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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.

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§ 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002
Verszeilen.

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1. An die Übungen in der Ghaselenform schließen sich die Übungen p3b_062.004
in abwechselnd reimlosen und gereimten Verszeilen eng an. Sie sind p3b_062.005
in ihrer Anwendung noch leichter als die Ghasele, da ja nur immer p3b_062.006
ein Reim in der Strophe nötig ist. (Wir kommen bei der gebrochen p3b_062.007
geschriebenen Nibelungenstrophe noch einmal auf diese Form zurück.)

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2. Daß sich bei Zusammenstellung von je 2 ungereimten und p3b_062.009
2 gereimten Verszeilen vierzeilige Strophen ergeben, ist nebensächlich, p3b_062.010
kann aber immerhin als Überleitung zur Strophenbildung beachtet p3b_062.011
werden.

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3. Die Bildung reimloser und gereimter Verszeilen ist deshalb p3b_062.013
sehr leicht, weil das große Material innerhalb zweier Zeilen zweifelsohne p3b_062.014
mindestens ein Reimecho in sich schließt.

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4. Mehr als 10 Takte sollten bei diesen Übungen beide Verszeilen p3b_062.016
(mit Rücksicht auf die Architektonik des Reimes) nicht betragen.

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5. Dilettanten wenden häufig den jambischen hyperkatalektischen p3b_062.018
Quinar ohne ein strophisches Charakteristikum an. Noch beliebter sind p3b_062.019
bei ihnen wegen leichter Handhabung die jambischen Viertakter. Der p3b_062.020
Lernende thut gut daran, bei denselben die gereimte Zeile je um p3b_062.021
1 ganzen oder 1/2 Takt zu verkürzen, weil dadurch der Abschluß markanter p3b_062.022
wird.

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Aufgabe 1. Männlicher Reim. Nachstehender Stoff soll in p3b_062.024
jambischen Dreitaktern gegeben werden, von denen je die geraden, p3b_062.025
reimlosen hyperkatalektisch
(Breve - Breve - Breve - | Breve) sein mögen, während p3b_062.026
die gereimten akatalektisch sind.

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Liebesahnung.

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[Beginn Spaltensatz]

Stoff.

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Wohl schmücket unsere Jugend | p3b_062.030
manch schöner Kranz; | ein sonniger p3b_062.031
Äther | beglänzt sie, | ein warmer p3b_062.032
Mai | bringt Blumen | und frohe p3b_062.033
Lieder. | Doch um Eines | ist sie besonders p3b_062.034
zu beneiden: | es sind nicht p3b_062.035
die roten Wangen | und nicht das p3b_062.036
rasche Blut, |

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Lösung. Von Franz v. Kobell.

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Wohl schmückt die schöne Jugend p3b_062.103
So mancher grüne Kranz, p3b_062.104
Ein sonnigheller Äther p3b_062.105
Weht drüber seinen Glanz, p3b_062.106
Ein duftig warmer Maien p3b_062.107
Bringt seines Gartens Zier, p3b_062.108
Bringt farbig frische Blumen, p3b_062.109
Bringt frohe Lieder ihr; p3b_062.110
Doch Eines ist vor allen p3b_062.111
Jhr neidenswertes Gut, p3b_062.112
Die Blüte nicht der Wangen p3b_062.113
Und nicht das rasche Blut:
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§ 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002
Verszeilen.

p3b_062.003
1. An die Übungen in der Ghaselenform schließen sich die Übungen p3b_062.004
in abwechselnd reimlosen und gereimten Verszeilen eng an. Sie sind p3b_062.005
in ihrer Anwendung noch leichter als die Ghasele, da ja nur immer p3b_062.006
ein Reim in der Strophe nötig ist. (Wir kommen bei der gebrochen p3b_062.007
geschriebenen Nibelungenstrophe noch einmal auf diese Form zurück.)

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2. Daß sich bei Zusammenstellung von je 2 ungereimten und p3b_062.009
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kann aber immerhin als Überleitung zur Strophenbildung beachtet p3b_062.011
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3. Die Bildung reimloser und gereimter Verszeilen ist deshalb p3b_062.013
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4. Mehr als 10 Takte sollten bei diesen Übungen beide Verszeilen p3b_062.016
(mit Rücksicht auf die Architektonik des Reimes) nicht betragen.

