bin nicht betrunken. Wirklich
nicht. Das iſt es ja eben! Ich bin nicht betrunken,
und ich werde es niemals mehr ſein. Blos manch¬
mal verrückt. Entſchieden, Alter! Verrückt, das
heißt: Geſchüttelt, gezerrt, geſtoßen, an die Wand
geworfen, — und dazu lacht Einer.

Das Lachen legt ſich Dir um den Hals wie
eine Peitſchenſchnur um den Kreiſel, einmal, zwei¬
mal, dreimal, viermal, fünfmal, immer nochmal,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0419" n="405"/>
          <fw place="top" type="header">Viertes Buch, Schlußkapitel.<lb/></fw>
          <p>Und dann der Ton, wenn mans ein bischen<lb/>
dumpf und gedehnt &#x017F;agt, &#x2014; das O i&#x017F;t &#x017F;ublim.<lb/>
Wie wenn man über einen Fla&#x017F;chenhals hinpfeift.<lb/>
Hei&#x017F;ere Sirenen.</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en! Höre mich! Höre mich! Ich &#x017F;age<lb/>
Dir: Sterben i&#x017F;t ein dummes Wort. Man &#x017F;ollte<lb/>
Schtärben &#x017F;chreiben. Da käme die ganze breit hin¬<lb/>
ge&#x017F;chmierte Gemeinheit des Wortes zu Tage. Ekel.<lb/>
Würgen. Fu&#x017F;elauf&#x017F;toßen.</p><lb/>
          <p>Und quoad Fu&#x017F;el, ich weiß nicht recht: I&#x017F;t der<lb/>
Fu&#x017F;el von heute &#x017F;chuld oder die o&#x017F;tpreußi&#x017F;che Bowle<lb/>
von damals . . . ?</p><lb/>
          <p>Schuld? Schuld? Das Wort macht mir<lb/>
Wut. Wie ein Brummer rennts an mich an. Bin<lb/>
ich eine Fen&#x017F;ter&#x017F;cheibe? Fliegenklat&#x017F;che her! Fliegen¬<lb/>
klat&#x017F;che!</p><lb/>
          <p>Sei ruhig! Ich bin nicht betrunken. Wirklich<lb/>
nicht. Das i&#x017F;t es ja eben! Ich bin nicht betrunken,<lb/>
und ich werde es niemals mehr &#x017F;ein. Blos manch¬<lb/>
mal verrückt. Ent&#x017F;chieden, Alter! Verrückt, das<lb/>
heißt: Ge&#x017F;chüttelt, gezerrt, ge&#x017F;toßen, an die Wand<lb/>
geworfen, &#x2014; und dazu lacht Einer.</p><lb/>
          <p>Das Lachen legt &#x017F;ich Dir um den Hals wie<lb/>
eine Peit&#x017F;chen&#x017F;chnur um den Krei&#x017F;el, einmal, zwei¬<lb/>
mal, dreimal, viermal, fünfmal, immer nochmal,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0419] Viertes Buch, Schlußkapitel. Und dann der Ton, wenn mans ein bischen dumpf und gedehnt ſagt, — das O iſt ſublim. Wie wenn man über einen Flaſchenhals hinpfeift. Heiſere Sirenen. Indeſſen! Höre mich! Höre mich! Ich ſage Dir: Sterben iſt ein dummes Wort. Man ſollte Schtärben ſchreiben. Da käme die ganze breit hin¬ geſchmierte Gemeinheit des Wortes zu Tage. Ekel. Würgen. Fuſelaufſtoßen. Und quoad Fuſel, ich weiß nicht recht: Iſt der Fuſel von heute ſchuld oder die oſtpreußiſche Bowle von damals . . . ? Schuld? Schuld? Das Wort macht mir Wut. Wie ein Brummer rennts an mich an. Bin ich eine Fenſterſcheibe? Fliegenklatſche her! Fliegen¬ klatſche! Sei ruhig! Ich bin nicht betrunken. Wirklich nicht. Das iſt es ja eben! Ich bin nicht betrunken, und ich werde es niemals mehr ſein. Blos manch¬ mal verrückt. Entſchieden, Alter! Verrückt, das heißt: Geſchüttelt, gezerrt, geſtoßen, an die Wand geworfen, — und dazu lacht Einer. Das Lachen legt ſich Dir um den Hals wie eine Peitſchenſchnur um den Kreiſel, einmal, zwei¬ mal, dreimal, viermal, fünfmal, immer nochmal,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/419
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/419>, abgerufen am 22.11.2024.