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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Viertes Buch, viertes Kapitel.
ein paar haben sich indessen sogar auf der großen
Bühne erhalten. Aber Stilpe hat, ich sage es ohne
Überschwänglichkeit, ein Kunstwerk daraus gemacht.
Ich wäre auch ergriffen zwischen Lachen und Grausen
hin- und hergeworfen worden, wenn kein persön¬
liches Interesse mitgewirkt hätte.

Er kam langsam, ruckweise schwankend ans
der linken Coulisse und bewegte sich im Zickzack,
scheu sich umsehend, nach einer Bank rechts. Wie
er sich auf die hinfallen ließ, wie er den Cylinder
müde abnahm, sich durch die Haare fuhr und nun
mit einem leeren, ängstlichen Blick rund im Zu¬
schauerraum herumsah, das war für mich schon
ein Eindruck, wie ich ihn selten von einer Bühne
herab gehabt habe. Plötzlich kicherte er, bückte sich
und hob einen Zigarrenstummel auf, griff dann
lässig an sich herum, fuhr suchend in die Taschen,
zog die Hände resigniert heraus und sagte dann
leise vor sich hin: Ja, Feuer! Is nich!

Wieder ein paar Blicke im Kreise. Dann plötzliches
Aufrichten und im Vorwärtsschreiten das Bemühen,
nicht zu schwanken, sondern anständig, mit Würde
zu gehen. Und nun, an der Rampe, eine höfliche
Verbeugung vor dem Baßgeiger und im Tone
vollendeter Höflichkeit mit gebrochener Stimme:

Viertes Buch, viertes Kapitel.
ein paar haben ſich indeſſen ſogar auf der großen
Bühne erhalten. Aber Stilpe hat, ich ſage es ohne
Überſchwänglichkeit, ein Kunſtwerk daraus gemacht.
Ich wäre auch ergriffen zwiſchen Lachen und Grauſen
hin- und hergeworfen worden, wenn kein perſön¬
liches Intereſſe mitgewirkt hätte.

Er kam langſam, ruckweiſe ſchwankend ans
der linken Couliſſe und bewegte ſich im Zickzack,
ſcheu ſich umſehend, nach einer Bank rechts. Wie
er ſich auf die hinfallen ließ, wie er den Cylinder
müde abnahm, ſich durch die Haare fuhr und nun
mit einem leeren, ängſtlichen Blick rund im Zu¬
ſchauerraum herumſah, das war für mich ſchon
ein Eindruck, wie ich ihn ſelten von einer Bühne
herab gehabt habe. Plötzlich kicherte er, bückte ſich
und hob einen Zigarrenſtummel auf, griff dann
läſſig an ſich herum, fuhr ſuchend in die Taſchen,
zog die Hände reſigniert heraus und ſagte dann
leiſe vor ſich hin: Ja, Feuer! Is nich!

Wieder ein paar Blicke im Kreiſe. Dann plötzliches
Aufrichten und im Vorwärtsſchreiten das Bemühen,
nicht zu ſchwanken, ſondern anſtändig, mit Würde
zu gehen. Und nun, an der Rampe, eine höfliche
Verbeugung vor dem Baßgeiger und im Tone
vollendeter Höflichkeit mit gebrochener Stimme:

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[393/0407] Viertes Buch, viertes Kapitel. ein paar haben ſich indeſſen ſogar auf der großen Bühne erhalten. Aber Stilpe hat, ich ſage es ohne Überſchwänglichkeit, ein Kunſtwerk daraus gemacht. Ich wäre auch ergriffen zwiſchen Lachen und Grauſen hin- und hergeworfen worden, wenn kein perſön¬ liches Intereſſe mitgewirkt hätte. Er kam langſam, ruckweiſe ſchwankend ans der linken Couliſſe und bewegte ſich im Zickzack, ſcheu ſich umſehend, nach einer Bank rechts. Wie er ſich auf die hinfallen ließ, wie er den Cylinder müde abnahm, ſich durch die Haare fuhr und nun mit einem leeren, ängſtlichen Blick rund im Zu¬ ſchauerraum herumſah, das war für mich ſchon ein Eindruck, wie ich ihn ſelten von einer Bühne herab gehabt habe. Plötzlich kicherte er, bückte ſich und hob einen Zigarrenſtummel auf, griff dann läſſig an ſich herum, fuhr ſuchend in die Taſchen, zog die Hände reſigniert heraus und ſagte dann leiſe vor ſich hin: Ja, Feuer! Is nich! Wieder ein paar Blicke im Kreiſe. Dann plötzliches Aufrichten und im Vorwärtsſchreiten das Bemühen, nicht zu ſchwanken, ſondern anſtändig, mit Würde zu gehen. Und nun, an der Rampe, eine höfliche Verbeugung vor dem Baßgeiger und im Tone vollendeter Höflichkeit mit gebrochener Stimme:

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/407>, abgerufen am 22.11.2024.