Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch, viertes Kapitel.
zücken bei dem Gedanken, die große That im
Verein mit Girlinger zu vollführen und wei¬
dete sich an der Vorstellung, welchen Eindruck es
machen würde, wenn nicht blos er, der "zweifel¬
hafte Schüler", durchgebrannt und verschwunden
war, sondern mit ihm der gepriesene Musterknabe
und Primus. Mit besonderem Genusse stilisierte
er sich im Geiste die Notizen, die über dieses Er¬
eignis in den Blättern stehen würden. Er kam
sogar auf die Idee, eine "Rechtfertigung" abzu¬
fassen, die er auf irgend eine Weise (das Wie über¬
ließ er späterer Überlegung) drei Tage nach ihrer
Flucht (Flucht!) von Leipzig aus dem Leipziger
Tageblatt zukommen lassen wollte. Vielleicht durch
den Deklamator? Oder durch Martha? Diese
Frage beschäftigte ihn am meisten.

Am Sonntag enthüllte ihm Girlinger in
kurzen Worten, aber sehr ernst, daß er bereit
sei, mitzugehen, aber nicht vor vierzehn Tagen.
Denn es sei noch viel zu ordnen und zu be¬
denken. Er könne, Alles in Allem, 250 Mark
zusammenbringen, teils durch Bücherverkauf, teils
durch seine Schwestern. Mindestens so viel müsse
aber Stilpe beschaffen. Diese Summe werde für
jeden zur Hinreise genügen (er hatte das Hendschel¬

9*

Zweites Buch, viertes Kapitel.
zücken bei dem Gedanken, die große That im
Verein mit Girlinger zu vollführen und wei¬
dete ſich an der Vorſtellung, welchen Eindruck es
machen würde, wenn nicht blos er, der „zweifel¬
hafte Schüler“, durchgebrannt und verſchwunden
war, ſondern mit ihm der geprieſene Muſterknabe
und Primus. Mit beſonderem Genuſſe ſtiliſierte
er ſich im Geiſte die Notizen, die über dieſes Er¬
eignis in den Blättern ſtehen würden. Er kam
ſogar auf die Idee, eine „Rechtfertigung“ abzu¬
faſſen, die er auf irgend eine Weiſe (das Wie über¬
ließ er ſpäterer Überlegung) drei Tage nach ihrer
Flucht (Flucht!) von Leipzig aus dem Leipziger
Tageblatt zukommen laſſen wollte. Vielleicht durch
den Deklamator? Oder durch Martha? Dieſe
Frage beſchäftigte ihn am meiſten.

Am Sonntag enthüllte ihm Girlinger in
kurzen Worten, aber ſehr ernſt, daß er bereit
ſei, mitzugehen, aber nicht vor vierzehn Tagen.
Denn es ſei noch viel zu ordnen und zu be¬
denken. Er könne, Alles in Allem, 250 Mark
zuſammenbringen, teils durch Bücherverkauf, teils
durch ſeine Schweſtern. Mindeſtens ſo viel müſſe
aber Stilpe beſchaffen. Dieſe Summe werde für
jeden zur Hinreiſe genügen (er hatte das Hendſchel¬

9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="131"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch, viertes Kapitel.<lb/></fw>zücken bei dem Gedanken, die große That im<lb/>
Verein mit Girlinger zu vollführen und wei¬<lb/>
dete &#x017F;ich an der Vor&#x017F;tellung, welchen Eindruck es<lb/>
machen würde, wenn nicht blos er, der &#x201E;zweifel¬<lb/>
hafte Schüler&#x201C;, durchgebrannt und ver&#x017F;chwunden<lb/>
war, &#x017F;ondern mit ihm der geprie&#x017F;ene Mu&#x017F;terknabe<lb/>
und Primus. Mit be&#x017F;onderem Genu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tili&#x017F;ierte<lb/>
er &#x017F;ich im Gei&#x017F;te die Notizen, die über die&#x017F;es Er¬<lb/>
eignis in den Blättern &#x017F;tehen würden. Er kam<lb/>
&#x017F;ogar auf die Idee, eine &#x201E;Rechtfertigung&#x201C; abzu¬<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en, die er auf irgend eine Wei&#x017F;e (das Wie über¬<lb/>
ließ er &#x017F;päterer Überlegung) drei Tage nach ihrer<lb/>
Flucht (Flucht!) von Leipzig aus dem Leipziger<lb/>
Tageblatt zukommen la&#x017F;&#x017F;en wollte. Vielleicht durch<lb/>
den Deklamator? Oder durch Martha? Die&#x017F;e<lb/>
Frage be&#x017F;chäftigte ihn am mei&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Am Sonntag enthüllte ihm Girlinger in<lb/>
kurzen Worten, aber &#x017F;ehr ern&#x017F;t, daß er bereit<lb/>
&#x017F;ei, mitzugehen, aber nicht vor vierzehn Tagen.<lb/>
Denn es &#x017F;ei noch viel zu ordnen und zu be¬<lb/>
denken. Er könne, Alles in Allem, 250 Mark<lb/>
zu&#x017F;ammenbringen, teils durch Bücherverkauf, teils<lb/>
durch &#x017F;eine Schwe&#x017F;tern. Minde&#x017F;tens &#x017F;o viel mü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aber Stilpe be&#x017F;chaffen. Die&#x017F;e Summe werde für<lb/>
jeden zur Hinrei&#x017F;e genügen (er hatte das Hend&#x017F;chel¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0145] Zweites Buch, viertes Kapitel. zücken bei dem Gedanken, die große That im Verein mit Girlinger zu vollführen und wei¬ dete ſich an der Vorſtellung, welchen Eindruck es machen würde, wenn nicht blos er, der „zweifel¬ hafte Schüler“, durchgebrannt und verſchwunden war, ſondern mit ihm der geprieſene Muſterknabe und Primus. Mit beſonderem Genuſſe ſtiliſierte er ſich im Geiſte die Notizen, die über dieſes Er¬ eignis in den Blättern ſtehen würden. Er kam ſogar auf die Idee, eine „Rechtfertigung“ abzu¬ faſſen, die er auf irgend eine Weiſe (das Wie über¬ ließ er ſpäterer Überlegung) drei Tage nach ihrer Flucht (Flucht!) von Leipzig aus dem Leipziger Tageblatt zukommen laſſen wollte. Vielleicht durch den Deklamator? Oder durch Martha? Dieſe Frage beſchäftigte ihn am meiſten. Am Sonntag enthüllte ihm Girlinger in kurzen Worten, aber ſehr ernſt, daß er bereit ſei, mitzugehen, aber nicht vor vierzehn Tagen. Denn es ſei noch viel zu ordnen und zu be¬ denken. Er könne, Alles in Allem, 250 Mark zuſammenbringen, teils durch Bücherverkauf, teils durch ſeine Schweſtern. Mindeſtens ſo viel müſſe aber Stilpe beſchaffen. Dieſe Summe werde für jeden zur Hinreiſe genügen (er hatte das Hendſchel¬ 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/145
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/145>, abgerufen am 04.05.2024.