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5. Dilettanten wenden häufig den jambischen hyperkatalektischen p3b_062.018
Quinar ohne ein strophisches Charakteristikum an. Noch beliebter sind p3b_062.019
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Aufgabe 1. Männlicher Reim. Nachstehender Stoff soll in p3b_062.024
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Liebesahnung.

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Stoff.

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Wohl schmücket unsere Jugend │ p3b_062.030
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Lösung. Von Franz v. Kobell.

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[62/0088] p3b_062.001 § 22. Bildung von abwechselnd reimlosen und gereimten p3b_062.002 Verszeilen. p3b_062.003 1. An die Übungen in der Ghaselenform schließen sich die Übungen p3b_062.004 in abwechselnd reimlosen und gereimten Verszeilen eng an. Sie sind p3b_062.005 in ihrer Anwendung noch leichter als die Ghasele, da ja nur immer p3b_062.006 ein Reim in der Strophe nötig ist. (Wir kommen bei der gebrochen p3b_062.007 geschriebenen Nibelungenstrophe noch einmal auf diese Form zurück.) p3b_062.008 2. Daß sich bei Zusammenstellung von je 2 ungereimten und p3b_062.009 2 gereimten Verszeilen vierzeilige Strophen ergeben, ist nebensächlich, p3b_062.010 kann aber immerhin als Überleitung zur Strophenbildung beachtet p3b_062.011 werden. p3b_062.012 3. Die Bildung reimloser und gereimter Verszeilen ist deshalb p3b_062.013 sehr leicht, weil das große Material innerhalb zweier Zeilen zweifelsohne p3b_062.014 mindestens ein Reimecho in sich schließt. p3b_062.015 4. Mehr als 10 Takte sollten bei diesen Übungen beide Verszeilen p3b_062.016 (mit Rücksicht auf die Architektonik des Reimes) nicht betragen. p3b_062.017 5. Dilettanten wenden häufig den jambischen hyperkatalektischen p3b_062.018 Quinar ohne ein strophisches Charakteristikum an. Noch beliebter sind p3b_062.019 bei ihnen wegen leichter Handhabung die jambischen Viertakter. Der p3b_062.020 Lernende thut gut daran, bei denselben die gereimte Zeile je um p3b_062.021 1 ganzen oder ½ Takt zu verkürzen, weil dadurch der Abschluß markanter p3b_062.022 wird. p3b_062.023 Aufgabe 1. Männlicher Reim. Nachstehender Stoff soll in p3b_062.024 jambischen Dreitaktern gegeben werden, von denen je die geraden, p3b_062.025 reimlosen hyperkatalektisch (⏑ – ⏑ – ⏑ – │ ⏑) sein mögen, während p3b_062.026 die gereimten akatalektisch sind. p3b_062.027 Liebesahnung. p3b_062.028 Stoff. p3b_062.029 Wohl schmücket unsere Jugend │ p3b_062.030 manch schöner Kranz; │ ein sonniger p3b_062.031 Äther │ beglänzt sie, │ ein warmer p3b_062.032 Mai │ bringt Blumen │ und frohe p3b_062.033 Lieder. │ Doch um Eines │ ist sie besonders p3b_062.034 zu beneiden: │ es sind nicht p3b_062.035 die roten Wangen │ und nicht das p3b_062.036 rasche Blut, │ p3b_062.101 Lösung. Von Franz v. Kobell. p3b_062.102 Wohl schmückt die schöne Jugend p3b_062.103 So mancher grüne Kranz, p3b_062.104 Ein sonnigheller Äther p3b_062.105 Weht drüber seinen Glanz, p3b_062.106 Ein duftig warmer Maien p3b_062.107 Bringt seines Gartens Zier, p3b_062.108 Bringt farbig frische Blumen, p3b_062.109 Bringt frohe Lieder ihr; p3b_062.110 Doch Eines ist vor allen p3b_062.111 Jhr neidenswertes Gut, p3b_062.112 Die Blüte nicht der Wangen p3b_062.113 Und nicht das rasche Blut:

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/88>, abgerufen am 27.11.2024.