Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_051.001 p3b_051.003 p3b_051.006 p3b_051.009 p3b_051.012 p3b_051.015 p3b_051.018 p3b_051.024 p3b_051.028 p3b_051.030 p3b_051.032 p3b_051.034 p3b_051.036 p3b_051.038 p3b_051.001 p3b_051.003 p3b_051.006 p3b_051.009 p3b_051.012 p3b_051.015 p3b_051.018 p3b_051.024 p3b_051.028 p3b_051.030 p3b_051.032 p3b_051.034 p3b_051.036 p3b_051.038 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0077" n="51"/> <p><lb n="p3b_051.001"/> 6. Übungen in der Stellung und Aufeinanderfolge der Reime <lb n="p3b_051.002"/> verbinden wir in späteren Paragraphen mit der Lehre von der Strophe.</p> <p><lb n="p3b_051.003"/> 7. Auch in den einfachsten Reimübungen ist auf Reinheit des <lb n="p3b_051.004"/> Reims zu halten. Wir begreifen darunter die Gleichartigkeit des <lb n="p3b_051.005"/> reimenden Klangs, nämlich:</p> <p><lb n="p3b_051.006"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">der Diphthonge.</hi> Somit dürfen sich nicht folgen ei─eu (z. B. <lb n="p3b_051.007"/> eitel─Beutel), ai─äu (z. B. Kaiser─Häuser), ai─eu (z. B. Mai─neu), <lb n="p3b_051.008"/> ei─äu (z. B. Weite─Geläute);</p> <p><lb n="p3b_051.009"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">der Vokale.</hi> Unrein sind demnach i─ü (z. B. lieben─üben), e─ä <lb n="p3b_051.010"/> (z. B. bewegen─Schlägen), e─ö (z. B. beten─Nöten), ö─ä (z. B. hört─ <lb n="p3b_051.011"/> erklärt);</p> <p><lb n="p3b_051.012"/><hi rendition="#aq">c</hi>. <hi rendition="#g">der Konsonanten.</hi> Unrein wäre b─p (z. B. schreibest─kneipest), <lb n="p3b_051.013"/> b─f (z. B. Fabel─Tafel), g─ch (z. B. Tag─Fach), g─ck (z. B. mag─ <lb n="p3b_051.014"/> Geschmack);</p> <p><lb n="p3b_051.015"/><hi rendition="#aq">d</hi>. <hi rendition="#g">der Silbenquantität.</hi> Es darf nur die betonte Silbe Trägerin <lb n="p3b_051.016"/> des Reimes sein, nicht aber die Nachsilbe. (Unrein ist also Spiegelung─ <lb n="p3b_051.017"/> Hoffnung, nicht aber sterblich─verderblich.)</p> <p><lb n="p3b_051.018"/><hi rendition="#aq">e</hi>. Unrein ist endlich der Reim, welcher kurze Silben (⏑) auf gedehnte <lb n="p3b_051.019"/> bezieht (z. B. Herr─Meer, will─viel). Jnkorrektheiten im Buchstaben, sofern <lb n="p3b_051.020"/> der Klang sich deckt, mögen gelind beurteilt werden. Dem vollendeten Dichter <lb n="p3b_051.021"/> werden gewisse Freiheiten (wie z. B. der Reim Kuß auf Gruß) gern einzuräumen <lb n="p3b_051.022"/> sein; bei dem Anfänger aber muß auf möglichste Reinheit gehalten <lb n="p3b_051.023"/> werden, damit seine Freiheiten sich nicht bis zur Verwilderung häufen.</p> <p><lb n="p3b_051.024"/> 8. Wenn schon alle jene Begriffswörter anschaulich wirken, denen <lb n="p3b_051.025"/> man ihre onomatopoetische Entstehung ansieht, so sind besonders jene <lb n="p3b_051.026"/> Reimworte am wirksamsten, welche durch ihren Klang dasjenige schon <lb n="p3b_051.027"/> im voraus malerisch andeuten, was sie ausdrücken sollen.</p> <p><lb n="p3b_051.028"/> 9. Für unsere praktischen Übungen sind fürs erste folgende <lb n="p3b_051.029"/> Reimarten völlig genügend:</p> <p><lb n="p3b_051.030"/><hi rendition="#aq">a</hi>. männlicher Reim, welcher mit der Hebung (Arsis) schließt, z. B. <lb n="p3b_051.031"/> Gebrauch─Hāuch;</p> <p><lb n="p3b_051.032"/><hi rendition="#aq">b</hi>. weiblicher Reim, welcher mit der Senkung endigt, z. B. Liebĕ─Triebĕ, <lb n="p3b_051.033"/> glühĕnd─blühĕnd;</p> <p><lb n="p3b_051.034"/><hi rendition="#aq">c</hi>. gleitender Reim, bei welchem 3 Silben reimen, von denen nur die <lb n="p3b_051.035"/> erste betont ist, z. B. schwḗllĕndĕ─quḗllĕndĕ;</p> <p><lb n="p3b_051.036"/><hi rendition="#aq">d</hi>. schwebender Reim, bei welchem Spondeus mit Spondeus reimt: <lb n="p3b_051.037"/><hi rendition="#aq">a</hi>. steigend, z. B. bleīb nā́h─schreīb dā́, <hi rendition="#aq">b</hi>. sinkend, z. B. Lā́ut stȫrt─Brā́ut hȫrt;</p> <p><lb n="p3b_051.038"/><hi rendition="#aq">e</hi>. Doppelreim, welcher an eine Silbe (oder an die beiden Silben) des <lb n="p3b_051.039"/> Spondeus eine tonlose Silbe anfügt, z. B. Sangmeister─Klanggeister; Klinge <lb n="p3b_051.040"/> klang ─ Schlinge schlang.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0077]
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6. Übungen in der Stellung und Aufeinanderfolge der Reime p3b_051.002
verbinden wir in späteren Paragraphen mit der Lehre von der Strophe.
