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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

Der psychologische Lyriker hatte recht: Stilpe
fühlte sich in seiner bevorzugten Lage sehr un¬
glücklich.

Er lebte allerdings sehr gut, seitdem er "in der
Feuilletonmanege die Pausen durch schwierige
Scherze ausfüllte", wie er sein kritisches Amt um¬
schrieb. Er aß bei Kempinsky, ließ bei einem
englischen Schneider arbeiten, trank nur ausgesuchte
Spirituosen und hatte, wenn auch kein ständiges,
so doch eine Art von Wanderharem, "wohlassortiert".

Daß darunter keine eigentliche Geliebte war,
empfand er nicht als Mangel. Dieses Bedürfnis
hatte er nicht, wenn ihn auch manchmal so etwas
wie Sehnsucht darnach anwandelte.

-- Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich ein¬
mal richtig verliebte, sagte er sich; das wäre doch
wenigstens ein Surrogat für das Andere. Aber
es gelang ihm nicht.

Was aber war "das Andere"?

Ein paar Stellen seines "Heftes der Aufrich¬
tigkeiten" geben darüber Aufschluß.

Dieses Heft legte er zu dem Zeitpunkte an, als
seine Stellung anfing, gesichert zu werden; und
das war dieselbe Zeit, um die er begann, sich un¬
zufrieden zu fühlen.

Stilpe.

Der pſychologiſche Lyriker hatte recht: Stilpe
fühlte ſich in ſeiner bevorzugten Lage ſehr un¬
glücklich.

Er lebte allerdings ſehr gut, ſeitdem er „in der
Feuilletonmanège die Pauſen durch ſchwierige
Scherze ausfüllte“, wie er ſein kritiſches Amt um¬
ſchrieb. Er aß bei Kempinsky, ließ bei einem
engliſchen Schneider arbeiten, trank nur ausgeſuchte
Spirituoſen und hatte, wenn auch kein ſtändiges,
ſo doch eine Art von Wanderharem, „wohlaſſortiert“.

Daß darunter keine eigentliche Geliebte war,
empfand er nicht als Mangel. Dieſes Bedürfnis
hatte er nicht, wenn ihn auch manchmal ſo etwas
wie Sehnſucht darnach anwandelte.

— Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich ein¬
mal richtig verliebte, ſagte er ſich; das wäre doch
wenigſtens ein Surrogat für das Andere. Aber
es gelang ihm nicht.

Was aber war „das Andere“?

Ein paar Stellen ſeines „Heftes der Aufrich¬
tigkeiten“ geben darüber Aufſchluß.

Dieſes Heft legte er zu dem Zeitpunkte an, als
ſeine Stellung anfing, geſichert zu werden; und
das war dieſelbe Zeit, um die er begann, ſich un¬
zufrieden zu fühlen.

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[308/0322] Stilpe. Der pſychologiſche Lyriker hatte recht: Stilpe fühlte ſich in ſeiner bevorzugten Lage ſehr un¬ glücklich. Er lebte allerdings ſehr gut, ſeitdem er „in der Feuilletonmanège die Pauſen durch ſchwierige Scherze ausfüllte“, wie er ſein kritiſches Amt um¬ ſchrieb. Er aß bei Kempinsky, ließ bei einem engliſchen Schneider arbeiten, trank nur ausgeſuchte Spirituoſen und hatte, wenn auch kein ſtändiges, ſo doch eine Art von Wanderharem, „wohlaſſortiert“. Daß darunter keine eigentliche Geliebte war, empfand er nicht als Mangel. Dieſes Bedürfnis hatte er nicht, wenn ihn auch manchmal ſo etwas wie Sehnſucht darnach anwandelte. — Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich ein¬ mal richtig verliebte, ſagte er ſich; das wäre doch wenigſtens ein Surrogat für das Andere. Aber es gelang ihm nicht. Was aber war „das Andere“? Ein paar Stellen ſeines „Heftes der Aufrich¬ tigkeiten“ geben darüber Aufſchluß. Dieſes Heft legte er zu dem Zeitpunkte an, als ſeine Stellung anfing, geſichert zu werden; und das war dieſelbe Zeit, um die er begann, ſich un¬ zufrieden zu fühlen.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/322>, abgerufen am 22.11.2024.