zu sanftlebig dazu und hatte das, für andere Kinder vielleicht recht passende, auf Willibald angewandt aber nicht ganz richtige Prinzip, lediglich mit Bonbons zu erziehen.
Sie handelte dabei nicht nach irgend einer pädagogischen Schulmeinung, sondern ganz in¬ stinktmäßig. Da sie nämlich selber eine Lieb¬ haberin von Konfitüren aller Art war, so hatte sie die Bemerkung gemacht, daß nichts auf ihre Psyche so beruhigend, begütigend, ja im eigent¬ lichsten Sinne bessernd und, wenn die Bonbons besonders auserlesen waren, erhebend wirkte, als die linde sich lösende Süßigkeit dieser Konditor¬ erzeugnisse, und sie meinte nun, es müsse das bei dem noch naiveren Kontakt zwischen der kindlichen Zunge und Seele im Kindesalter erst recht so sein.
In den einzelnen Fällen hatte es auch immer den Anschein, als ob sie recht hatte. Der kleine Willi¬ bald, so hatte man ihn in der Taufe benannt, reagierte wie ein Engel auf Bonbons. Aber von der höheren Betrachtungswarte der väterlichen Kritik aus machte es sich bald bemerkbar, daß das Allge¬ meinbild der Willibaldschen Entwickelung sich nicht völlig so süß ausnahm wie die einzelnen Reaktions¬
Erſtes Buch, zweites Kapitel.
zu ſanftlebig dazu und hatte das, für andere Kinder vielleicht recht paſſende, auf Willibald angewandt aber nicht ganz richtige Prinzip, lediglich mit Bonbons zu erziehen.
Sie handelte dabei nicht nach irgend einer pädagogiſchen Schulmeinung, ſondern ganz in¬ ſtinktmäßig. Da ſie nämlich ſelber eine Lieb¬ haberin von Konfitüren aller Art war, ſo hatte ſie die Bemerkung gemacht, daß nichts auf ihre Pſyche ſo beruhigend, begütigend, ja im eigent¬ lichſten Sinne beſſernd und, wenn die Bonbons beſonders auserleſen waren, erhebend wirkte, als die linde ſich löſende Süßigkeit dieſer Konditor¬ erzeugniſſe, und ſie meinte nun, es müſſe das bei dem noch naiveren Kontakt zwiſchen der kindlichen Zunge und Seele im Kindesalter erſt recht ſo ſein.
In den einzelnen Fällen hatte es auch immer den Anſchein, als ob ſie recht hatte. Der kleine Willi¬ bald, ſo hatte man ihn in der Taufe benannt, reagierte wie ein Engel auf Bonbons. Aber von der höheren Betrachtungswarte der väterlichen Kritik aus machte es ſich bald bemerkbar, daß das Allge¬ meinbild der Willibaldſchen Entwickelung ſich nicht völlig ſo ſüß ausnahm wie die einzelnen Reaktions¬
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[9/0023]
Erſtes Buch, zweites Kapitel.
zu ſanftlebig dazu und hatte das, für andere Kinder
vielleicht recht paſſende, auf Willibald angewandt
aber nicht ganz richtige Prinzip, lediglich mit
Bonbons zu erziehen.
Sie handelte dabei nicht nach irgend einer
pädagogiſchen Schulmeinung, ſondern ganz in¬
ſtinktmäßig. Da ſie nämlich ſelber eine Lieb¬
haberin von Konfitüren aller Art war, ſo hatte
ſie die Bemerkung gemacht, daß nichts auf ihre
Pſyche ſo beruhigend, begütigend, ja im eigent¬
lichſten Sinne beſſernd und, wenn die Bonbons
beſonders auserleſen waren, erhebend wirkte, als
die linde ſich löſende Süßigkeit dieſer Konditor¬
erzeugniſſe, und ſie meinte nun, es müſſe das bei
dem noch naiveren Kontakt zwiſchen der kindlichen
Zunge und Seele im Kindesalter erſt recht
ſo ſein.
In den einzelnen Fällen hatte es auch immer den
Anſchein, als ob ſie recht hatte. Der kleine Willi¬
bald, ſo hatte man ihn in der Taufe benannt,
reagierte wie ein Engel auf Bonbons. Aber von
der höheren Betrachtungswarte der väterlichen Kritik
aus machte es ſich bald bemerkbar, daß das Allge¬
meinbild der Willibaldſchen Entwickelung ſich nicht
völlig ſo ſüß ausnahm wie die einzelnen Reaktions¬
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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/23>, abgerufen am 22.11.2024.
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