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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Erstes Buch, zweites Kapitel.
wird, die einzuregistrieren dem Vater von einem
neidischen Schicksale versagt gewesen!

Indessen: Stilpe-Vater war ein starker Geist
und wußte die Subjektivität des väterlich Ange¬
nehmen von der Objektivität der Pflichten zu
trennen. Er sagte sich: Man muß alle Thüren
offen lassen und bis zu dem Zeitpunkt warten, wo
man aus den Schritten des jungen Menschen
ungefähr ersehen kann, zu welchen er sich am füg¬
samsten leiten lassen wird. Nur nicht schieben und
stoßen! Er war durch seinen Beruf an zartere
Hantierung gewöhnt.

Daher gab er denn seinen Sohn, als der im
lateinfähigen Alter war (ach, wie bald ist das ein
Deutscher!), nicht mit plumper Hast auf ein
Gymnasium, sondern richtete sein Augenmerk auf
eine Anstalt, die beide Wege, den in die Humaniora,
und den in die Realistika, offen ließ. Eine solche
Anstalt war das Freimaurerinstitut. Im Allge¬
meinen mehr den realistischen Disziplinen des mensch¬
lichen Wissens gewidmet, besaß es doch auch eine
Selekta für die unter seinen Zöglingen, die es nach
den Reizen des klassischen Altertums oder wenigstens
nach den Laufbahnen gelüstete, die nur der lateinisch
und griechisch geaichte Jüngling betreten darf.

Erſtes Buch, zweites Kapitel.
wird, die einzuregiſtrieren dem Vater von einem
neidiſchen Schickſale verſagt geweſen!

Indeſſen: Stilpe-Vater war ein ſtarker Geiſt
und wußte die Subjektivität des väterlich Ange¬
nehmen von der Objektivität der Pflichten zu
trennen. Er ſagte ſich: Man muß alle Thüren
offen laſſen und bis zu dem Zeitpunkt warten, wo
man aus den Schritten des jungen Menſchen
ungefähr erſehen kann, zu welchen er ſich am füg¬
ſamſten leiten laſſen wird. Nur nicht ſchieben und
ſtoßen! Er war durch ſeinen Beruf an zartere
Hantierung gewöhnt.

Daher gab er denn ſeinen Sohn, als der im
lateinfähigen Alter war (ach, wie bald iſt das ein
Deutſcher!), nicht mit plumper Haſt auf ein
Gymnaſium, ſondern richtete ſein Augenmerk auf
eine Anſtalt, die beide Wege, den in die Humaniora,
und den in die Realiſtika, offen ließ. Eine ſolche
Anſtalt war das Freimaurerinſtitut. Im Allge¬
meinen mehr den realiſtiſchen Disziplinen des menſch¬
lichen Wiſſens gewidmet, beſaß es doch auch eine
Selekta für die unter ſeinen Zöglingen, die es nach
den Reizen des klaſſiſchen Altertums oder wenigſtens
nach den Laufbahnen gelüſtete, die nur der lateiniſch
und griechiſch geaichte Jüngling betreten darf.

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[11/0025] Erſtes Buch, zweites Kapitel. wird, die einzuregiſtrieren dem Vater von einem neidiſchen Schickſale verſagt geweſen! Indeſſen: Stilpe-Vater war ein ſtarker Geiſt und wußte die Subjektivität des väterlich Ange¬ nehmen von der Objektivität der Pflichten zu trennen. Er ſagte ſich: Man muß alle Thüren offen laſſen und bis zu dem Zeitpunkt warten, wo man aus den Schritten des jungen Menſchen ungefähr erſehen kann, zu welchen er ſich am füg¬ ſamſten leiten laſſen wird. Nur nicht ſchieben und ſtoßen! Er war durch ſeinen Beruf an zartere Hantierung gewöhnt. Daher gab er denn ſeinen Sohn, als der im lateinfähigen Alter war (ach, wie bald iſt das ein Deutſcher!), nicht mit plumper Haſt auf ein Gymnaſium, ſondern richtete ſein Augenmerk auf eine Anſtalt, die beide Wege, den in die Humaniora, und den in die Realiſtika, offen ließ. Eine ſolche Anſtalt war das Freimaurerinſtitut. Im Allge¬ meinen mehr den realiſtiſchen Disziplinen des menſch¬ lichen Wiſſens gewidmet, beſaß es doch auch eine Selekta für die unter ſeinen Zöglingen, die es nach den Reizen des klaſſiſchen Altertums oder wenigſtens nach den Laufbahnen gelüſtete, die nur der lateiniſch und griechiſch geaichte Jüngling betreten darf.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/25>, abgerufen am 20.04.2024.