wird gebeten . . . Der Peripathetiker soll die unmündige Tochter des Regenschirmhändlers zu Hause lassen."
[Abbildung]
Stilpe erwartete die Gesellschaft ganz mit der Heiterkeit, die ihn immer leise hob, wenn ihm Ge¬ legenheit zu Trinken und Reden in Aussicht stand.
Das hatte ihm in seiner "fundierten Periode" vornehmlich gefehlt: Gesprächweise trinken zu können. Im Rausche die Welt mit Worten aus den Angeln zu heben, das war ihm immer Bedürfnis gewesen, und das war ihm nicht erfüllt worden, als er das Dasein des gefürchteten Kritikers führte. Denn damals fehlten die rechten Geburtshelfer für seine Worte. Diese Art, sich dem Rausche des improvisierten Wortes hinzugeben, war sein Teil Produktivität, und er hatte sich im Grunde deswegen so un¬ glücklich damals gefühlt, weil er zur Unfruchtbar¬ keit verurteilt war, weil ihm die Wollust, sich aus¬ zugeben, nicht wurde.
Hätte er die Fähigkeit und Freiheit besessen, so
Viertes Buch, zweites Kapitel.
wird gebeten . . . Der Peripathetiker ſoll die unmündige Tochter des Regenſchirmhändlers zu Hauſe laſſen.“
[Abbildung]
Stilpe erwartete die Geſellſchaft ganz mit der Heiterkeit, die ihn immer leiſe hob, wenn ihm Ge¬ legenheit zu Trinken und Reden in Ausſicht ſtand.
Das hatte ihm in ſeiner „fundierten Periode“ vornehmlich gefehlt: Geſprächweiſe trinken zu können. Im Rauſche die Welt mit Worten aus den Angeln zu heben, das war ihm immer Bedürfnis geweſen, und das war ihm nicht erfüllt worden, als er das Daſein des gefürchteten Kritikers führte. Denn damals fehlten die rechten Geburtshelfer für ſeine Worte. Dieſe Art, ſich dem Rauſche des improviſierten Wortes hinzugeben, war ſein Teil Produktivität, und er hatte ſich im Grunde deswegen ſo un¬ glücklich damals gefühlt, weil er zur Unfruchtbar¬ keit verurteilt war, weil ihm die Wolluſt, ſich aus¬ zugeben, nicht wurde.
Hätte er die Fähigkeit und Freiheit beſeſſen, ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0339"n="325"/><fwplace="top"type="header">Viertes Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw> wird gebeten . . . Der Peripathetiker ſoll die<lb/>
unmündige Tochter des Regenſchirmhändlers zu<lb/>
Hauſe laſſen.“</p><lb/><figure/><p>Stilpe erwartete die Geſellſchaft ganz mit der<lb/>
Heiterkeit, die ihn immer leiſe hob, wenn ihm Ge¬<lb/>
legenheit zu Trinken und Reden in Ausſicht<lb/>ſtand.</p><lb/><p>Das hatte ihm in ſeiner „fundierten Periode“<lb/>
vornehmlich gefehlt: Geſprächweiſe trinken zu können.<lb/>
Im Rauſche die Welt mit Worten aus den Angeln<lb/>
zu heben, das war ihm immer Bedürfnis geweſen,<lb/>
und das war ihm nicht erfüllt worden, als er das<lb/>
Daſein des gefürchteten Kritikers führte. Denn<lb/>
damals fehlten die rechten Geburtshelfer für ſeine<lb/>
Worte. Dieſe Art, ſich dem Rauſche des improviſierten<lb/>
Wortes hinzugeben, war ſein Teil Produktivität,<lb/>
und er hatte ſich im Grunde deswegen ſo un¬<lb/>
glücklich damals gefühlt, weil er zur Unfruchtbar¬<lb/>
keit verurteilt war, weil ihm die Wolluſt, ſich aus¬<lb/>
zugeben, nicht wurde.</p><lb/><p>Hätte er die Fähigkeit und Freiheit beſeſſen, ſo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[325/0339]
Viertes Buch, zweites Kapitel.
wird gebeten . . . Der Peripathetiker ſoll die
unmündige Tochter des Regenſchirmhändlers zu
Hauſe laſſen.“
[Abbildung]
Stilpe erwartete die Geſellſchaft ganz mit der
Heiterkeit, die ihn immer leiſe hob, wenn ihm Ge¬
legenheit zu Trinken und Reden in Ausſicht
ſtand.
Das hatte ihm in ſeiner „fundierten Periode“
vornehmlich gefehlt: Geſprächweiſe trinken zu können.
Im Rauſche die Welt mit Worten aus den Angeln
zu heben, das war ihm immer Bedürfnis geweſen,
und das war ihm nicht erfüllt worden, als er das
Daſein des gefürchteten Kritikers führte. Denn
damals fehlten die rechten Geburtshelfer für ſeine
Worte. Dieſe Art, ſich dem Rauſche des improviſierten
Wortes hinzugeben, war ſein Teil Produktivität,
und er hatte ſich im Grunde deswegen ſo un¬
glücklich damals gefühlt, weil er zur Unfruchtbar¬
keit verurteilt war, weil ihm die Wolluſt, ſich aus¬
zugeben, nicht wurde.
Hätte er die Fähigkeit und Freiheit beſeſſen, ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/339>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.