Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Stilpe.
Der Schmöker kostet neu ja fünfe, und er sieht doch
noch ganz jungfräulich aus.

-- Fünfundsiebzig Fenge, Herr Stilpe! Und
übrigens: Wenn Sie nu sitzen bleiben und die
Catilinarischen noch ein Jahr lesen müssen?

-- Na, hören Sie mal, das find ich stark!
Sie halten mich wohl für ein Kameel? Also gut,
her mit den fünfundsiebzig, Sie Jude.

Der Deklamator zog seinen Beutel und fischte
das Geld heraus. Dann notierte er sich das Ge¬
schäft in sein Notizbuch, wo eine Seite in tadel¬
loser Rundschrift überschrieben war: Herr Stilpe.

Leider hielt die Bibliothek der Jugendzeit nicht
lange vor, und es war das Bücherverkaufen über¬
haupt ein etwas bedenkliches Geschäft, weil Stilpe
dabei doch zuweilen den Deklamationen des Herrn
Wopf unterlag und für seine alten Bücher andre
mit in Zahlung nahm. Zwar verkaufte er die
gewöhnlich ein paar Wochen später zurück, aber
es versteht sich, daß ihm der Deklamator nicht so
viel zahlte, wie er sich hatte zahlen lassen.

-- Se machen ze viel Randbemerkungen in
de Bücher, Herr Stilpe. Und, sehn Se, wenn
de Marginalien auch sehr geistreich sin, wie z. B.
hier gleich zweimal hinterenander: Quatsch!

Stilpe.
Der Schmöker koſtet neu ja fünfe, und er ſieht doch
noch ganz jungfräulich aus.

— Fünfundſiebzig Fenge, Herr Stilpe! Und
übrigens: Wenn Sie nu ſitzen bleiben und die
Catilinariſchen noch ein Jahr leſen müſſen?

— Na, hören Sie mal, das find ich ſtark!
Sie halten mich wohl für ein Kameel? Alſo gut,
her mit den fünfundſiebzig, Sie Jude.

Der Deklamator zog ſeinen Beutel und fiſchte
das Geld heraus. Dann notierte er ſich das Ge¬
ſchäft in ſein Notizbuch, wo eine Seite in tadel¬
loſer Rundſchrift überſchrieben war: Herr Stilpe.

Leider hielt die Bibliothek der Jugendzeit nicht
lange vor, und es war das Bücherverkaufen über¬
haupt ein etwas bedenkliches Geſchäft, weil Stilpe
dabei doch zuweilen den Deklamationen des Herrn
Wopf unterlag und für ſeine alten Bücher andre
mit in Zahlung nahm. Zwar verkaufte er die
gewöhnlich ein paar Wochen ſpäter zurück, aber
es verſteht ſich, daß ihm der Deklamator nicht ſo
viel zahlte, wie er ſich hatte zahlen laſſen.

— Se machen ze viel Randbemerkungen in
de Bücher, Herr Stilpe. Und, ſehn Se, wenn
de Marginalien auch ſehr geiſtreich ſin, wie z. B.
hier gleich zweimal hinterenander: Quatſch!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="114"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw>Der Schmöker ko&#x017F;tet neu ja fünfe, und er &#x017F;ieht doch<lb/>
noch ganz jungfräulich aus.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Fünfund&#x017F;iebzig Fenge, Herr Stilpe! Und<lb/>
übrigens: Wenn Sie nu &#x017F;itzen bleiben und die<lb/>
Catilinari&#x017F;chen noch ein Jahr le&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
          <p>&#x2014; Na, hören Sie mal, das find ich &#x017F;tark!<lb/>
Sie halten mich wohl für ein Kameel? Al&#x017F;o gut,<lb/>
her mit den fünfund&#x017F;iebzig, Sie Jude.</p><lb/>
          <p>Der Deklamator zog &#x017F;einen Beutel und fi&#x017F;chte<lb/>
das Geld heraus. Dann notierte er &#x017F;ich das Ge¬<lb/>
&#x017F;chäft in &#x017F;ein Notizbuch, wo eine Seite in tadel¬<lb/>
lo&#x017F;er Rund&#x017F;chrift über&#x017F;chrieben war: Herr Stilpe.</p><lb/>
          <p>Leider hielt die Bibliothek der Jugendzeit nicht<lb/>
lange vor, und es war das Bücherverkaufen über¬<lb/>
haupt ein etwas bedenkliches Ge&#x017F;chäft, weil Stilpe<lb/>
dabei doch zuweilen den Deklamationen des Herrn<lb/>
Wopf unterlag und für &#x017F;eine alten Bücher andre<lb/>
mit in Zahlung nahm. Zwar verkaufte er die<lb/>
gewöhnlich ein paar Wochen &#x017F;päter zurück, aber<lb/>
es ver&#x017F;teht &#x017F;ich, daß ihm der Deklamator nicht &#x017F;o<lb/>
viel zahlte, wie er &#x017F;ich hatte zahlen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Se machen ze viel Randbemerkungen in<lb/>
de Bücher, Herr Stilpe. Und, &#x017F;ehn Se, wenn<lb/>
de Marginalien auch &#x017F;ehr gei&#x017F;treich &#x017F;in, wie z. B.<lb/>
hier gleich zweimal hinterenander: Quat&#x017F;ch!<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0128] Stilpe. Der Schmöker koſtet neu ja fünfe, und er ſieht doch noch ganz jungfräulich aus. — Fünfundſiebzig Fenge, Herr Stilpe! Und übrigens: Wenn Sie nu ſitzen bleiben und die Catilinariſchen noch ein Jahr leſen müſſen? — Na, hören Sie mal, das find ich ſtark! Sie halten mich wohl für ein Kameel? Alſo gut, her mit den fünfundſiebzig, Sie Jude. Der Deklamator zog ſeinen Beutel und fiſchte das Geld heraus. Dann notierte er ſich das Ge¬ ſchäft in ſein Notizbuch, wo eine Seite in tadel¬ loſer Rundſchrift überſchrieben war: Herr Stilpe. Leider hielt die Bibliothek der Jugendzeit nicht lange vor, und es war das Bücherverkaufen über¬ haupt ein etwas bedenkliches Geſchäft, weil Stilpe dabei doch zuweilen den Deklamationen des Herrn Wopf unterlag und für ſeine alten Bücher andre mit in Zahlung nahm. Zwar verkaufte er die gewöhnlich ein paar Wochen ſpäter zurück, aber es verſteht ſich, daß ihm der Deklamator nicht ſo viel zahlte, wie er ſich hatte zahlen laſſen. — Se machen ze viel Randbemerkungen in de Bücher, Herr Stilpe. Und, ſehn Se, wenn de Marginalien auch ſehr geiſtreich ſin, wie z. B. hier gleich zweimal hinterenander: Quatſch!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/128
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/128>, abgerufen am 28.11.2024.