Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Zweites Buch, zweites Kapitel. schwärmer und Idealist, unendlich täppisch ver¬liebt in dieses Mädchen war. Sie erschien ihm als der Inbegriff dessen, was er früher in dem Idealbilde der Thusnelda verehrt hatte. Nur kam nun noch das Gretchen aus dem Faust, das Käthchen von Heilbronn und die Lindenwirtin, die Feine, dazu. Dies, soweit es sich in seinen Versen aussprach, die er ausgiebig zum Lobe dieses Mädchens hervorbrachte, und deren Idealismus ihm bitter ernst war. Aber es gab auch noch einen andern Gesichts¬ Zweites Buch, zweites Kapitel. ſchwärmer und Idealiſt, unendlich täppiſch ver¬liebt in dieſes Mädchen war. Sie erſchien ihm als der Inbegriff deſſen, was er früher in dem Idealbilde der Thusnelda verehrt hatte. Nur kam nun noch das Gretchen aus dem Fauſt, das Käthchen von Heilbronn und die Lindenwirtin, die Feine, dazu. Dies, ſoweit es ſich in ſeinen Verſen ausſprach, die er ausgiebig zum Lobe dieſes Mädchens hervorbrachte, und deren Idealismus ihm bitter ernſt war. Aber es gab auch noch einen andern Geſichts¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0109" n="95"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw>ſchwärmer und Idealiſt, unendlich täppiſch ver¬<lb/> liebt in dieſes Mädchen war. Sie erſchien ihm<lb/> als der Inbegriff deſſen, was er früher in<lb/> dem Idealbilde der Thusnelda verehrt hatte.<lb/> Nur kam nun noch das Gretchen aus dem Fauſt,<lb/> das Käthchen von Heilbronn und die Lindenwirtin,<lb/> die Feine, dazu. Dies, ſoweit es ſich in ſeinen<lb/> Verſen ausſprach, die er ausgiebig zum Lobe dieſes<lb/> Mädchens hervorbrachte, und deren Idealismus ihm<lb/> bitter ernſt war.</p><lb/> <p>Aber es gab auch noch einen andern Geſichts¬<lb/> winkel, unter dem er dieſe Martha anſah. Jener<lb/> Idealismus war mehr das Gefühl aus der Ent¬<lb/> fernung, eine Diſtanceſchwärmerei, eine bewegte<lb/> Andacht hinter blauen Weihrauchnebeln. Zuweilen<lb/> aber geriet der ſchwämeriſche Beter durch dieſen<lb/> duftenden Nebel hindurch und kam auf weiches<lb/> Fleiſch. Und, ſiehe, mit einem Ruck war die<lb/> Situation verändert. Die Gefühle bekamen ein<lb/> anderes Tempo und einen anderen Thermometer¬<lb/> grad; irgend etwas in ihm ſchien ſich zu überſchlagen,<lb/> irgend etwas pochte von innen an die Wände<lb/> ſeines Leibes, — es wurde da etwas lebendig, das<lb/> nicht Idealismus war. Der gute Junge hatte böſe<lb/> Tage und böſere Nächte dabei. Es warf ihn ge¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0109]
Zweites Buch, zweites Kapitel.
ſchwärmer und Idealiſt, unendlich täppiſch ver¬
liebt in dieſes Mädchen war. Sie erſchien ihm
als der Inbegriff deſſen, was er früher in
dem Idealbilde der Thusnelda verehrt hatte.
Nur kam nun noch das Gretchen aus dem Fauſt,
das Käthchen von Heilbronn und die Lindenwirtin,
die Feine, dazu. Dies, ſoweit es ſich in ſeinen
Verſen ausſprach, die er ausgiebig zum Lobe dieſes
Mädchens hervorbrachte, und deren Idealismus ihm
bitter ernſt war.
Aber es gab auch noch einen andern Geſichts¬
winkel, unter dem er dieſe Martha anſah. Jener
Idealismus war mehr das Gefühl aus der Ent¬
fernung, eine Diſtanceſchwärmerei, eine bewegte
Andacht hinter blauen Weihrauchnebeln. Zuweilen
aber geriet der ſchwämeriſche Beter durch dieſen
duftenden Nebel hindurch und kam auf weiches
Fleiſch. Und, ſiehe, mit einem Ruck war die
Situation verändert. Die Gefühle bekamen ein
anderes Tempo und einen anderen Thermometer¬
grad; irgend etwas in ihm ſchien ſich zu überſchlagen,
irgend etwas pochte von innen an die Wände
ſeines Leibes, — es wurde da etwas lebendig, das
nicht Idealismus war. Der gute Junge hatte böſe
Tage und böſere Nächte dabei. Es warf ihn ge¬
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