Was sich dann begeben hat, bleibe im Schatten der Vergessenheit, wie auch Stilpe selbst nie mehr daran dachte. Denn er liebte unangenehme Er¬ innerungen wenig und besaß ein ausgesprochenes Talent dafür, fatale Dinge zu vergessen.
Es fehlte nicht viel, daß er damals wirklich, aber nicht in Athen, die Stelle eines Sekretärs, aber nicht bei einem Privatgelehrten, erhalten hätte. Der verzweifelte Lepidopterologe wollte ihn durch¬ aus als Schreibgehülfe bei der Magistratskanzlei in Leißnig anketten. Aber den Bitten der Mutter und den guten Urteilen über Willibalds Begabung, die einer seiner Leipziger Lehrer abgab, gelang es, den Vater zu einem letzten Versuche zu bewegen. So kam Stilpe an das eben begründete Königliche Gymnasium der kleinen Stadt, in dem er es jetzt wirklich bis zum Oberprimaner gebracht hatte.
[Abbildung]
Auch hier war sein Studiengang nicht ohne Fährlichkeiten abgelaufen, denn die Lehrerkonferenz bedachte ihn mit ausgezeichnetem Mißtrauen, indem sie ihn bald für einen Freund wüster Zechgelage
Stilpe.
Was ſich dann begeben hat, bleibe im Schatten der Vergeſſenheit, wie auch Stilpe ſelbſt nie mehr daran dachte. Denn er liebte unangenehme Er¬ innerungen wenig und beſaß ein ausgeſprochenes Talent dafür, fatale Dinge zu vergeſſen.
Es fehlte nicht viel, daß er damals wirklich, aber nicht in Athen, die Stelle eines Sekretärs, aber nicht bei einem Privatgelehrten, erhalten hätte. Der verzweifelte Lepidopterologe wollte ihn durch¬ aus als Schreibgehülfe bei der Magiſtratskanzlei in Leißnig anketten. Aber den Bitten der Mutter und den guten Urteilen über Willibalds Begabung, die einer ſeiner Leipziger Lehrer abgab, gelang es, den Vater zu einem letzten Verſuche zu bewegen. So kam Stilpe an das eben begründete Königliche Gymnaſium der kleinen Stadt, in dem er es jetzt wirklich bis zum Oberprimaner gebracht hatte.
[Abbildung]
Auch hier war ſein Studiengang nicht ohne Fährlichkeiten abgelaufen, denn die Lehrerkonferenz bedachte ihn mit ausgezeichnetem Mißtrauen, indem ſie ihn bald für einen Freund wüſter Zechgelage
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0182"n="168"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw><p>Was ſich dann begeben hat, bleibe im Schatten<lb/>
der Vergeſſenheit, wie auch Stilpe ſelbſt nie mehr<lb/>
daran dachte. Denn er liebte unangenehme Er¬<lb/>
innerungen wenig und beſaß ein ausgeſprochenes<lb/>
Talent dafür, fatale Dinge zu vergeſſen.</p><lb/><p>Es fehlte nicht viel, daß er damals wirklich,<lb/>
aber nicht in Athen, die Stelle eines Sekretärs,<lb/>
aber nicht bei einem Privatgelehrten, erhalten hätte.<lb/>
Der verzweifelte Lepidopterologe wollte ihn durch¬<lb/>
aus als Schreibgehülfe bei der Magiſtratskanzlei<lb/>
in Leißnig anketten. Aber den Bitten der Mutter<lb/>
und den guten Urteilen über Willibalds Begabung,<lb/>
die einer ſeiner Leipziger Lehrer abgab, gelang es,<lb/>
den Vater zu einem letzten Verſuche zu bewegen.<lb/>
So kam Stilpe an das eben begründete Königliche<lb/>
Gymnaſium der kleinen Stadt, in dem er es jetzt<lb/>
wirklich bis zum Oberprimaner gebracht hatte.</p><lb/><figure/><p>Auch hier war ſein Studiengang nicht ohne<lb/>
Fährlichkeiten abgelaufen, denn die Lehrerkonferenz<lb/>
bedachte ihn mit ausgezeichnetem Mißtrauen, indem<lb/>ſie ihn bald für einen Freund wüſter Zechgelage<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[168/0182]
Stilpe.
Was ſich dann begeben hat, bleibe im Schatten
der Vergeſſenheit, wie auch Stilpe ſelbſt nie mehr
daran dachte. Denn er liebte unangenehme Er¬
innerungen wenig und beſaß ein ausgeſprochenes
Talent dafür, fatale Dinge zu vergeſſen.
Es fehlte nicht viel, daß er damals wirklich,
aber nicht in Athen, die Stelle eines Sekretärs,
aber nicht bei einem Privatgelehrten, erhalten hätte.
Der verzweifelte Lepidopterologe wollte ihn durch¬
aus als Schreibgehülfe bei der Magiſtratskanzlei
in Leißnig anketten. Aber den Bitten der Mutter
und den guten Urteilen über Willibalds Begabung,
die einer ſeiner Leipziger Lehrer abgab, gelang es,
den Vater zu einem letzten Verſuche zu bewegen.
So kam Stilpe an das eben begründete Königliche
Gymnaſium der kleinen Stadt, in dem er es jetzt
wirklich bis zum Oberprimaner gebracht hatte.
[Abbildung]
Auch hier war ſein Studiengang nicht ohne
Fährlichkeiten abgelaufen, denn die Lehrerkonferenz
bedachte ihn mit ausgezeichnetem Mißtrauen, indem
ſie ihn bald für einen Freund wüſter Zechgelage
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/182>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.