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7. Auch in den einfachsten Reimübungen ist auf Reinheit des p3b_051.004
Reims zu halten. Wir begreifen darunter die Gleichartigkeit des p3b_051.005
reimenden Klangs, nämlich:
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a. der Diphthonge. Somit dürfen sich nicht folgen ei─eu (z. B. p3b_051.007
eitel─Beutel), ai─äu (z. B. Kaiser─Häuser), ai─eu (z. B. Mai─neu), p3b_051.008
ei─äu (z. B. Weite─Geläute);
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b. der Vokale. Unrein sind demnach i─ü (z. B. lieben─üben), e─ä p3b_051.010
(z. B. bewegen─Schlägen), e─ö (z. B. beten─Nöten), ö─ä (z. B. hört─ p3b_051.011
erklärt);
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c. der Konsonanten. Unrein wäre b─p (z. B. schreibest─kneipest), p3b_051.013
b─f (z. B. Fabel─Tafel), g─ch (z. B. Tag─Fach), g─ck (z. B. mag─ p3b_051.014
Geschmack);
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d. der Silbenquantität. Es darf nur die betonte Silbe Trägerin p3b_051.016
des Reimes sein, nicht aber die Nachsilbe. (Unrein ist also Spiegelung─ p3b_051.017
Hoffnung, nicht aber sterblich─verderblich.)
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e. Unrein ist endlich der Reim, welcher kurze Silben (⏑) auf gedehnte p3b_051.019
bezieht (z. B. Herr─Meer, will─viel). Jnkorrektheiten im Buchstaben, sofern p3b_051.020
der Klang sich deckt, mögen gelind beurteilt werden. Dem vollendeten Dichter p3b_051.021
werden gewisse Freiheiten (wie z. B. der Reim Kuß auf Gruß) gern einzuräumen p3b_051.022
sein; bei dem Anfänger aber muß auf möglichste Reinheit gehalten p3b_051.023
werden, damit seine Freiheiten sich nicht bis zur Verwilderung häufen.
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8. Wenn schon alle jene Begriffswörter anschaulich wirken, denen p3b_051.025
man ihre onomatopoetische Entstehung ansieht, so sind besonders jene p3b_051.026
Reimworte am wirksamsten, welche durch ihren Klang dasjenige schon p3b_051.027
im voraus malerisch andeuten, was sie ausdrücken sollen.
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9. Für unsere praktischen Übungen sind fürs erste folgende p3b_051.029
Reimarten völlig genügend:
p3b_051.030
a. männlicher Reim, welcher mit der Hebung (Arsis) schließt, z. B. p3b_051.031
Gebrauch─Hāuch;
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b. weiblicher Reim, welcher mit der Senkung endigt, z. B. Liebĕ─Triebĕ, p3b_051.033
glühĕnd─blühĕnd;
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c. gleitender Reim, bei welchem 3 Silben reimen, von denen nur die p3b_051.035
erste betont ist, z. B. schwḗllĕndĕ─quḗllĕndĕ;
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d. schwebender Reim, bei welchem Spondeus mit Spondeus reimt: p3b_051.037
a. steigend, z. B. bleīb nā́h─schreīb dā́, b. sinkend, z. B. Lā́ut stȫrt─Brā́ut hȫrt;
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e. Doppelreim, welcher an eine Silbe (oder an die beiden Silben) des p3b_051.039
Spondeus eine tonlose Silbe anfügt, z. B. Sangmeister─Klanggeister; Klinge p3b_051.040
klang ─ Schlinge schlang.
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